Kinder- und Jugendärzte sind auf die medizinische Betreuung von Kindern und Jugendlichen spezialisiert. Üblicherweise betreuen sie somit Patienten von der Geburt bis zum Ende der Adoleszenz, das heißt in der Regel bis zum 18. Lebensjahr. Damit ist die patientenbezogene Zielgruppe im Vergleich zu anderen Facharztgruppen altersmäßig stark eingeschränkt. Laut Statistischem Bundesamt lag der bundesweite Anteil der unter 18-Jährigen im Jahr 2021 bei 16,7%. In der regionalen Betrachtung kommt es jedoch zu teilweise erheblichen Abweichungen. Dies lässt sich anhand des ATLAS MEDICUS® Marktatlas verdeutlichen.
Höhere Anteile an Kindern und Jugendlichen in Westdeutschland
In der regionalen Betrachtung fällt auf, dass die Altersgruppe der Kinder und Jugendlichen bis 18 Jahre in fast allen westdeutschen Gebieten stärker vertreten ist als in Ostdeutschland (vgl. Abb. 1). Lediglich das Saarland bildet hierbei mit einer Abweichung von rund -10% einen Ausreißer. Auffallend gering liegt der Bevölkerungsanteil der Gruppe der bis zu 18-Jährigen auch in Sachsen (-10,46%) sowie mit jeweils rund -7,5% in Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern.
Abb. 1: Patientenpotenzial der Altersgruppe bis 18 Jahre nach Region – Gesamtdeutschland
Quelle: Atlas Medicus® Marktatlas 2023
Hinweis: Die Karte zeigt die Abweichung des Patientenpotenzials bis 18 Jahre der einzelnen Regionen vom Durchschnitt der ausgewählten Gesamtregion (in Prozent). Die (dunkel)grüne Einfärbung der Karte zeigt Regionen an, in denen die Altersgruppe der bis 18-Jährigen besonders stark vertreten ist. Ein umgekehrter Zusammenhang liegt bei einer roten Einfärbung vor.
Familien wohnen häufiger auf dem Land
Der detailliertere Blick in die Karte zeigt, dass auch innerhalb der einzelnen KV-Regionen keine homogene Verteilung der Altersgruppen vorliegt. Wie das Beispiel von Baden-Württemberg belegt, stechen insbesondere die kreisfreien Städte durch Altersstrukturen mit einem geringen Anteil an Personen unter 19 Jahren hervor (vgl. Abb. 2). Im Gegensatz hierzu gibt es viele Landkreise und suburbane Räume mit deutlich höheren Anteilen an Kindern und Jugendlichen, die somit offensichtlich von vielen Familien als Wohnsitz bevorzugt werden.
Abb. 2: Patientenpotenzial der Altersgruppe bis 18 Jahre nach Landkreisen und kreisfreien Städten – Baden-Württemberg
Quelle: Atlas Medicus® Marktatlas 2023
Kommentar:
Die Gründe, weshalb Familien Wohnsitze außerhalb der großen Städte präferieren, sind vielfältig und reichen von kostengünstigerem Wohnraum, über geringere Lebenshaltungskosten, mehr Platz, Natur und Freiflächen für Kinder zum Spielen und Entfalten bis hin zu gesundheitlichen Aspekten wie weniger Verkehr und Lärm oder bessere Luftqualität. Aus Sicht der Versorgungssicherung kann diese ungleiche Verteilung jedoch zu einer Verschärfung der Situation beitragen, da tendenziell auch beim ärztlichen Angebot eine Ungleichverteilung – jedoch zulasten der ländlichen Gebiete – zu beobachten ist.
Umgekehrte Stadt-Land-Ungleichverteilung von Niedergelassenen und Kindern/Jugendlichen verstärkt Versorgungsprobleme
Bereits seit mehreren Jahren beklagen die kinderärztlichen Berufsverbände unzureichende Kapazitäten und deren negativen Folgen für die Qualität der Versorgung. Da viele Kinder- und Jugendärzte gegenwärtig bereits unter einer zu hohen Auslastung und Arbeitsbelastung leiden, ist davon auszugehen, dass Versorgungsengpässe insbesondere in den ländlichen Regionen entstehen.
Entbudgetierung soll kinderärztliche Versorgung stärken
Mit dem Ziel der Stärkung der pädiatrischen Versorgung in Deutschland hat der Gesundheitsausschuss des Bundestages Mitte März 2023 eine Entbudgetierung der Kinder- und Jugendmedizin beschlossen. Dem Beschluss zufolge gelten für Leistungen der allgemeinen auch der schwerpunktorientierten Kinder- und Jugendmedizin (beispielsweise Onkologie, Hämatologie) keine Mengenbegrenzung mehr. Sofern es hierdurch zu einer Überschreitung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung kommen sollte, stehen die Krankenkassen finanziell in der Pflicht. Ziel ist es, auf diese Weise eine Benachteiligung anderer Facharztgruppen zu verhindern. Der Bewertungsausschuss hat bis Ende Mai eine entsprechende Regelung zu treffen.
Quellen: