Das aktuelle Gutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen und der Pflege hat wiederholt die besondere Rolle der Hausärztinnen und Hausärzte in der ambulanten Versorgung hervorgehoben.
Dabei wird insbesondere die Stärkung der primärärztlichen Versorgungsstrukturen hervorgehoben, die in unseren Nachbarländern bereits etabliert sind oder werden. Hierbei liegt der Fokus auf interprofessionellen Teams, die auch nichtärztliche Leistungserbringer einschließen.
Das aktuelle SVR-Gutachten hebt in diesem Jahr wieder die hausarztzentrierte Versorgung hervor. Schon frühere Gutachten (SVR 2009/2014/2018/2023) wiesen auf die Vorteile der HzV und deren Evidenz hin.
Hausärzte steuern die Patienten durch die Versorgungsebenen
Zusammengefasst liegen die Vorteile dieser Versorgungsform in:
- der besseren Koordination und Kontinuität der Versorgung
- der weniger bildgebenden Diagnostik bei alten, chronisch kranken oder multimorbiden Menschen
- dem Erkennen von Wechselwirkungen zwischen Medikamenten
In Richtung der Versicherten empfiehlt das Gutachten eine freiwillige Teilnahme an einem Versorgungsmodell mit Überweisungserfordernis in eine höhere Versorgungsebene bzw. Fachspezialisten.
Vorbild könnte das schon bestehende HzV-Modell des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes sein. Allerdings existieren aktuell viele einzelne Selektivverträge nebeneinander, wodurch sich die Akzeptanz bei den Leistungserbringern verringert. Zudem ist die regionale Verbreitung des HzV-Modells noch sehr unterschiedlich.
Durch eine allgemein vertragliche Regelung im Rahmen des Kollektivvertrages könnte die Akzeptanz gesteigert und der bürokratische Aufwand z.B. bei der Abrechnung verringert werden.
Im Jahr 2022 hatten 77% der Versicherten einen hausärztlichen Kontakt. Dieser Wert spricht für eine hohe Akzeptanz der Hausärztinnen und Hausärzte durch die Versicherten.
Für die Versicherten könnte ein Anreiz zur freiwilligen Teilnahme und Hausarztbindung durch Beitragsrückerstattungen oder geringere Medikamentenzuzahlung geschaffen werden. Mit diesen Maßnahmen könnten ähnlich hohe freiwillige Einschreiberaten wie z.B. in Frankreich mit 90% erreicht werden. In den skandinavischen Ländern liegt die Rate sogar noch höher.
Anderseits gibt es in der Sozialgesetzgebung (§ 76 Abs. 3 SGB V) den Hinweis: “Versicherte wählen einen Hausarzt“.
Aufhebung des Quartalsdenkens
Diese Versorgungsform spielt ihre Vorteile dann voll aus, wenn die Vergütungssystematik des jetzigen Kollektivertrages grundlegend verändert wird, in Richtung der HzV-Verträge nach § 73b Abs. 1 SGB V.
Hinsichtlich der Vergütung geben die Sachverständigen folgende Empfehlung:
- Regelmäßig anzupassende morbiditätsorientierte Jahrespauschale
- Vergütung kostenintensiver oder förderungswürdiger Leistungen über separate Leistungskomplexe
- Aufgabe des Quartalsbezuges um den Bürokratieaufwand zu reduzieren
Dadurch werden mehr Anreize geschaffen, Patienten mit aufwendig zu behandelnder Erkrankung oder Multimorbidität zu versorgen.
Bessere Patientenversorgung durch HzV belegt
Eine Evaluation der HzV in Baden-Württemberg zeigt, dass die hausärztlichen Kontakte steigen (+22,7% in 2020). Im Gegenzug sinken die unkoordinierten fachspezialistischen Kontakte (-45,3%) zugunsten von koordinierten fachspezialistischen Kontakten (+56,2%).
Gleichzeitig führt die HzV zu einer signifikant geringeren Hospitalisierungsrate als die Regelversorgung.
Kommentar:
Obwohl die Vorteile der hausarztzentrierten Versorgung schon seit Jahren bekannt sind und die SVR-Gutachten in den vergangenen Jahren immer wieder auf diese Versorgungsform zur Verhinderung von Fehlsteuerung im Gesundheitswesen hingewiesen haben, hat sich nichts getan.
An dem Nebeneinander von HzV als Selektivvertrag und dem Kollektivvertrag zur Regelversorgung wurde festgehalten.
Nun scheinen sich die politischen Akteure endlich zu bewegen. In dem aktuellen Gesetzesvorschlag zum Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) werden wesentliche Teile aus den Gutachten des SVR und der HzV aufgenommen.
Zusätzlich sprach sich der diesjährige Deutsche Ärztetag ebenfalls dafür aus. Eine Patientensteuerung soll über hausärztliche Praxen erfolgen, um eine ungefilterte Inanspruchnahme anderer Fachgebiete zu verhindern. Davon ausgenommen ist die gynäkologische und augenärztliche Versorgung.
Quelle: Sachverständigenrat GESUNDHEIT & PFLEGE – Gutachten Fachrkäfte im Gesundheitswesen