Corona & Patente: Enteignung durch den Staat?

Corona & Patente: Enteignung durch den Staat?

Mit dem im März geänderten Infektionsschutzgesetz können per Anordnung des Gesundheitsministeriums patentgeschützte Erfindungen im Interesse der Allgemeinheit benutzt werden. Das heißt: Zum Schutz der Bevölkerung kann bei einer “epidemischen Lage von nationaler Tragweite„ die Nutzung eines Patents auch gegen den Willen des Patentinhabers vom Hoheitsträger durchgesetzt werden, um die Versorgung z. B. mit Arzneimitteln (inkl. Betäubungsmitteln), Wirk-, Ausgangs- und Hilfsstoffen dafür (bspw. Wirkstoffe gegen Coronaviren), Medizinprodukten (z. B. Beatmungsgeräten), Labordiagnostika, Hilfsmitteln, Desinfektionsmitteln oder Gegenständen der persönlichen Schutzausrüstung sicherzustellen.

Betroffen sind dabei nur bereits “erteilte“ Patente, also sowohl jene vom DPMA als auch europaweite Patente mit Wirkung für Deutschland (gemäß Europäischem Patentübereinkommen). Die Nutzung des Patents muss zeitlich befristet sein, begründet werden und kann vom Patentinhaber vor dem Bundesverwaltungsgericht angefochten werden. Der Patentinhaber hat zudem einen Anspruch auf eine “angemessene Vergütung”, diese dürfte jedoch sicherlich unter jenen Einnahmen liegen, die er normalerweise rein privatwirtschaftlich mit dem entsprechenden Patent erzielen würde. Es wäre sogar denkbar, dass der Staat im Rahmen der Nutzung des Patents einen Wettbewerber beauftragt.

Möglich ist auch eine sog. “Zwangslizenz“ – eine solche kam z. B. 2016 zum Einsatz, als nach einer gescheiterten Lizenzverhandlung ein japanischer Hersteller einer deutschen Pharmafirma keine Lizenz für ein HIV-Arzneimittel gewähren wollte. Dieser Fall könnte nun auch für das Medikament Remdesivir, das im Sommer 2020 von der EU eine bedingte Marktzulassung zur Behandlung von Covid-19 erhalten hat, zutreffen: Sollte der Inhaber der Patentrechte, das amerikanische Unternehmen Gilead Sciences, nicht in ausreichendem Maße auch für den europäischen bzw. hiesigen Markt produzieren, würde sich ein hier ansässiges Unternehmen um entsprechende Lizenzen bemühen. Würden Verhandlungen scheitern, könnten entsprechende Zwangslizenzen zum Einsatz kommen, so der Bundesverband der Patentanwälte.

Quellen:

 

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