Das nicht zustimmungspflichtige Lieferengpass-Gesetz ist beschlossen und Ende Juli in Kraft getreten und dient der Verbesserung bzw. Sicherung der Arzneimittelversorgung. Im Fokus des Gesetzes stehen dabei Anforderungen an und Anreize für Arzneimittelhersteller, strukturelle Aspekte (Festbeträge, Rabattverträge etc.) sowie Erleichterungen für Apotheken bei der Abgabe sowie Abrechnung von nicht verfügbaren Arzneien:
- Ein wichtiger Aspekt war die Versorgung mit Kinderarzneien: für diese werden Festbeträge und Rabattverträge abgeschafft und die Hersteller können ihre Preise um bis zu 50% (bezogen auf den letzten Festpreis) anheben. Dasselbe soll für versorgungskritische Arzneimittel gelten (z.B. wenn es zu wenige Anbieter gibt).
- Stärkung der Wirkstoffproduktion in Europa, indem z.B. Anreize für die Forschung und Entwicklung von neuen Reserveantibiotika geschaffen werden (andere Preisbildung) oder bei Ausschreibungen für Rabattverträge von Antibiotika Hersteller mit EU-Standorten berücksichtigt werden müssen.
Es kann davon auszugehen sein, dass diese Regelung per Rechtsverordnung künftig auch für weitere, knappe Wirkstoffe ausgeweitet werden dürfte (z.B. Onkologika). - Erweiterte sechsmonatige Lagerhaltungspflicht für rabattierte Arzneimittel von Pharmaherstellern; aber auch Krankenhausapotheken und krankenhausversorgende bzw. Spezial-Apotheken (parenterale Lösungen, Zytostatika) müssen besser bevorraten und die Bevorratung für Kinderarzneimittel beim Großhandel wurde auf vier Wochen erhöht.
- Zudem werden die Informationspflichten dieser pharmazeutischen Betriebe gegenüber dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ausgebaut; dort soll ein Frühwarnsystem dazu beitragen, die Transparenz hinsichtlich knapper Versorgung mit Arzneien zu verbessern und frühzeitig zu erkennen.
- Zuzahlungsbefreiungsregeln werden ausgeweitet, was den Preisdruck auf Festbeträge etwas reduzieren soll; d.h. Krankenkassen können Patienten von der Zuzahlung freistellen, wenn das Arzneimittel 20% (vormals waren es 30%) unter dem Festpreis liegt.
Erleichterte Austauschregelungen für Apotheken ab 1. August 2023
Für Apotheken sind insbesondere folgende Aspekte von Bedeutung:
- Erleichterte Austauschmöglichkeiten, wenn ein Arzneimittel nicht verfügbar ist (z.B. in ein wirkstoffgleiches, anderes Medikament oder andere Packungsgrößen etc.).
- Für den Austausch, d.h. das Management des Versorgungsengpasses erhalten Apotheken eine Zusatzvergütung in Höhe von 50 Cent je Einzelfall (z.B. muss diese Verfügbarkeitsabfragen beim Großhandel machen und nachweisen, um erleichtert austauschen zu dürfen).
- Null-Retaxationen werden z.T. ausgeschlossen, d.h. Krankenkassen müssen zumindest die Arzneimittelkosten erstatten und können nur die Zuschläge ‚retaxieren‘, wenn gewissen Voraussetzungen von den Apotheken bei der Abrechnung nicht erfüllt werden (z.B. wenn der Nachweis fehlt hinsichtlich der o.g. Verfügbarkeitsabfragen oder wenn die Dosierangaben oder das Datum fehlen).
- Für apothekenübliche Hilfsmittel soll künftig keine (extra) Präqualifizierung mehr notwendig sein – diese Forderungen waren von den Ländern in den Stellungnahmen zum Gesetzesentwurf eingebracht worden; Details dazu müssen jedoch noch von den Kassen und dem Deutschen Apothekerverband festgelegt werden.
Sonstiges
Darüber hinaus regelt das Gesetz drei Sonderthemen:
- Notfallsanitäter dürfen künftig selbst in gewissen Fällen Betäubungsmittel verabreichen (wenn kein Arzt vor Ort ist)
- Telefonische Krankschreibungen
- Modellvorhaben zum Drug-Checking werden ermöglicht (d.h. die Bundesländer können dann entsprechende Pilotprojekte konzipieren und realisieren)
Kommentar:
Die erleichterten Austauschregelungen galten für Apotheken bereits seit der Pandemie – damals aufgrund einer Sonderverordnung und dann bis Ende Juli 2023 aufgrund einer Übergangsregelung. Das Gesetz schafft damit die Grundlage für eine regelhafte Verstetigung dieser Erleichterungen, jedoch greifen diese z.T. etwas kürzer als die alten Möglichkeiten, was zur Kritik bei den Standesvertretern führte. Zudem bewerten diese die 50 Cent als viel zu wenig – die Analysen der ABDA resultieren in einer Forderung in Höhe von 21 Euro als Aufwandsentschädigung für jedes knappe Arzneimittel. Generell wirft man dem Gesundheitsminister(ium) zu wenig Gesprächsbereitschaft mit den Apotheken und zu wenig Relevanz von Apothekenthemen vor. Gleichzeitig erscheinen die aktuellen Forderungen der Standesvertreter, z.B. auch die Erhöhung der Rx-Packungspauschale auf 12 Euro (das wären plus 44%!) nicht nur angesichts leerer Kassen utopisch und könnten damit kontraproduktiv hinsichtlich eines konstruktiven Dialogs wirken.
Siehe News vom 21.3.2023
Quellen: