Genomsequenzierung: Deutschland hat Nachholbedarf

Genomsequenzierung: Deutschland hat Nachholbedarf

Dank Genomsequenzierung können fast alle Veränderungen im menschlichen Genom erkannt werden. Dies erlaubt die Diagnose von seltenen und onkologischen Krankheiten sowie die Aufklärung bisher unbekannter genetischer Krankheitsursachen. Die Fortschritte in der Genommedizin äußern sich aktuell in einer schnelleren und effizienteren Sequenzierung des gesamten Genoms (Whole Genome Sequencing, WGS) oder der codierenden Genbereiche (Exom). In Deutschland sind aktuell fünf Universitätskliniken mit der neusten Generation der Hochdurchsatz-DNA-Sequenziergeräte (HDS) ausgestattet, die WGS von 6 000 Genomen pro Jahr pro Gerät liefern können. Die Anschaffungskosten liegen bei rund 1  Mio. Euro. Der Preis pro Genom ist innerhalb weniger Jahre von ca. 500 Mio. US-Dollar auf ca. 1.000 US-Dollar gesunken. Aufgrund der neuen verfügbaren Methoden und des Markteintritts der Chinesen wird eine weitere Kostensenkung auf ca. 100 US-Dollar erwartet.

Profiteure der Entwicklung sind insbesondere Patienten mit onkologischen und seltenen Erkrankungen. Bei 80% der seltenen Erkrankungen handelt es sich um eine monogene Erkrankung. Im internationalen Vergleich nimmt England eine Vorreiterrolle bei der Genommedizin ein. Dies gilt sowohl bezüglich der Forschung (seit 2012 läuft ein Projekt, das 5 Mio. Ganzgenomsequenzierungen umfasst) als auch hinsichtlich des Einsatzes der neuen Möglichkeiten in der Krankenversorgung. Seit 2018 ist die Ganzgenomsequenzierung Bestandteil der genetischen Routinediagnostik des National Health Service (NHS).

Auch Frankreich und die USA verfolgen eine Genommedizinstrategie. China hat sich mit Investitionen in Höhe von rund 7 Mrd. Euro die weltweite Führung zum Ziel gesetzt.

In Deutschland sind gemäß einheitlichem Bewertungsmaßstab (EBM) keine WGS erstattungsfähig. Erlaubt ist lediglich eine Sequenzierung eines Genpanels von bis zu 25 Kilobasen (kb) codierender Sequenzen pro Jahr, was rund vier Genen entspricht. Die entsprechende GOP 11513 beläuft sich auf 2.850 Euro (inkl. Sachkosten und Befund). Problematisch ist jedoch, dass die meisten Erkrankungen deutlich heterogener sind und deshalb in einigen Fällen eine Analyse von bis zu 1.000 Genen notwendig wäre. Diese ist aber hierzulande nur auf Antrag bei der Krankenkasse möglich, der auch ein wissenschaftliches Gutachten umfassen muss.

Seit einem Jahr dürfen in neun Zentren für seltene Erkrankungen Exomanalysen durchgeführt werden. Die Kosten werden von vielen Kassen (u.a. AOK und BARMER) im Rahmen des Innovationsfonds-Projekts TRANSLATE-NAMSE auf Antrag übernommen. Erste Auswertungen zeigen, dass bei 30% der Patienten auf diese Weise eine eindeutige Diagnose möglich war.

Quellen:

 

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