BVMed-Herbstumfrage 2023: weiter steigende Umsätze bei rückläufigen Gewinnen

BVMed-Herbstumfrage 2023: weiter steigende Umsätze bei rückläufigen Gewinnen

Die deutsche Medizintechnikindustrie kann auch im Jahr 2022 ein (nach Klein- und Großunternehmen gewichtetes) Umsatzwachstum in Höhe von 4,8% verzeichnen (rund 38 Mrd. Euro). Der ungewichtete Umsatzanstieg liegt bei 3,0%. Dennoch stellen die enorm gestiegenen Kosten für Personal, Logistik, Rohstoffe und Energie, aber auch für die Umsetzung der europäischen Medizinprodukteverordnung (MDR) eine große Belastung dar, die sich insbesondere auf die Gewinnsituation auswirken. Das geht aus der aktuellen Herbstumfrage des Branchenverbandes BVMed hervor.

Strikte Regulatorik sorgt für rückläufige Investitionen am Standort Deutschland

Eine aktuell besonders besorgniserregende Entwicklung ist der Rückgang von medizintechnischen Investitionen am Standort Deutschland zugunsten des Auslands aufgrund zu strikter regulatorischer Bedingungen beispielsweise durch die MDR. Der ebenfalls durch den BVMed erhobene Innovationsklima-Index findet in diesem Zusammenhang ein weiteres Jahr infolge mit einem Wert von 3,5 einen erneuten Tiefstwert auf der zugrunde liegenden Zehnerskala. Ein Viertel der Unternehmen plant, Investitionen am Standort Deutschland zu reduzieren. Gleiches gilt für die Forschungsausgaben. Mehr als die Hälfte der Unternehmen (53%) bevorzugen mittlerweile das amerikanische Regulierungssystem der FDA für das Inverkehrbringen von Medizinprodukten. Lediglich 12% präferieren noch das europäische MDR-System, immerhin ein starkes Drittel (35%) äußern derzeit keine Präferenz.

Steigender Kostendruck verantwortlich für rückläufige Gewinnerwartungen

Der regulatorische Aufwand trägt auch zu einer angespannten Geschäftssituation insgesamt bei. Übertroffen wird der Effekt der Regulatorik nur noch von rückläufigen Gewinnen, die von 49% der Unternehmen erwartet werden. In erster Linie dafür verantwortlich sind die hohen Logistik-, Rohstoff- und Energiepreise, von denen sich 72% betroffen sehen. Nur ein Fünftel der Unternehmen geht von steigenden Gewinnen aus, fast ein Drittel (31%) von einer unveränderten Gewinnsituation. Zudem belasten 54% der Unternehmen der Fachkräftemangel und inflationsbedingt steigenden Personalkosten.

Erwartete Umsatzsituation überwiegend positiv

Trotz der verbreitet erwarteten getrübten Gewinnsituation gehen zwei Drittel der Unternehmen von Umsatzsteigerungen aus. Damit nähern sich die Umsatzerwartungen langsam wieder dem Vor-Corona-Niveau 2019 (70%). Dennoch rechnen 19% mit Umsatzrückgängen, 12% davon sogar im zweistelligen Bereich – abhängig der sich teilweise stark unterscheidenden Produktbereiche. Die einschränkenden Effekte der MDR zeigen sich auch im Vergleich mit der weltweiten Umsatzentwicklung, die im Betrachtungszeitraum mit 6,4% deutlich über der Inlandsentwicklung liegt.

Standort Deutschland stärken erfordert durchgängige MedTech-Strategie

Für eine Stärkung des Standortes Deutschland benötigt es eine aufeinander abgestimmte MedTech-Strategie, welche die Regulatorik wieder wettbewerbsfähig macht, insbesondere durch die Abschaffung der alle fünf Jahre erforderlichen Re-Zertifizierung von Medizinprodukten und die Überregulierungen abbaut. Bei der dringend erforderlichen Weiterentwicklung der MDR wünschen sich 75% der Unternehmen vor allem eine Reduzierung des bürokratischen Aufwands, klarere Fristen (64%) und besser kalkulierbare Kosten (56%). Ferner wird in der Erweiterung des Fast-Track-Verfahrens bei den digitalen Gesundheitsanwendungen auf Medizinprodukte der Klasse IIb und III Potenzial gesehen, um den Standort zu stärken.

Die Strategie erfordert darüber hinaus einen verbesserten Datenzugang sowie insgesamt die Stärkung der Widerstandsfähigkeit des nationalen Gesundheitssystems und der Lieferketten vor allem mithilfe der engeren Zusammenarbeit von Politik und Industrie.

Entwicklung der Mitarbeiterzahlen stimmt zuversichtlich

Trotz der zahlreichen Belastungen erhöhen fast ein Drittel der MedTech-Unternehmen (31%) die Mitarbeiterzahl, 58% halten das Niveau konstant und sind zudem von den guten bzw. verbesserten Berufsaussichten überzeugt (87%). Vor allem Ingenieure, Informatiker, insbesondere Data Scientists, Medizintechniker, aber auch kaufmännische und technische Auszubildende sind gefragt. Die hohe Bedeutung von Data Scientists verdeutlicht den größer werdenden Stellenwert von datengetriebenen Versorgungslösungen in der Branche der Medizintechnik.

 

Kommentar:

Die Medizintechnik-Branche in Deutschland spielt eine wichtige Rolle in der Wirtschaft des Landes. Sie zeichnet sich durch hohe Innovationskraft aus, wobei die Unternehmen durchschnittlich etwa 9% ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung investieren – jedoch zunehmend nicht mehr am Standort Deutschland. Die Branche ist ein bedeutender Arbeitgeber, beschäftigt über 250.000 Menschen und bietet 13.000 Ausbildungsplätze. Deutschland ist ein führender Exporteur von Medizintechnikprodukten mit einer Exportquote von etwa 67% und einem jährlichen Gesamtumsatz von über 38 Mrd. Euro.

Trotz dieser Erfolge ist der Medizintechnikstandort in Deutschland gefährdet. Probleme liegen vordergründig in einem komplexen regulatorischen System für Medizinprodukte, übermäßiger Bürokratie, der langsamen Digitalisierung des Gesundheitssystems und mangelnder Unterstützung für den Mittelstand. Um die Position Deutschlands in der Medizintechnik-Branche zu stärken, wird eine umfassende MedTech-Strategie gefordert, die konkrete Maßnahmen zur Verbesserung des Standorts vorsieht. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Politik und Wirtschaft, um den Sektor für qualifizierte Fachkräfte attraktiv zu gestalten und die Innovationskraft zu fördern.

Quelle: BVMed e.V. – Ergebnisse der BVMed-Herbstumfrage 2023

Nadine Brohammer
Autor Nadine Brohammer
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