Deutschlands Gesundheitssystem im internationalen Vergleich

Deutschlands Gesundheitssystem im internationalen Vergleich

In einer aktuellen Untersuchung analysiert das Wissenschaftliche Institut der PKV (WIP) die Kostenbeteiligungen, Wartezeiten und den Leistungsumfang von medizinischen Leistungen in verschiedenen europäischen Gesundheitssystemen. Das deutsche Gesundheitssystem liegt im internationalen Vergleich weit vorne. Folgende Aspekte werden innerhalb der WIP-Studie unter anderem beleuchtet:

Das GKV-System garantiert kurze Wartezeiten

74% der befragten deutschen Patienten geben an, dass sie am selben oder nächsten Tag der Anfrage einen Arzttermin erhielten. Damit ist Deutschland auf Platz eins, gefolgt von den Niederlanden mit 66%. Den letzten Platz belegt Schweden mit 33%.

Zudem sind in Deutschland lediglich 0,1% der Meinung, dass die ärztliche Versorgung durch zu lange Wartezeiten gefährdet ist. Im Vergleich hierzu liegt Estland mit 12,2% deutlich darüber. Die anderen Länder bewegen sich zwischen diesen beiden Werten.

Der Zugang zu modernen Arzneimitteln ist gut

Auch bei der Kostenübernahme für Arzneimittel nimmt Deutschland mit 82,3% die Spitzenposition ein, dicht gefolgt von Frankreich (80,2%) und Irland (78,7%). Deutlich schlechter ist die Kostenübernahme in Polen mit gerade einmal 35,9%. Die Zeitspanne zwischen Zulassung und Verfügbarkeit ist ein entscheidendes Kriterium dafür, wie schnell innovative Arzneimittel zum Patienten gelangen. In Deutschland beträgt diese Spanne im Durchschnitt 50 Tage. Im Zeitraum 2016 bis 2019 waren es über 130 Medikamente, die auf den Markt kamen. Auch dieser Wert verleiht Deutschland die Spitzenposition im europäischen Vergleich. Den schlechtesten Zugang zu modernen Arzneimitteln gibt es gemessen an dieser Zeitspanne in Polen. Hier dauert es durchschnittlich 733 Tage bis ein Arzneimittel nach der Zulassung in einer Apotheke zur Verfügung steht. Folglich ist auch die Zahl der auf den Markt gebrachten Arzneimittel von 2016 bis 2019 mit nur ca. 40 deutlich geringer.

Freie Arztwahl als Besonderheit des deutschen Systems

Eine weitere Besonderheit des deutschen Gesundheitssystems ist, dass Patienten einen Haus- oder Facharzt ihrer eigenen Wahl aufsuchen können. Auch die Pflicht zur Registration bei einem Hausarzt gibt es in Deutschland nicht. Die dadurch gebotene Wahlfreiheit ist in vielen europäischen Gesundheitssystemen nicht vorhanden. Häufig findet beispielsweise das Gatekeeping-Prinzip Anwendung, bei dem vor jeder Facharztbehandlung der Hausarzt aufgesucht werden muss.

 

Kommentar:

Was macht das deutsche Gesundheitssystem so einzigartig, dass es in fast allen Kategorien die Spitzenposition einnimmt?

Vor allem das duale System in Deutschland ermöglicht einen Wettbewerb zwischen der privaten Krankenversicherung (PKV) und der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Wäre die Qualität oder der Leistungsumfang in der GKV geringer als in der PKV, müsste mit einem Versichertenabfluss gerechnet werden. Aus diesem Grund sind auch Geringverdiener im dualen System gut geschützt, weil die gesetzliche Krankenversicherung durch den Wettbewerb viele Leistungen mit hoher Qualität abdeckt.

Bei einheitlichen Systemen entfällt hingegen der Einfluss einer privaten Krankenversicherung als Wettbewerbstreiber. Besonders bei steuerfinanzierten Systemen besteht für Patienten eine hohe Gefahr von Leistungskürzungen, da der Leistungsumfang auf Grundlage des zur Verfügung stehenden Budgets bestimmt wird. Hierunter leiden vor allem Geringverdienende, die aus finanziellen Gründen keine private Zusatzversicherung abschließen können.

Dennoch gibt es dringenden Handlungsbedarf im deutschen Gesundheitswesen hinsichtlich des Megatrends Digitalisierung. Die Digitalisierung im Gesundheitswesen hilft beispielsweise dabei, Zugangshürden abzubauen oder Wartezeiten zu reduzieren. Das schlechte Abschneiden des deutschen Gesundheitssystems im Bereich Digitalisierung wurde zum Jahresbeginn erst wieder durch eine Bestandsaufnahme des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung bescheinigt. Neben dem Stand von Gesetzesinitiativen wurden hier auch Datenschutz- und Cybersicherheitsaspekte bewertet. Auf der Suche nach Innovationspotenzial lohnt sich ein Blick in die skandinavischen Länder. Besonders Estland – das den ersten Platz im Digital Health Index belegt – ist mit elektronischen Patientenakten, E-Rezepten oder der Einführung eines landesweiten Netzwerkes für Gesundheitsdaten bereits eine gute Umsetzung der Digitalisierung im Gesundheitssystem gelungen.

Quelle: Wissenschaftliches Institut der PKV – Kostenbeteiligungen, Wartezeiten, Leistungsumfang – Ein europäischer Vergleich der Gesundheitssysteme

Arrow right icon