Rund 37% der Patienten, die bereits eine Individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) in Anspruch genommen haben, sind nicht über ihre Rechte bzw. die Pflichten der Ärzte in Zusammenhang mit den Selbstzahlerleistungen aufgeklärt. Diese betreffen u.a. die Aufklärung über fehlende Wirksamkeitsbelege, die Risiken der Leistung sowie über alternative von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommene Leistungen. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Befragung von forsa im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv).
Die Umfrage zeigte ferner, dass 43% der gesetzlich (mit)versicherten Befragten innerhalb des vergangenen Jahres mindestens ein IGeL-Angebot genutzt haben. Von dieser Gruppe erhielt knapp ein Fünftel (18%) sogar mehrmals eine Selbstzahlerleistung. Frauen lagen bei der Inanspruchnahme in den vergangenen 12 Monaten mit 52% (mindestens ein IGeL-Angebot) deutlich vor den Männern (32%) und nahmen dabei auch häufiger mehr als ein Angebot in Anspruch (Frauen: 24%; Männer: 11%).
Mehr als die Hälfte (51%) der Befragten gaben im Untersuchungszeitraum zwischen 50 und 250 Euro für IGeL aus – ein Zehntel sogar mehr als 500 Euro (vgl. Abb.).
Quelle: vzbv 2024
Der vzbv weist darauf hin, dass der Nutzen der Selbstzahlerleistungen häufig nicht als belegt gilt. Aus den immer wiederkehrenden Anfragen und Beschwerden zum Thema IGeL zieht der Verband den Schluss, dass Verbraucher eine bessere Informationsgrundlage zur Entscheidung für oder gegen eine Individuelle Gesundheitsleistung benötigen. Zum besseren Schutz der Verbraucher fordert der Verband deshalb eine rasche Überarbeitung des Patientenrechtegesetzes und die durch die Praxen verpflichtende Aushändigung standardisierter Informationsblätter über Wirksamkeit, Risiken und potenziellen Nutzen der jeweiligen Leistung.
Kommentar:
Die Kritik gegenüber IGeL reißt nicht ab. Erst im April hatte Stefan Schwartze, Patientenbeauftragter der Bundesregierung, mit Blick auf die in manchen Fällen sogar schädlichen Folgen (wie falsch positive Befunde) und den fehlenden Mehrwert für Patienten das Verbot bestimmter Selbstzahlerleistungen gefordert. Auch einige Ärztevertreter, wie der Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte (vdää), sehen das Angebot der Zusatzleistungen überaus kritisch. Doch nicht alle IGeL sind ohne Nutzen oder sogar mit negativen Folgen verbunden. So fallen z.B. auch Reiseimpfungen und bestimmte Atteste und Gutachten oder Sport-Checks unter die Selbstzahlerleistungen. Daneben können im Einzelfall bestimmte IGeL durchaus sinnvoll sein und/oder den Weg nützlicher Leistungen in das Leistungsverzeichnis der gesetzlichen Krankenversicherung ebnen (z.B. Stoßwellentherapie bei Fersensporn).
Nicht nur aufgrund der anhaltenden Kritik am Nutzen der Selbstzahlerleistungen, sondern auch mit Blick auf das in der Vergangenheit nicht immer regelkonforme Verhalten einzelner „schwarzer Schafe“ sind IGeL als ein sensibles Thema einzustufen. Praxen sollten deshalb auf einen korrekten Umgang mit dem Angebot achten (siehe Tabelle).
Schriftlicher Behandlungsvertrag vor der Leistungserbringung | Gesetzlich versicherte Patienten sind bei einer Inanspruchnahme von Selbstzahlerleistungen formal wie Privatpatienten zu behandeln. Mit ihrer Unterschrift bestätigen die GKV-Versicherten ausdrücklich, dass sie Kosten für die vereinbarte Leistung selbst tragen und nehmen zur Kenntnis, dass der Arzt dafür nicht über die KV vergütet wird. Der Vertrag sollte die Formulierung „auf eigenen Wunsch/auf eigenes Verlangen“ sowie die zu erwartenden Kosten (s.u.) enthalten.
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Aufklärung | Neben der medizinischen Aufklärung (Nutzen, Nebenwirkungen und Risiken der Leistung) ist der Patient vom Arzt auch über die wirtschaftlichen/finanziellen Folgen aufzuklären. Das heißt er ist auch darüber zu informieren, dass die gesetzliche Krankenversicherung die Kosten nicht übernimmt und sie somit vom Patienten selbst zu tragen sind. Der Patient ist dabei über die Höhe der zu erwartenden Kosten zu informieren.
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Abrechnung | IGeL sind ausschließlich nach der GOÄ und deren Vorschriften abzurechnen. Patienten sind erst und nur dann zur Zahlung verpflichtet, wenn sie eine Liquidation nach § 12 GOÄ erhalten haben. Insbesondere müssen dabei das Leistungsdatum, die GOÄ-Position (als Nummer und als Text), der gewählte Faktor und der Einzelbetrag aufgeführt sein. Pauschalhonorare, Honorarsätze unterhalb des 1,0-fachen der GOÄ sowie fachfremde Leistungen sind nicht gestattet. Ein höheres Honorar darf jedoch nach § 2 GOÄ vereinbart werden. In der Regel wird ein Gebührensatz zwischen dem einfachen und dem 2,3-fachen Satz angesetzt.
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Detaillierte Informationen zum korrekten Umgang mit IGeL bietet der Virchowbund unter https://www.bit.ly/45wlb21.
Quellen:
- verbraucherzentrale Bundesverband – IGeL-Angebote beim Arzt: Patient:innen besser aufklären
- Der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten – Statement des Patientenbeauftragten Stefan Schwartze, MdB zu den Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL)
- WIdO – WIdOmonitor 2/2010 – Private Zusatzleistungen in der Arztpraxis