Ausschließlich im Notdienst tätige Zahnärzte dürfen nicht mehr als selbstständig eingestuft werden
Das Bundessozialgericht (BSG) hat am 24.10.2023 ein Urteil gefällt, das für die zahnärztliche Notdienstversorgung in Deutschland weitreichende Folgen haben könnte. Das BSG hat entschieden, dass ein Zahnarzt, der als sogenannter Pool-Zahnarzt im Notdienst tätig ist, nicht automatisch selbstständig ist, sondern der Sozialversicherungspflicht unterliegt. Damit hat das BSG der Klage eines Zahnarztes stattgegeben, der seine Praxis verkauft hatte und nur noch als Pool-Zahnarzt im Notdienst arbeitete. Er erhielt dafür ein festes Stundenhonorar von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV) und rechnete seine Leistungen nicht individuell mit den Patienten ab. Die Deutsche Rentenversicherung Bund und die Vorinstanzen hatten den Zahnarzt als selbstständig eingestuft, weil er an der vertragszahnärztlichen Versorgung teilnahm. Das BSG hat jedoch eine Gesamtabwägung der konkreten Umstände vorgenommen und festgestellt, dass der Zahnarzt in die von der KZV organisierten Abläufe eingegliedert war und keinen unternehmerischen Einfluss hatte. Er fand eine von dritter Seite vorgegebene Struktur vor, in der er sich fremdbestimmt einfügte. Daher war er bei der Notdiensttätigkeit aufgrund Beschäftigung versicherungspflichtig (Aktenzeichen B 12 R 9/21 R).
Kommentar:
Gut funktionierender Notfallversorgung rechtliche Grundlage entzogen
Die Pool-Zahnärzte übernehmen einen großen Teil der Notdienste, die von den KZVen organisiert werden, und entlasten damit die niedergelassenen Zahnärzte. Das Urteil des BSG dürfte zu einem Engpass in der zahnärztlichen Notdienstversorgung führen, da viele Pool-Zahnärzte ihre Tätigkeit beenden könnten, wenn sie der Sozialversicherungspflicht unterliegen. Die KZV Baden-Württemberg hat gewarnt, dass das bestehende System des Notdienstes nicht weitergeführt werden könnte, wenn die rund 3.000 Pool-Zahnärzte in Baden-Württemberg ihre Tätigkeit einstellen würden. In Baden-Württemberg werden beispielsweise die Notdienste zu durchschnittlich rund 40% von Pool-Zahnärzten übernommen.
Verschlechterung der zahnmedizinischen Versorgung zu befürchten
Wenn die niedergelassenen Zahnärzte alle Notdienste der Pool-Zahnärzte übernehmen müssten, müssten sehr wahrscheinlich sowohl die Sprechzeiten in der Regelversorgung als auch die Notdienstzeiten reduziert werden. Die Folgen wären eine Verschlechterung der zahnmedizinischen Versorgungsqualität und eine Überlastung der Notaufnahmen der Krankenhäuser.
Auch ärztlicher Notdienst betroffen, erste KVen zogen bereits Konsequenzen
Das Urteil betrifft wohl nicht nur die zahnärztliche Notfallversorgung, sondern auch die ärztliche. Davon gehen jedenfalls sowohl die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) als auch das baden-württembergische Gesundheitsministerium aus. Als Reaktion auf das BSG-Urteil hat die KV Baden-Württemberg bereits angekündigt, Poolärzte nicht mehr für den Bereitschaftsdienst heranzuziehen und diesen einzuschränken. Andere Kassenärztliche Vereinigungen erwägen ebenfalls entsprechende Schritte.
Quellen: