Bundestag beschließt Vor-Ort-Apotheken-Stärkungs-Gesetz (VOASG)

Bundestag beschließt Vor-Ort-Apotheken-Stärkungs-Gesetz (VOASG)

Seit vier Jahren schwelt ein Konflikt zwischen der EU und Deutschland rund um die hierzulande im Arzneimittelgesetz verankerte Rx-Preisbindung (sprich ein Rx-Boni-Verbot). Die Richter des EuGH bewerteten diese im Oktober 2016 als Verstoß gegen Unionsrecht bzw. als unverhältnismäßige Beschränkung des freien Warenverkehrs. So dürfen ausländische Versandhändler in Deutschland seither Rabatte auch auf Rx-Arzneien gewähren, während dies inländischen Apotheken untersagt ist.

Eine Lösung der Problematik ist endlich in Sicht, nachdem letzte Woche der Bundestag das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungs-Gesetz (VOASG) beschlossen hat: Demnach wird nun das Rx-Boni-Verbot zwar aus dem Arzneimittelrecht gestrichen, aber dafür im Sozialgesetzbuch (SGB V) verankert, da der Gesetzgeber davon ausgeht, dass sozialrechtliche Regelungen nicht im Fokus der EU stehen. Um dies sicherzustellen, wurde im Sommer 2019 vereinbart, mit der Verabschiedung des Gesetzes auf eine Stellungnahme der EU zum Gesetzesentwurf zu warten.

Vom EU-Kommissar gab es nun im Oktober 2020 grünes Licht und kurz danach wurde es auch im Parlament beschlossen. Ob die Regelung in dieser Form jedoch europa- /verfassungsrechtskonform ist, bleibt unbeantwortet, denn letztlich muss bzw. müsste darüber erneut der EuGH entscheiden. Es könnte sogar – so die Kritiker der neuen Regelung  –  zu Schadenersatzforderungen gegenüber Deutschland kommen. Bemängelt wird zudem, dass mit einer Verankerung des Rx-Boni-Verbots im Sozialrecht Privatversicherte, Beihilfeempfänger sowie Selbstzahler nicht einbezogen sind und damit für diese weiterhin Boni gewährt werden dürften (Ungleichbehandlung).

Neben dem Rx-Boni-Verbot umfasst das VOASG zudem weitere, für die Apothekerschaft wichtige (Neu-)Regelungen:

  • Ab 2021 Verstetigung der Vergütung für den Botendienst in Höhe von 2,50 Euro.
  • Auch Versandhändler müssen Temperaturanforderungen erfüllen: Die Einhaltung  bei besonders temperaturempfindlichen Arzneimitteln muss durch mitgeführte Temperaturkontrollen valide nachgewiesen werden.
  • Automatisierte Arzneimittel-Ausgabestationen in/von Apotheken unter gewissen Voraussetzungen, z.B. innerhalb der Betriebsräume der Apotheke, Bestückung durch Personal vor Ort, Beratung (auch per Teleberatung) bereits im Vorfeld, abgezeichnetes Originalrezept (im Falle eines Rx-Präparats).
  • Aber auch Versandapotheken, die keine Betriebsräume vor Ort unterhalten, soll bei Vorliegen aller anderen Voraussetzungen diese Möglichkeit geöffnet werden.
  • Vergütung neuer pharmazeutischer Dienstleistungen von Apothekern (150 Mio. Euro sollen dafür über einen Honorartopf zur Verfügung stehen, der – ähnlich dem Nacht- und Notdienstfonds – über 20 Cent je Rx-Packung vereinnahmt werden soll). Das könnten sein:
    • Arzneimitteltherapiesicherheit/Medikationsmanagement (insbesondere bei Polypharmazie) / Therapietreue / Adhärenz
    • Schulungen für ausgesuchte, erklärungsbedürftige Medizinprodukte wie z. B. Insulinpens
    • pharmazeutische Betreuung bei Krebspatienten oder pflegebedürftigen Patienten im häuslichen Umfeld

Noch fehlt es jedoch an Konkretisierungen, die zwischen Krankenkassen und Apothekenvertretern auf Bundesebene verhandelt werden sollen.

Nun muss das VOASG nur mehr den Bundesrat passieren. Da es jedoch nicht zustimmungspflichtig ist, könnte es somit noch im Laufe des Jahres 2020 in Kraft treten.

Quellen:

 

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