„Arztpraxen 2020“ als Gegenmodell zum Investoren-MVZ

„Arztpraxen 2020“ als Gegenmodell zum Investoren-MVZ

Mit dem Ziel, die ambulante Versorgung in unterversorgten Regionen sicherzustellen, startete der MEDI-Verbund Baden-Württemberg bereits im Jahr 2017 mit seinem MVZ-Modell „Arztpraxen 2020“. Mittlerweile gibt es im Südwesten 8 der sogenannten MEDI-MVZ, die zusätzlich über Zweigpraxen verfügen. Die MVZ sind einheitlich unter Zuständigkeit einer zentralen Geschäftsführung beim MEDI-Verbund organisiert und unterstehen jeweils einem eigenen ärztlichen Leiter.

Stärkung der Freiberuflichkeit

Im Gegensatz zu den investorengetragenen iMVZ ist das MEDI-MVZ-Modell berufspolitisch motiviert. Der Verbund hat nichtärztliche Investoren, Krankenhäuser sowie Kommunen gesellschaftsrechtlich von einer Teilnahme ausgeschlossen. Im Hintergrund stehen angestellte Ärzte als Gesellschafter der GmbH gemeinsam mit Vorständen aus dem MEDI-Verbund. Ziel ist es, jungen Ärzten einen weitgehend risikolosen Einstieg in die ambulante Tätigkeit zu ermöglichen und sie später zur Teilhaberschaft des MVZ zu motivieren. Neben der Risikobeschränkung kommt das Modell auch dem Wunsch der nachfolgenden Ärztegeneration nach Teamarbeit und Flexibilität entgegen. Die Aufteilung von Arztsitzen in bis zu vier Teile ermöglicht überschaubare und flexible Arbeitszeiten wie z.B. eine Vier-Tage-Woche oder wechselnde Dienstpläne. Eine feste langfristige Bindung an einen Arbeitsort für mehrere Jahrzehnte ist nicht erforderlich. Hinzu kommen finanzielle Sicherheit und zeitnahe Wiederverfügbarkeit des investierten Kapitals, da die Gesellschaft den Ärzten die Anteile bei Ausstieg wieder abkauft. Nachwuchsärzte haben die Wahl der Tätigkeit in einer großen Teampraxis oder in einer Zweigpraxis. Auch hier ist eine flexible Gestaltung möglich. Diese reicht von der Angestelltentätigkeit bei vollkommener Entlastung von bürokratischen Aufgaben über die zunehmende Übernahme von Verantwortung bei steigendem Gehalt bis hin zur (vertraglich zugesicherten) Option der Übernahme der Zweigpraxis.

Zentralisierung von betriebswirtschaftlichen Aufgaben

Laut MEDI-Verbund handelt es sich bei jedem MVZ um ein „Unikat“. Bestandspraxen werden nicht zerschlagen, sondern weiterentwickelt. Ehemalige Praxisinhaber, die ihre Tätigkeit im MVZ als Angestellte fortführen, sorgen für Kontinuität und Wissensvermittlung. Über die Vereinheitlichung der Prozesse erfolgt eine wirtschaftliche Optimierung sowie Entlastung der Ärzte von bürokratischen Aufgaben. Unterstützung erhalten die MVZ dabei durch eine Dienstleistungsgesellschaft, bei der die Geschäftsführung und damit Aufgaben wie Abrechnung, Controlling, Personalwesen, Qualitätsmanagement oder das Backoffice zentralisiert sind. Die einheitliche Praxissoftware ermöglicht über eine Cloud-Lösung den ortsunabhängigen Zugriff. In der Regel ist jedoch ein Umzug der alten Praxis in eine neue und moderne Immobilie erforderlich, um sowohl den Anforderungen an die Patientenversorgung als auch den größeren Teamstrukturen gerecht zu werden. Hinzu kommt die steigende Attraktivität des Arbeitsumfeldes für junge Ärzte. Die Ärzte in den MEDI-MVZ werden nicht nur im bürokratischen Bereich entlastet, sondern zusätzlich durch ein hochqualifiziertes Praxisteam unterstützt. Viele MFA haben eine Ausbildung als VERAH und NÄPA.

Frühe Bindung von Nachwuchsmedizinern

Über Hospitationsangebote für Famulanten und PJler erhalten Nachwuchsmediziner bereits zu einem frühen Zeitpunkt Einblick in die hausärztliche Tätigkeit in einem MEDI-MVZ. In den größeren Einheiten gibt es zudem Stellen für Weiterbildungsassistenten.

 

Kommentar:

Der Blick auf die Altersstruktur der deutschen Hausärzte und die sich zuspitzenden Versorgungsprobleme machen deutlich, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Die bisherigen Maßnahmen, die die Betonung auf finanzielle Förderung legten, reichen nicht aus. Grund ist, dass die klassischen Organisationsformen in der ambulanten Versorgung – und insbesondere die Einzelpraxis – häufig nicht in Einklang mit den Erfordernissen und Präferenzen der nachfolgenden Ärztegeneration zu bringen ist. Immer häufiger scheuen junge Ärzte daher den Schritt in die Selbstständigkeit. Das MEDI-MVZ-Modell besticht im Gegensatz zu vielen Investorenmodellen insbesondere durch die Stärkung der Freiberuflichkeit. Aus wirtschaftlicher Perspektive profitiert das Modell von der wirtschaftlichen Absicherung über die Verträge zur hausarztzentrierten Versorgung (HzV), die in Baden-Württemberg in besonderem Maße ausgebaut ist. Daneben hängt die Funktionsfähigkeit des Modells sehr stark von der Gewinnung einer ausreichenden Anzahl an Nachwuchsmedizinern ab. Über den hohen Grad an Flexibilität, der angepassten Ausgestaltungen der ärztlichen Tätigkeit hinsichtlich Arbeitsumfang/-zeit, finanziellem Risiko sowie unternehmerischer Verantwortung hinaus, finden sich grundsätzlich Mediziner in jeder Karriere-/Lebensphase in dem Konzept wieder. Wie die Erfahrungen zeigen, ist jedoch die Gewinnung von Nachwuchsmedizinern trotz der theoretisch guten Voraussetzungen nicht immer einfach.

Quellen:

Dr. Elisabeth Leonhard
Autor Dr. Elisabeth Leonhard
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