EU-PFAS-Verbot: Dentalindustrie warnt vor Versorgungsrisiken

EU-PFAS-Verbot: Dentalindustrie warnt vor Versorgungsrisiken

VDDI und Pharma Deutschland fordern gezielte Ausnahmen für Medizinprodukte

Die geplante EU-Restriktion für PFAS-Verbindungen (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen) sorgt derzeit in der Dentalbranche für erhebliche Unruhe. Der Verband der Deutschen Dental-Industrie (VDDI) und Pharma Deutschland warnen in einer gemeinsamen Stellungnahme an die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) vor den weitreichenden Folgen eines generellen Verbots dieser Stoffgruppe.

Hintergrund

Zur Gruppe der PFAS gehörende Chemikalien werden bereits seit den 1940er-Jahren aufgrund ihrer einzigartigen Eigenschaften wie Hitze-, Wasser- und Ölbeständigkeit in verschiedenen Produkten, Geräten und Anwendungen eingesetzt. Sie werden auch in zahlreichen medizinischen und dentaltechnischen Anwendungen eingesetzt – von Beschichtungen über Dichtungen bis hin zu Komponenten in Hochleistungskunststoffen.

Neben ihren nützlichen Eigenschaften stellt die Chemikaliengruppe der PFAS ein zunehmendes Umweltproblem dar. Da sie persistent sind, also sich nicht wieder nach einiger Zeit abbauen, werden sie auch „Ewigkeitschemikalien“ genannt. Einmal in der Umwelt, verbleiben sie dort und reichern sich immer stärker in Böden, Grundwasser und Organismen an und gelangen auf diesem Weg auch in den menschlichen Körper. Viele PFAS gelten als gesundheitsschädlich – die potenziellen Gesundheitsschäden, die auf PFAS zurückgeführt werden, reichen von Störungen der Entwicklung und des Immunsystems über Leberschäden bis hin zu Krebserkrankungen.

Aufgrund dieser Risiken plant die EU einen schrittweisen Ausstieg aus der Verwendung von PFAS-Verbindungen. Mit der EU-Verordnung 2024/2462 wurde bereits ein Verbot bestimmter PFAS erlassen, das zum 10.10.2024 in Kraft trat und einen stufenweisen Ausstieg für bestimmte Verwendungszwecke vorsieht. Ausdrücklich ausgenommen sind dabei u. a. bestimmte persönliche Schutzausrüstungen, In-Vitro-Diagnostika und Medizinprodukte gemäß EU-Medizinprodukteverordnung. Langfristig ist jedoch ein generelles PFAS-Verbot das Ziel. Bereits 2023 haben Deutschland, Dänemark, die Niederlande, Norwegen und Schweden einen gemeinsamen Beschränkungsvorschlag bei der European Chemicals Agency (ECHA) eingebracht, der ein sehr weitgehendes Verbot der Herstellung, Verwendung und des Inverkehrbringens von PFAS vorsieht.

Hintergrund des Positionspapiers von VDDI und Pharma Deutschland ist der Entwurf einer EU-weiten REACH-Beschränkung, die die Verwendung von PFAS in weiten Teilen der Industrie stark einschränken oder ganz verbieten soll. Davon betroffen sind auch Anwendungen, bei denen bislang keine gleichwertigen Alternativen existieren.

Implikationen für Dentalunternehmen und Labore

Ein pauschales PFAS-Verbot gefährde die Verfügbarkeit sicherer und bewährter Medizinprodukte, befürchtet der Dentalverband VDDI. Insbesondere dentalmedizinische Werkstoffe, die unter hohen thermischen und chemischen Belastungen zuverlässig funktionieren müssen, seien ohne PFAS-basierte Komponenten bislang nicht realisierbar.

Mögliche Folgen eines umfassenden PFAS-Verbots im Dentalbereich

  • Materialverfügbarkeit: Ersatzstoffe sind in vielen dentalen Hochleistungsanwendungen (z. B. PTFE-Dichtungen, fluorierte Polymere in Spritzen oder Beschichtungen) noch nicht marktreif.
  • Regulatorische Kosten: Hersteller müssten bestehende Materialien neu prüfen, zulassen und gegebenenfalls zertifizieren lassen – ein zeit- und kostenintensiver Prozess.
  • Lieferengpässe: Bei fehlenden Ausnahmen droht eine Unterbrechung der Versorgung mit kritischen Komponenten.

Der VDDI fordert deshalb eine verlängerte Übergangsfrist sowie spezifische Ausnahmeregelungen für Medizinprodukte und Dentalmaterialien, bis sichere Alternativen validiert sind.

 

Kommentar:

Vom Risiko zur Chance – PFAS-Verbot als Innovationsmotor

Das PFAS-Verbot markiert einen notwendigen Wendepunkt hin zu einer nachhaltigeren und zukunftsfähigen Materialentwicklung. Auch Branchenbeobachter mahnen, die Diskussion dürfe „nicht rein ideologisch geführt werden“, sondern müsse differenzierte Risikoanalysen für verschiedene Anwendungen einbeziehen.

PFAS gelten als „Ewigkeitschemikalien“, die sich kaum abbauen und mittlerweile weltweit in Böden, Gewässern und Organismen nachweisbar sind. Auch die Dentalbranche muss sich ihrer Verantwortung stellen. Die kommenden Jahre werden zeigen, wie gut die Industrie diesen Wandel gestalten kann. Hersteller, die frühzeitig in Forschung zu alternativen Polymerstrukturen, biobasierten Kunststoffen oder innovativen Beschichtungstechnologien investieren, können aus der regulatorischen Pflicht einen Wettbewerbsvorteil machen.

Kooperationen mit Hochschulen, Materialforschungsinstituten und Start-ups könnten dabei helfen, Innovationen zu beschleunigen und zugleich Nachhaltigkeit als Qualitätsmerkmal in der Dentaltechnik zu etablieren.

Dentalunternehmen sollten daher ein kommendes weitreichendes PFAS-Verbot nicht nur als eine weitere regulatorische Hürde betrachten, sondern auch als einen Katalysator für echten Fortschritt – hin zu neuen Materialien, saubereren Produktionsketten und einer glaubwürdig nachhaltigen Dentalindustrie.

Quellen:

Verena Heinzmann
Autor Verena Heinzmann
Arrow right icon