Klimawandel und Nachhaltigkeit – die Rolle von Apotheken!?

ApothekerInnen als zentrale Ansprechpartner rund um Gesundheitsthemen für alle Bevölkerungsgruppen werden zusehends auch mit Fragestellungen rund um den Klimawandel konfrontiert. Sie müssen fachlich gerüstet sein, KundInnen bei und zu Fragen hinsichtlich der Hitzewelle zu beraten oder Empfehlungen zu geben zur Arzneimittellagerung während extremer Temperaturen. Es gilt aber auch den eigenen apothekenbedingten Beitrag hinsichtlich des CO2-Ausstoßes zu betrachten. Es gibt mittlerweile viele klimaneutrale Vor-Ort-Apotheken, aber auch einige Apothekenkooperationen oder Versandhändler werben damit. Online-Apotheken sind dabei nicht unbedingt ‚klimaschädlicher‘ als die Vor-Ort-Apotheke, wenn man z.B. auch den Anfahrtsweg der Kunden sowie des Großhandels berücksichtigt. Apothekenkooperationen oder IT-/Abrechnungsfirmen bieten Apotheken entsprechende Beratung und Services rund um die ‚klimaneutrale Apotheke‘ an (z.B. Noventi). Gemäß Noventi, das Unternehmen bietet im Rahmen der Initiative ‚Zeichen setzen‘ Apotheken eine entsprechende Zertifizierung als klimaneutral an, liegt der durchschnittliche CO2-Fußabdruck einer Apotheke bei 27 Tonnen pro Jahr.

Beispielhafte Aspekte für die nachhaltige Apotheke

Zuvorderst steht dabei, dass es nicht nur um die Berechnung und Kompensation des apothekenspezifischen CO2-Fußabdrucks geht, sondern die gesamte Wertschöpfungskette der Apotheke zu durchleuchten ist, wie z.B.:

  • Bei Neubauten und Renovierungen sind Aspekte relevant wie Ladenbau, Materialien, Dämmung, Verglasung, Energiekonzept etc.
  • Im laufenden Betrieb geht es u.a. um energieeffiziente Anlage-/IT-Technik, Ökostrom, E-Ladeinfrastruktur, intelligente und energieeffiziente Lichtsysteme, klimaeffiziente Automatiktüren.
  • Modernisierung oder ggf. Umstellung des Fuhrparks auf emissionsärmere Fahrzeuge, z.B. Botendienst-(E-)Bikes, Carsharing, E-Auto, ÖPNV o.ä.
  • Umgang mit Ressourcen und Müll: Nutzung umweltfreundlicher Desinfektionsmittel, Einsparung von Papier und Plastik (‚Plastikbilanz‘, papierlose Apotheke; Faxe online), indem etwa auf Mehrwegtüten umgestellt wurde (seit Anfang 2022 sind leichte Plastiktüten nicht mehr erlaubt). Einen wichtigen Beitrag dürfte diesbezüglich auch das e-Rezept haben, wenn zumindest langfristig auf den Papierausdruck von 500 Mio. Verordnungen pro Jahr verzichtet werden wird.
  • Bei der Mülltrennung sind jedoch immer auch die für Apotheken spezifischen Regelungen zu beachten (z.B. Chemikaliengesetz, Gefahrstoffverordnung o.ä.).
  • Dasselbe gilt für das Apothekensortiment, denn dieses ist im Kernsegment, bei den Arzneimitteln z.T. vorgegeben bzw. über ärztliche Verordnungen festgelegt und kann somit nur begrenzt beeinflusst werden; da viele Arzneien ja vorgehalten werden müssen. Anders hingegen beim apothekenüblichen Ergänzungssortiment: Hier besteht durchaus eine Sortiments- oder Anbieterwahlmöglichkeit der Apotheke (z.B. nachhaltige Kosmetik, ökologischer Sonnenschutz, nachfüllbare Tiegel, nachhaltige Hygieneartikel).
  • Schulungen der Mitarbeiter, aber auch Mitarbeiteranreize setzen (z.B. ÖPNV-Job-Tickets, Angebote zum Betrieblichen Gesundheitsmanagement etc.).

