Die gesetzlichen Krankenkassen haben das erste Halbjahr 2022 mit einem Defizit in Höhe von rund 287 Mio. Euro abgeschlossen. Dies ist einer aktuellen Pressemitteilung des Bundesministeriums für Gesundheit zu entnehmen. Den aktuellen Zahlen zufolge lagen die Einnahmen der Kassen im vergangenen Halbjahr bei 143,5 Mrd. Euro. Die Einnahmen der gesetzlichen Krankenkassen setzen sich aus den Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds und aus den Zusatzbeiträgen (deren Höhe die Krankenkassen jeweils selbst festlegen) zusammen. Der Gesundheitsfonds wiederum speist sich aus den Beiträgen der GKV-Mitglieder, der Arbeitgeber sowie aus Steuermitteln. Der durchschnittliche Zusatzbeitrag der Krankenkassen lag bei 1,36%.
Leistungsausgaben für ambulante ärztliche Behandlung erhöhen sich nur minimal
Die Gesamtausgaben lagen im ersten Halbjahr 2022 bei 143,8 Mrd. Euro. Die Leistungsausgaben der Kassen stiegen um 5,19%, während sich die Verwaltungskosten mit einem Plus von 11,32% stärker erhöhten. Die einzelnen Leistungsbereiche entwickelten sich im Vergleich zum Vorjahreszeitraum wie folgt:
- Krankenhausbehandlung: +4,0%
Als Ausgabentreiber identifizierte das BMG die Steigerung bei den Pflegepersonalkosten, die nach der neuen Finanzierungssystematik seit 2020 aus den DRG-Pauschalen ausgegliedert wurden. So erhöhten sich diese im ersten Halbjahr 2022 um 10%. Dabei war die Basis der Ausgabensteigerung in diesem Bereich bereits hoch: So lagen die Ausgaben der Krankenkassen für Pflegepersonalkosten 2021 bereits um 14% über dem Wert des Vorjahres. - Ärztliche Behandlung: +2,3%
Der vergleichsweise moderate Anstieg erklärt sich durch das im Zuge des Tierarzneimittelgesetzes eingeführte Korrekturverfahren, das Doppelfinanzierungen für besondere ärztliche Leistungen nach dem Terminservice- und Versorgungsgesetz korrigiert. - Arzneimittel: +6,7%
Im Arzneimittelbereich lässt sich nach wie vor eine dynamische Ausgabensteigerung beobachten, die jene der Bereiche Krankenhaus und ärztliche Behandlung übertrifft. - Zahnärztliche Behandlung ohne Zahnersatz: +3,8%
- Heilmittel: +12,5%
Hier schlagen vor allem die höheren Vergütungen als Folge der Verhandlungen und Schiedssprüche nach § 125 SGB V zu Buche. - Krankengeld: +7,4%
Nach einer schwächeren Ausgabendynamik im Jahr 2021 lässt sich im ersten Halbjahr 2022 wieder ein deutlicher Anstieg verzeichnen. - Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen: +15,9%
Die auffällige Steigerung erklärt sich durch die starken coronabedingten Einbrüche im Jahr 2020 sowie im 1. Quartal 2021.
Hinweis: Mangels (vollständig) vorliegender Abrechnungsdaten beruhen die angegebenen Werte in vielen Leistungsbereichen (vor allem im ärztlichen und zahnärztlichen Bereich) zum Teil auf Schätzungen.
Unter Berücksichtigung des Defizits lagen die Finanzreserven der gesetzlichen Krankenkassen Ende Juni bei 9,6 Mrd. Euro (ca. 0,4 Monatsausgaben) und damit beim zweifachen Betrag der gesetzlich verpflichtenden Mindestreserve.
Gesundheitsfonds verzeichnet saisonübliches Defizit
Zum Stichtag 17. Januar 2022 startete der Gesundheitsfonds mit einer Liquiditätsreserve von rund 7,9 Mrd. Euro. Im ersten Halbjahr 2022 ergab sich ein saisonübliches Defizit von 2,1 Mrd. Euro. In der zweiten Jahreshälfte fallen die Einnahmen aus den Versichertengeldern aufgrund der Sonderzahlungen (Zulagen und Weihnachtsgeld) erfahrungsgemäß höher aus. Mit Blick auf der von Unwägbarkeiten geprägten wirtschaftlichen Lage lässt sich gegenwärtig noch kein Rückschluss auf die Entwicklung des Fonds bis zum Jahresende ziehen. Ferner werden aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds weiterhin pandemiebedingte Ausgleichszahlungen vorfinanziert (z.B. für Corona-Testungen, COVID-19-Impfungen oder Ausgleichszahlungen an Krankenhäuser). Der zu diesem Zweck entnommene und vom Bund refinanzierte Gesamtbeitrag lag bei rund 16,8 Mrd. Euro.
Kommentar:
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach rechnet damit, dass die gesetzlichen Krankenkassen dank noch vorhandener Rücklagen und des zusätzlichen Steuerzuschusses von 14 Mrd. Euro das Gesamtjahr 2022 ohne Defizit abschließen werden. Spätestens 2023 dürfte sich die Lage jedoch erheblich verschlechtern. Um trotzdem sozialverträgliche Beitragssätze zu ermöglichen, liegt bereits der Kabinettsentwurf eines Spargesetzes vor, mit dem Einsparungen in Höhe von rund 17 Mrd. Euro ermöglicht werden sollen. Das sog. GKV-Finanzstabilisierungsgesetz sieht eine Belastung aller beteiligten Akteure vor (vgl. News vom 5.8.2022, 3.8.2022 und vom 18.7.2022) und stößt gegenwärtig auf heftige Kritik.
Quelle: Bundesministerium für Gesundheit – Finanzentwicklung der GKV im 1. Halbjahr 2022