Gemäß zweier Digitalisierungsgesetze (Digitalgesetz, Gesundheitsdatennutzungsgesetz), die im Sommer beschlossen wurden (1. Lesung fand im November statt), soll die Digitalisierung im Gesundheitswesen, wo Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern hinterherhinkt, voranbringen. Anfang 2025 soll die elektronische Patientenakte (ePA) für alle gesetzlich Versicherten eingerichtet werden. Aus Sicht der Apotheken ist insbesondere das eRezept von Relevanz. Ab 2024 wird nun das Ausstellen von eRezepten für Ärzte (endlich) verpflichtend. Für Apotheken sind zudem die Daten der elektronischen Gesundheitskarte zentral (Medikationsplan) sowie die Pläne, assistierte Telemedizin anbieten zu können. Kritisiert werden die fehlenden Konkretisierungen und insbesondere die im Kabinettsentwurf vorgesehene Möglichkeit für KVen, die Daten für eine automatisierte Prüfung zur Arzneimitteltherapiesicherheit nutzen zu dürfen; das würde – so die Kritiker – die Kassen zu Leistungserbringern machen. In seiner Stellungnahme empfiehlt der Bundesrat, entsprechende telemedizinische Leistungen durch Apotheken zunächst in Pilotregionen zu erproben. Die beiden Gesetze sind jedoch nicht zustimmungspflichtig, eine erste Lesung fand im November statt. Bei grundsätzlicher Zustimmung wurden von unterschiedlichsten Vertretern des Gesundheitswesens dabei einzelne Regelungen kritisch hinterfragt, insbesondere zu kleinteiligen Vorgaben und zu kurze Umsetzungsfristen. Mit der abschließenden Beratung sowie einer Verabschiedung des Gesetzes im Bundestag dürfte noch vor Weihnachten zu rechnen sein. Da der Bundesrat erst im Februar 2024 zu dem Thema tagen wird, kann das Gesetz jedoch frühestens Ende Februar 2024 in Kraft treten, was auch bedeutet, dass Ärzte zuvor nicht mit Sanktionen rechnen müssen, weil sie kein eRezept ausstellen werden.
Roadmap eRezept – Wann kommt was?
Ursprünglich hätte das eRezept bereits Mitte 2021 kommen sollen, technische und datenschutzrechtliche Bedenken führten immer wieder zu Verschiebungen, nach Testphasen erfolgte ein Roll-out nun sukzessive seit 2022. Es kann über folgende Wege genutzt werden:
- Via Smartphone über eine entsprechende eRezept-App (dazu ist eine NFC-fähige elektronische Gesundheitskarte sowie eine Versicherten-PIN nötig, die bei der Krankenkasse anzufragen ist).
- Anhand eines Papierausdrucks mit QR-Code (Token). Bis Mitte 2023 wurden kumuliert deutschlandweit etwa 2,2 Mio. eRezepte eingelöst: ca. eine halbe Mio. über die App, der große Rest als Papierausdruck.
- Erst seit 1.7.2023 funktioniert die Einlösung in der Apotheke auch mit der Elektronischen Gesundheitskarte (eGK).
Seit dem Start der Testphase in 2022 wurden mit Stand 6.12.2023 ca. 10,5 Mio. eRezepte eingelöst (jedoch nur 651.000 über die App). Insbesondere der dritte Einlöseweg über die eGK hat zur Beschleunigung beigetragen: Im 3. Quartal 2023 waren es 1,8 Mio. eRezepte, das sind zwar nahezu dreimal so viele wie im Quartal zuvor, jedoch nur etwa 1,5% aller GKV-Rezepte. Pro Jahr werden etwa 600 Mio. Verordnungen ausgestellt.
Weitere Einlösemöglichkeiten wie Apps der Krankenkassen (wenn sie den Sicherheitsstandards der gematik genügen) oder Rezepts-Scans in den Arztpraxen sollen hinzukommen. Verpflichtend ist das eRezept für Rx-Arzneien an GKV-Versicherte ab Jahresanfang 2024, erste PKVen haben bereits auf freiwilliger Basis gestartet, DiGAs per eRezept sollen dann 2025 folgen, Betäubungsmittel und T-Rezepte Mitte 2025 und für Hilfs-, Verbandmittel und Medizinprodukte folgt das eRezept ab Mitte 2027.
eRezept birgt Chancen für Vor-Ort-Apotheken
Vor-Ort-Apotheker erhoffen sich Vorteile durch das eRezept insbesondere in Kombination mit dem Botendienst:
- Die persönliche Betreuung zusammen mit der zeitnahen Lieferung ist dem reinen Versandhandel überlegen.
