Die massiv gestiegenen Kosten für Energie und Rohstoffe belasten in großem Maße alle Branchen der Gesundheitswirtschaft. Das zeigen die Ergebnisse der Herbstkonjunkturumfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK). Laut DIHK-Umfrage zählen zur Gesundheitswirtschaft neben der Medizintechnik und der pharmazeutischen Industrie die Gesundheits- und sozialen Dienste sowie der Handel mit Gesundheitsgütern. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) unterteilt die Branche in einen Kern- und einen erweiterten Bereich (siehe Tab. 1).
Teilbereiche der industriellen Gesundheitswirtschaft BMWi |
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Kernbereiche |
Humanarzneimittel |
Medizinprodukte und Medizintechnik |
Großhandel Humanarzneimittel |
Großhandel Medizintechnik |
erweiterte Bereiche |
Körper-, Mund- und Zahnpflegeprodukte |
Sport- und Fitnessgeräte |
Industrielle Forschung & Entwicklung |
Geräte IKT/DV* |
Handel mit Produktion EGW |
Dienstleistungen IKT/DV* |
Quelle: BMWi
*Informations- und Kommunikationstechnik/Datenverarbeitung
Schlechte Stimmung vor allem in der Medizintechnik- und Arzneimittelindustrie
Die Folge ist eine Verschlechterung der Geschäftslage im Vergleich zu vorausgehender Umfrage aus den frühen Sommermonaten. Nur noch ein Viertel der Unternehmen bezeichnet seine Geschäftslage als gut. Im Sommer waren es mit 32% noch nahezu ein Drittel. Der Anteil der Unternehmen, die ihre Lage als schlecht einstufen, ist um 7 Prozentpunkte auf fast ein Viertel (24%) gestiegen. Besonders betroffen sind die rohstoff- und energieintensiven Branchen der Medizintechnik und der Arzneimittel. Hier ist auch der Handel mit Gesundheitsgütern hinzuzuzählen. Aus diesem Grund macht sich für die kommenden zwölf Monate ein ausgeprägter Pessimismus breit. Die Erwartungen fallen aktuell sogar noch finsterer aus als zu Hochzeiten der Corona- und Finanzkrise 2008/2009. 43% erwarten schlechtere, lediglich 10% bessere Geschäfte. Am skeptischsten ist der Handel mit Gesundheitsgütern (50%), gefolgt von der Medizintechnik (47%), pharmazeutischen Industrie (45%) und den Gesundheits- und sozialen Diensten (43%). Die verbreitete Stimmung wirkt sich auf geplante Investitionen sowie die künftige Beschäftigungssituation aus. Nur noch 30% der Betriebe wollen mehr investieren (-7 Prozentpunkte). Fast ein Drittel will weniger investieren – besonders die Medizintechnik. Wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung betrifft dies alle Branchen der Gesundheitswirtschaft.
Neben Kostenanstieg und Fachkräftemangel tragen Lieferkettenprobleme, Ressourcenknappheit und Inflationsausgleiche zur Lage bei
Die bereits seit der vorausgegangenen Umfrage auf einem nie da gewesenen Höchstwert befindlichen Kosten entwickeln sich derzeit immer weiter ins Negative. Das sich hieraus für 79% der befragten Unternehmen (+7 Prozentpunkte) ergebende Risiko übersteigt längst die Herausforderungen des Fachkräftemangels (66%). Zu den gestiegenen Kosten kommen unterbrochene Lieferketten, knappe Ressourcen und Vergütungsanstiege aufgrund der vorherrschenden Inflation hinzu. Ein weiterer Preisanstieg sowie reduzierte Exporterwartungen sind die Folge. In den Unternehmen ist die Konsequenz eine verringerte Produktion bzw. ein zurückgefahrenes Angebot – 16% der Medizintechnikunternehmen, 18% der Pharmaunternehmen.
Gesundheitsindustrie dennoch optimistischer als Gesamtindustrie
Die sehr verhaltene Stimmungslage in der industriellen Gesundheitsindustrie ist trotzdem noch erheblich positiver als die der Gesamtindustrie. Ein wesentlicher Einflussfaktor ist hier die geringere Abhängigkeit von Konjunkturschwankungen. So ist die Nachfragesituation insbesondere aus dem Ausland in der Medizintechnik gleichermaßen wie in der Arzneimittelindustrie nach wie vor gut. Relativiert wird diese Ausgangslage durch den Fachkräftemangel, der in der Gesundheitswirtschaft mit Ausnahme der Arzneimittelindustrie deutlich ausgeprägter ist als in der Gesamtwirtschaft. Die Gesundheits- und sozialen Dienste sind mit 80% besonders stark betroffen.
Kommentar:
Während sie jahrzehntelang ausschließlich als Kostenfaktor betrachtet wurde, gilt die Gesundheitswirtschaft zumindest unter Branchenkennern mittlerweile als eine der stabilsten und zukunftsträchtigsten Branchen Deutschlands. 2015 fand eine Abgrenzung der industriellen Gesundheitswirtschaft von der Gesundheitswirtschaftlichen Gesamtrechnung statt. Dabei zeichnet sich der Gesundheitsmarkt neben seiner charakteristischen Krisenfestigkeit und der ständig wachsenden Nachfrage auch dadurch aus, dass er einen besonderen Beitrag zur Stärkung der Binnenwirtschaft in der traditionell auf den Export ausgerichteten deutschen Wirtschaft leistet.
Aktuell sind in der Gesundheitsindustrie rund 1 Mio. Erwerbstätige beschäftigt (fast jeder 8. Arbeitnehmer). In den letzten zehn Jahren ist die Anzahl der Arbeitsplätze um mehr als 100.000 gestiegen. Mit 85,2 Mrd. Euro trägt die Gesundheitsindustrie 21,7% zur Bruttowertschöpfung gemessen an der Gesamtwirtschaft bei. Eine bedeutende Eigenschaft im negativen Sinne ist mit 165 Mrd. Euro der ökonomische Fußabdruck, den die Gesundheitswirtschaft gegenwärtig erzeugt. Zurückzuführen ist die Treibhausgasemission insbesondere auf die Entsorgung von Waren wie Arzneimitteln, medizintechnischen Geräten, Krankenhausausstattung (inklusive Einmalprodukte) und Instrumente.
Quelle: DIHK-Gesundheitsreport | Herbst 2022 – Gesundheitswirtschaft im Krisenmodus