IGeL-Monitor: Wirtschaftliche Relevanz von individuellen Gesundheitsleistungen

IGeL-Monitor: Wirtschaftliche Relevanz von individuellen Gesundheitsleistungen

In Deutschland geben gesetzlich Versicherte jährlich rund 2,432 Mrd. Euro für individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) aus. Die Zahl aus dem IGeL-Report 2024 verdeutlicht die wirtschaftliche Bedeutung dieser Leistungen. Da die Umfrageergebnisse ausschließlich Angaben von 18- bis 80-jährigen gesetzlich Krankenversicherten berücksichtigen, liegt der tatsächliche Wert schätzungsweise noch deutlich höher. Die Befragung fand im Onlinepanel von forsa in den Monaten Juli und August 2024 statt und bezog 2.013 gesetzlich Krankenversicherte ein. Auftraggeber ist der Medizinische Dienst Bund.

Süden Deutschlands investiert mehr in die Gesundheit aus der eigenen Tasche

Der größte Anteil des IGeL-Umsatzes entfällt mit 37% auf die südlichen Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg. Die östlichen Bundesländer verzeichnen mit 26% den geringsten Anteil. Dazwischen liegen die nördlichen Bundesländer mit 33% und die westlichen mit 31%. Ein Stadt-Land-Gefälle ist nicht zu erkennen.

Untersuchung verfolgt Ziel IGeL-Umsatz besser zu verstehen

Ziel der Befragung war es herauszufinden, wie viel Geld GKV-Patienten insbesondere für unklare bzw. (tendenziell) negative IGeL und abhängig von sozioökonomischen Kriterien ausgeben, welche Facharztgruppen den größten Umsatz mit IGeL generieren, wie viel Umsatz mit den teuersten IGeL generiert wird und welches die teuersten Leistungen sind. Zudem wurde untersucht, auf welche Art und Weise die IGeL in den Praxen angeboten werden und ob eine ausreichende Information stattfindet.

Zwischen IGeL und sozioökonomischen Faktoren besteht ein Zusammenhang

Frauen jeder Altersgruppe, Personen mit höherem Einkommen und besserer Bildung nutzen IGeL häufiger. Im Schnitt haben 41% der Frauen und 22% der Männer in den letzten 12 Monaten eine IGeL in Anspruch genommen. Die Nutzung insgesamt nimmt mit dem Alter zu, mit einer überdurchschnittlichen Inanspruchnahme in der Altersgruppe ab 45 Jahren. Ferner werden derartige Leistungen mit hohen Haushaltsnettoeinkommen ab 5.000 Euro (40%) und mit einer hohen Schulbildung (41%) überdurchschnittlich in Anspruch genommen.

Erstmals im IGeL-Panel enthalten sind Umsatzhochrechnungen

Auch in der aktuellen Befragung zeigt die Top-10-Liste der am häufigsten genutzten IGeL und der Facharztgruppen mit dem höchsten IGeL-Potenzial ähnliche Ergebnisse. Erstmals enthält die diesjährige Befragung Umsatzhochrechnungen zu einzelnen Leistungen und Fachrichtungen. Am stärksten nachgefragt sind Früherkennungsuntersuchungen. Die drei meistgenutzten IGeL sind:

  • der Ultraschall (transvaginal) der Gebärmutter und/oder der Eierstöcke (3,3 Mio. Personen)
  • die Augeninnendruckmessung mit oder ohne Eugenspiegelung zur Glaukom-Früherkennung (2,4 Mio. Personen)
  • das Blutbild zur Gesundheitsvorsorge (1,5 Mio. Personen)

Die Facharztgruppen mit den nach Anzahl am häufigste beanspruchten IGeL wird mit 7,5 Mio. Leistungen von der Gynäkologie angeführt. Es folgen:

  • die Allgemeinmedizin (4,5 Mio. Personen)
  • die Augenheilkunde (4,4 Mio. Personen)

Der Umsatz mit IGeL-Leistungen hängt nicht nur von der Häufigkeit der Inanspruchnahme, sondern auch von den Kosten einzelner Leistungen ab. Die Fachbereiche mit dem größten Umsatz sind die Augenheilkunde, Gynäkologie und Orthopädie. Die Augenheilkunde führt mit 544 Mio. Euro knapp vor der Gynäkologie (543 Mio. Euro), da Leistungen wie z.B. LASIK (3.500 Euro) teuer sind. Die Orthopädie folgt mit 397 Millionen Euro auf Platz drei, trotz geringerer Nachfrage als beispielsweise von allgemeinmedizinischen Leistungen.

IGeL für viele Versicherte notwendige Gesundheitsleistung oder gesundheitsförderliche Ergänzung

Ein wesentlicher Grund für die Inanspruchnahme von IGeL liegt in der persönlichen Einstellung der Versicherten. Ein Drittel betrachtet IGeL als notwendige Gesundheitsleistungen, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden. Für 55% stellen sie eine gesundheitsfördernde Ergänzung dar, die dem Erhalt der Gesundheit dient. Etwa 35% sehen die Inanspruchnahme kritisch – ein Anteil, der im Vergleich zu den Vorjahren gesunken ist.

37% der Befragten sind der Überzeugung, dass IGeL einem höheren medizinischen Standard entsprechen als Kassenleistungen – der IGeL-Monitor sieht hierin jedoch eine Fehlannahme. Überwiegend bieten Praxen IGeL entsprechend ihrer Bedeutung an. Zum Teil findet jedoch fälschlicherweise die Deklarierung als medizinisch notwendige Leistung statt.

Für eine informierte Entscheidung zu IGeL sollten Patienten in der Praxis aufgeklärt werden. Es besteht auch die Möglichkeit unabhängige Informationsportale zu nutzen. Mehr als zwei Drittel (70%) der Befragten mangelt es jedoch an ausreichender Aufklärung über Nutzen und Risiken von IGeL, obwohl nahezu drei Viertel (71%) Informationen für eine fundierte Entscheidung einholen.

 

Kommentar:

Trotz der positiven Resonanz auf IGeL-Leistungen stehen diese seit Jahren vor allem seitens der Krankenkassen in der Kritik. Von den insgesamt in der Befragung genannten 134 Leistungen hat der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes der Krankenkassen im Rahmen des IGeL-Monitors für 56 der Leistungen eine wissenschaftliche Bewertung durchgeführt. Der Nutzen von vielen dieser IGeL (24) wird als „unklar“ oder sogar „(tendenziell) negativ“ eingeschätzt. Dennoch entfallen hierauf rund 585 Mio. Euro des IGeL-Gesamtumsatzes. Lediglich zwei Leistungen erhielten die Bewertung tendenziell positiv – darunter die Akkupunktur.

Seitens der Versicherten fehlt es häufig an transparenter Aufklärung, obwohl das hohe Informationsinteresse zeigt, dass der Zugang zu unabhängigen Informationen dringend verbessert werden sollte.

Quelle: IGeLMonitor – IGeL-Report 2024: 2,4 Milliarden Euro setzen Arztpraxen pro Jahr mit fragwürdigen IGeL um

Nadine Brohammer
Autor Nadine Brohammer
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