Dass die Zahl der Apotheken stetig sinkt, wird vielfach berichtet und ist auch jenseits der Fachmedien als Thema oft präsent; Rebmann Research hat sich die Zahlen und Entwicklungen der letzten 15 Jahre im Detail angesehen und diese einer regionalen Betrachtung unterzogen, mit spannenden Erkenntnissen:
Eine durchschnittliche Apotheke in Westdeutschland muss im Moment 1.000 Einwohner mehr versorgen als im Jahr 2008, nämlich 4.700 (im Vergleich zu 3.700).
Eine Apotheke versorgt 2022 1.000 Einwohner mehr als 2008!
Der Zuwachs ist dabei am stärksten in den Stadtstaaten: Dort kommen auf eine Apotheke ein Drittel mehr Einwohner im Vergleich zu dem Jahr mit der höchsten Apothekenversorgung:
- An der Spitze liegt Bremen: Dort versorgt eine Apotheke 1.300 Menschen mehr als im Jahr 2005 (Bremen war das Bundesland, in dem die Apothekenzahlen am frühesten zu sinken begannen) – das bedeutet ein Plus an Patienten je Apotheke in Höhe von 35%.
- Es folgen Berlin mit plus 33% sowie Hamburg mit plus 32%.
Das ist durchaus interessant, da häufig vom Apothekenmangel auf dem Land gesprochen wird; die Zahlen zeigen jedoch, dass eine Stadtapotheke mehr Einwohner versorgt und dass die Einwohner-Apothekenrelation gerade dort am stärksten angestiegen ist. Die Wege zur nächsten Apotheke sind zwar kürzer (als in ländlichen Regionen), damit aber auch die Konkurrenzsituation; sieht man von Stadtteilapotheken ab, dürfte auch die persönliche Kundenbindung zum Apotheker bzw. zur Apothekerin eine geringere sein. Hinzu kommen höhere Kosten (z.B. für Mieten), evtl. geringere Arzneimittelbedarfe (z.B. mehr Studierende und damit jüngere Menschen in manchen Städten); kurzum: Die Stadtapotheke sieht sich anderen Herausforderungen gegenüber und benötigt für eine wirtschaftlich nachhaltige Ertragssituation evtl. auch eine andere (kritische) Größe.
Belastend ist eine höhere Einwohner-Apothekenrelation dabei insbesondere auch für Nacht- und Notdienste, denn bei schrumpfender Apothekenzahl muss eine Apotheke immer mehr Dienste erbringen.
Abb.: Einwohner je Apotheke nach Bundesländern 2022 im Vergleich zum Niedrigstwert der letzten 15 Jahre
Interessant ist auch ein Blick auf das Saarland: Dort ist die Apothekenzahl mit 22% (nach Bremen; minus 23%) zwar am zweitstärksten gesunken, das Plus in Höhe von 600 je Apotheke zusätzlich zu versorgenden Patienten ist jedoch niedriger als im Bundesdurchschnitt (geringster Wert im Westen der Republik), was Folge der zum Teil rückläufigen Bevölkerungsentwicklung im Saarland ist.
Auffällig ist, dass in den östlichen Bundesländern der Zuwachs an zusätzlich zu versorgenden Menschen je Apotheke im Zeitverlauf viel geringer ausfällt, das ist insbesondere der dortigen Ausgangssituation geschuldet: Denn der dortige Basis-Versorgungsgrad war vergleichsweise ‚schlechter‘; d.h. 2008 hat dort eine Apotheke mehr als 4.100 Einwohner versorgt, während der entsprechende Vergleichswert im Westen bei 3.700 lag. Mittlerweile hat sich die Situation umgekehrt, d.h. im Westen kommen mehr Einwohner auf eine Apotheke: Über 4.700 Einwohner sind es im Vergleich zu 4.300 im Osten. Das heißt, dass eine durchschnittliche Apotheke in Westdeutschland im Moment 1.000 Einwohner mehr versorgt als im Jahr 2008!
Neben der Versorgung spielt auch die Nachfrage bzw. die ‚Zahl der Verordnungen‘ eine wichtige Rolle zur Erklärung regionaler Unterschiede: Generell ist der Arzneimittelverbrauch in den östlichen Bundesländern höher, d.h. dort erzielen die Apotheken auch höhere Verordnungsumsätze und -anteile mit den GKVen. Bezogen auf die Bundesländer verzeichnet z.B. der Barmer Arzneimittelreport 2021 Arzneimittelausgaben je Versicherten zwischen 830 Euro in Sachsen-Anhalt und 516 Euro in Bremen.
Quelle: Zahlen ABDA und Statistisches Bundesamt; Berechnungen REBMANN RESEARCH
Kommentar:
In ihren Worst-Case-Szenarien gehen Branchenvertreter davon aus, dass die Zahl der Apotheken in den nächsten 10 Jahren auf einen Wert von unter 15.000 sinken könnte. Hierzulande kommen etwa 21 Apotheken auf 100.000 Einwohner (2008 waren es 26), was unterhalb des europäischen Durchschnitts (32) liegt. Wenn Apotheken ihre Pforten schließen, liegt das meist daran, dass keine Nachfolger gefunden werden bzw. die jungen approbierten ApothekerInnen oft eine Anstellung in der Industrie (ohne Nacht- und Wochenenddienste etc.) und/oder an anderen Standorten präferieren. Aber auch der finanzielle Ausblick ist bei manchen Apotheken wenig attraktiv:
Bei den kleineren Apotheken blieben häufig kalkulatorische Kosten (wie Unternehmerlohn, Eigenkapitalverzinsung und gegebenenfalls Miete, wenn die Apotheke in der eigenen Immobilie untergebracht ist) zum Teil unberücksichtigt. Ein höherer Personalbedarf wird oft vom Inhaber selbst abgefedert und auch das macht sich nicht direkt in den Zahlen bemerkbar. Der Arbeitseinsatz der Eigentümer bzw. Apotheker ist sehr hoch. 50 bis 60 Arbeitsstunden je Woche sind normal. Branchenanalysten gehen davon aus, dass unter Berücksichtigung dieser Aspekte viele dieser Apotheken sogar rote Zahlen schreiben würden. Für viele dieser kleinen, weniger rentablen Apotheken, ist es somit zusehends schwieriger, einen Nachfolger zu finden und einen guten Kaufpreis zu erzielen. Demgegenüber stehen jedoch größere Marktteilnehmer an guten Standorten oder Apothekenverbünde, für die sehr hohe Kaufpreise erzielt werden und deren Anteil im Übernahmemarkt stetig zunimmt. Die Kaufpreise korrelieren zudem positiv mit der Größe des direkten Einzugsgebiets (Gemeindegröße).
Quellen:
- Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamts
- Zahlen Apothekenversorgung der letzten Jahre: ABDA