Kliniken: Sind Verlustausgleiche bei öffentlichen Häusern wettbewerbsverzerrend?

Kliniken: Sind Verlustausgleiche bei öffentlichen Häusern wettbewerbsverzerrend?

Ein von privaten und freigemeinnützigen Trägerverbänden bei der Verfassungsrechtlerin Prof. Dr. Frauke Brosius-Gersdorf, Universität Potsdam, in Auftrag gegebenes Gutachten über die Rechtmäßigkeit der Defizitsubventionierung bei kommunalen Krankenhäusern sorgt gegenwärtig für heftige Diskussionen. In einer gemeinsamen Erklärung fordern der Bundesverband Deutscher Privatkliniken (BDPK), der Deutsche Evangelische Krankenhausverband (DEKV), das Deutsche Rote Kreuz und der Katholische Krankenhausverband Deutschland Bund und Länder dazu auf, unabhängig von der Trägerschaft gleiche Ausgangsbedingungen bei der Krankenhausfinanzierung zu schaffen. Das Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass die bereits seit Langem übliche Praxis der Kommunen, Betriebskostendefizite ihrer Kliniken auszugleichen, einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes und gegen das europäische Beihilfenrecht darstelle. Ausgehend von Presseberichten beziffern die genannten Verbände das Gesamtvolumen der geplanten Verlustausgleiche durch Kommunen allein für das laufende Jahr auf mindestens 900 Mio. Euro. Anlass zur Kritik bietet ferner die fehlende Transparenz der Ausgleichszahlungen, die „oft möglichst unbemerkt von der Öffentlichkeit“ umgesetzt werden.

 

Kommentar:

Das in Auftrag gegebene Gutachten kann als Indiz dafür gelten, dass die deutschen Krankenhäuser tief in der Krise stecken. Während die in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie gewährten staatlichen Hilfspakete und liquiditätsunterstützenden Maßnahmen in den Jahren 2020 und 2021 bei vielen Krankenhäusern ein Abrutschen in die Insolvenz verhindert haben, steht die Branche seit 2022 aufgrund der stagnierenden stationären Fallzahlen, des Personalmangels, der Unsicherheiten bei der Finanzierung, der Inflation und dem Investitionsstau unter immer stärkerem Druck. Mehr als die Hälfte (51%) aller Krankenhäuser schloss 2022 – unabhängig von der Größenklasse – mit einem Verlust ab. Erstmals rutschten somit auch die kleinen Kliniken deutlich in die Verlustzone ab. Dies geht aus der Krankenhausstudie 2023 des Beratungsunternehmens Roland Berger hervor. Insbesondere bei öffentlichen Krankenhäusern ist die Lage schlecht. Sie liegen mit einem Anteil an defizitären Einrichtungen von 63% an erster Stelle. Doch auch freigemeinnützige und private Krankenhäuser sind mit 45% bzw. 42% zunehmend betroffen, was ihre Forderung nach gleichberechtigten Ausgangsbedingungen in Sachen Ausgleichszahlungen erklärt.

Wirtschaftliche Lage vieler Kliniken spitzt sich zu

Die stationären Fallzahlen liegen nach wie vor weit unter dem Niveau vor der Pandemie und eine Erholung der Einnahmen zeichnet sich nicht ab. Hinzu kommen inflationsbedingte Betriebskostensteigerungen und Erhöhungen bei den Tariflöhnen. Zwar bestehen staatliche Hilfen bei den Energiekosten, doch zeigen sich nun die Folgen des über drei Jahrzehnte verschleppten Problems der Investitionsfinanzierung. Viele durch den zunehmenden Substanzverlust geschwächte Krankenhäuser sind nicht mehr in der Lage, die aktuellen Entwicklungen abzufedern. Gefahr geht auch vom Fachkräftemangel aus, der eine neue Dimension erreicht. Fehlendes Personal führt zum Ausfall von Operationen oder zur (vorübergehenden) Schließung ganzer Abteilungen. Kliniken sind dabei im Teufelskreis (pandemiebedingter) Personalausfälle, hoher Fluktuation und zunehmendem Bedarf an Leiharbeit ausgesetzt. Die verschärften Vorgaben zur Mindestpersonalausstattung führen zu einer Erhöhung der Nachfrage nach qualifiziertem Personal, was den Wettbewerb um den knappen Produktionsfaktor auch zwischen den Sektoren stark verschärft. Neben den Regelungen zu den Personaluntergrenzen nehmen auch die Mindestmengenregelungen Einfluss auf die Angebotsstrukturen.

Kommt die Strukturreform zu spät?

Die angekündigte ehrgeizige Strukturreform kommt nun – nicht zuletzt aufgrund mangelndem Konsens mit den Ländern – in vier Teilschritten. Die Hoffnung liegt dabei auf einer Entlastung über die geplante Finanzierung der Vorhaltekosten. Doch angesichts der prekären wirtschaftlichen Lage befürchten Branchenkenner, dass die Reform zu spät kommt und eine „kalte“ Strukturbereinigung bevorsteht. Bislang gibt das Bundesgesundheitsministerium gegenüber den immer lauter werdenden Forderungen nach finanziellen Stützmaßnahmen nicht nach. Die aktuelle Haushaltsmisere in Zusammenhang mit dem nicht verfassungskonformen Haushalt 2023 dürfte die Chancen finanzieller Sonderzuwendungen für die deutschen Krankenhäuser nicht verbessern.

Quellen:

Dr. Elisabeth Leonhard
Autor Dr. Elisabeth Leonhard
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