Nachhaltigkeit i.w.S. umfasst viele Aspekte

„Nachhaltige Entwicklung heißt, Umweltgesichtspunkte gleichberechtigt mit sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu berücksichtigen. Wir müssen unseren Kindern und Enkelkindern ein intaktes ökologisches, soziales und ökonomisches Gefüge hinterlassen.“
(Quelle: Rat nachhaltige Entwicklung)

Im weiteren Sinne geht es folglich um mehr als das Angebotsspektrum, die Mobilität, die Energiewirtschaft oder Entsorgung einer Apotheke, sondern auch um Themen wie Geldanlagen oder den Umgang mit angestellten MitarbeiterInnen (Corporate Social Responsability).

Entsprechende Aktivitäten der Apotheken können für Employer Branding, PR- und Marketingzwecke genutzt werden, um das Image zu beeinflussen und auch die Arbeitsmarktattraktivität zu erhöhen – nach dem Motto ‚Tue Gutes und rede darüber‘.

 

Kommentar:

Der einzelne Beitrag von Apotheken ist dabei vergleichsweise gering, wenn man den CO2-Fußabdruck der Medikamentenbeschaffung zum Vergleich heranzieht. Das heißt, hier geht es auch um die Vernetzung und Sensibilisierung lieferkettenübergreifend, z.B. wie oft pro Tag eine Belieferung der Apotheke durch den Großhandel stattfindet; ebenso wenig Einfluss hat der Apotheker auf die Verblisterung/Verpackung sowie Verpackungsgrößen (z.B. ist in anderen Ländern z.T. die Abgabe einzelner Tabletten möglich und nicht nur die ganze Packung). Verbesserungspotenzial auf Seiten der Apotheken gibt es aber u.a. auch bei deren Bestellverhalten, denn vielfach müssen retournierte (zu viel bestellte/stornierte) Arzneimittel vernichtet werden.

Das wird auch auf dem nächsten Deutschen Apothekertag deutlich, welcher Mitte September 2022 stattfinden wird und unter dem Motto „Klimawandel, Pharmazie und Gesundheit“ steht: Neben den Dauerbrennerthemen (Apothekenvergütung, Bürokratieabbau) werden dort auch mehrere Leitanträge aus dem Bereich Klimaschutz und Nachhaltigkeit zur Diskussion kommen:

  • Höhere Lagertemperatur von Arzneimitteln
  • Bonpflicht (betrifft nicht nur die Apotheken, sondern den Handel generell)
  • Klimaneutralität der Geschäftsstellen der Standesvertreter
  • Erweiterte Vergabe- und Ausschreibekriterien z.B. bei Rabattverträgen (nur mehr an Unternehmen, die entsprechende Sozial- und Umweltstandards einhalten)
  • Forderungen an Industrie bzw. Pharmahersteller:
    • Keine unaufgeforderte Werbung/Aufsteller/Deko etc. der Industrie bzw. Pharmahersteller an die Apotheken
    • Nachhaltige(re) Verpackungskonzepte
    • Bei der Zulassung von Arzneimitteln sollten künftig auch Umweltrisiken stärker erfasst und transparent gemacht werden (Abbaubarkeit, ökotoxikologische Aspekte).

Generell ist das Thema Nachhaltigkeit auch im Gesundheitswesen nicht mehr wegzudenken; beispielhaft sei folgende Initiative angeführt: Die Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V. (KLUG), welche 2017 gegründet wurde, unterstützt von vielen medizinischen Fachgesellschaften sowie anderen Gesundheitsakteuren, will bis 2035 ein klimaneutrales Gesundheitswesen erreichen.

Quellen:

Arrow right icon