- Wenn die Ärztedichte (z.B. im ländlichen Raum) abnimmt, können mit dem eRezept Kunden stärker an ihre Stammapotheke gebunden werden und die Abhängigkeit des Apothekers von der ärztlichen Versorgung im nahen Umfeld reduziert sich. Seit Frühjahr 2020 können Arzneimittel auch fernmündlich vom Arzt verordnet werden, was die Apotheke bereits etwas unabhängiger von den Ärzten im Umfeld macht. Zuvor lös(t)en die Patienten ihre Rezepte bevorzugt dort ein, wo sie ärztlich behandelt worden sind, also eventuell weit(er) weg vom Wohnort.
- Zeitersparnis (weniger Administration, weniger Fehlverordnungen, d.h. weniger Retax, weniger Kommunikationsaufwand z.B. durch Angaben der Dosierung auf dem Rezept)
- Das eRezept leistet zudem einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit in Apotheken, wenn auf die entsprechenden Papierausdrucke verzichtet wird.
Generell dürfte die elektronische Verordnung Basis sein für weitere digitale Apotheken-Services wie z.B. Medikationspläne oder Wechselwirkungsprüfungen.
Risiko: eRezept im Versandhandel?
Große Hoffnungen haben auch die Online-Versender in das eRezept gesetzt, ein ‚Gamechanger‘ der Branche soll(te) es sein. Dabei sind sie von den zeitlichen Verzögerungen, aber auch den aktuell vorgesehenen Umsetzungsregularien betroffen. Zudem macht ihnen (insbesondere den ausländischen Versandhändlern, die den Markt dominieren) das zum Jahresende 2020 eingeführte Rx-Bonusverbot zu schaffen. So sanken die Rx-Umsätze beim Marktführer Redcare (vormals Shop Apotheke) in 2021 um 34,6% und 2022 erneut um 9,4% auf nunmehr 130 Mio. Euro. Gemeinsam mit DocMorris wurde eine Beschwerde bei der EU-Kommission gegen das Verbot von Rx-Boni in Verbindung mit der eRezept-Einführung eingereicht, da letzteres – seit Mitte 2023 – über die Versichertenkarte (eGK) eingelöst werden kann, aber eben nur bei einer Vor-Ort-Apotheke. Die beiden Versender sehen das als wettbewerbsverzerrend. Gleichzeitig ist eine NFC-Variante von der gematik noch nicht spezifiziert/realisiert und damit dürften die Versandhändler wohl noch warten müssen, d.h. eine digital automatisierte Einlösung des eRezepts ist für sie damit ab Jahresanfang höchstwahrscheinlich noch nicht möglich. Trotzdem rechnen die Versandhändler mittelfristig in den ersten fünf Jahren nach der Einführung des eRezepts mit einem Ausbau des Marktanteils bei Rx-Arzneien auf etwa 10% (aktuell bewegt sich der Anteil bei nur ca. 1%).
Kommentar:
Betroffen vom Makelverbot, welches im Rahmen des Digitalgesetzes noch einmal nachjustiert werden soll, sind auch Apothekenplattformen, deren Geschäftsmodell insbesondere auch auf der Einführung des eRezepts basierte, da sie nur dann Zugang zur TI erhalten, wenn sie ausnahmslos alle Apotheken ‚diskriminierungsfrei‘ listen. Die beiden wichtigsten Plattformen sind gesund.de und ia.de (ihreapotheke.de), beide werden vom pharmazeutischen Großhandel mit entsprechenden Kooperationspartnern vorangetrieben.
Siehe News vom 19.9.2022
Quellen:
- Bundesministerium für Gesundheitt – Digitalgesetze im Bundestag – „Heute starten wir die dringend benötigte Aufholjagd“
- Deutscher Bundestag – Sachverständige fordern einfache Regelungen im Digitalgesetz
- gematik – 10 Million eingelöste E-Rezepte
- gematik – Wie ist der aktuelle Stand der Digitalisierung im Gesundheitswesen?
- DAZ.online – Wirklich E-Rezept-Pflicht ab 1. Januar?