Bereits seit Jahren lässt sich in den Krankenhäusern im Pflegebereich ein Trend zur Leiharbeit feststellen. Auftrieb erhielt diese Entwicklung durch die Pandemie und die damit verbundene Verschlechterung der Arbeitsbedingungen an den Kliniken, was zu einer Abwanderung von Pflegekräften in andere Branchen oder in die Leiharbeit führte. Infolge des zunehmenden Pflegekräftemangels sind die Krankenhäuser zudem – ungeachtet der Mehrkosten – auf Leiharbeitskräfte angewiesen. Laut Deutscher Krankenhausgesellschaft liegen die Personalkosten für Leiharbeitskräfte durchschnittlich doppelt so hoch wie für festangestellte Pflegekräfte. Insgesamt liegt der Anteil der Zeitkräfte an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Pflege mit mehr als zwei Prozent auf vergleichbarer Höhe mit dem Bereich der Gesamtbeschäftigung. Im Jahresdurchschnitt gab es laut Bundesagentur für Arbeit bundesweit 42.000 (2018: 22.000) Leiharbeitnehmer in Pflegeberufen (inkl. Altenpflege). Die Zeitarbeitsbranche hat auf den steigenden Stellenwert der Pflegeberufe u.a. mit der Einführung Qualitätsstandards für die Zeitarbeit in der Pflege in Form von Qualitätssiegeln reagiert.
Teufelskreis Zeitarbeit führt zur weiteren Abwanderung von Pflegekräften
Laut DKI-Krankenhausbarometer 2021 war im Jahr 2020 jedes zweite Krankenhaus auf Leiharbeit in der Pflege angewiesen. Durchschnittlich arbeiteten in den betroffenen Einrichtungen 5,3 Vollzeitkräfte (VK) auf Allgemeinstationen und 4,6 VK auf Intensivstationen. Einer Stichprobenerhebung zufolge belief sich der Anteil der Leiharbeiter an allen Krankenhausbeschäftigten im Jahr 2021 bei 3,1% und damit um 0,7 Prozentpunkte höher als noch 2019 (2,4%). Doch nicht alle Krankenhäuser sind auf Leiharbeit in der Pflege angewiesen. 38% der befragten Einrichtungen hatte keine Leiharbeiter beschäftigt. Bei 10% der Einrichtungen lag der Anteil der Leiharbeiter jedoch bei über 7%. Der Trend zum Personalleasing erklärt sich nicht nur durch die steigende Nachfrage der Krankenhäuser nach Pflegekräften, sondern auch durch die schlechten Arbeitsbedingungen in den Kliniken und Pflegeeinrichtungen. Zeitarbeitsfirmen bieten den Pflegekräften (anders als in vielen anderen Branchen) häufig bessere Arbeitsbedingungen in Form einer höheren Vergütung und größeren Flexibilität bei den Arbeitszeiten (z.B. Wunschschichten). In den Kliniken kann jedoch der mit der Leiharbeit verbundene häufige Personalwechsel insbesondere bei kurzfristigen Überlassungen zu Problemen bei der Patientensicherheit, Pflegequalität und Versorgungssicherheit führen. Die höhere Belastung des Bestandspersonals (für das sich unbeliebte Arbeitszeiten wie Wochenenden, Feiertage oder Nachtschichten häufen) führt zu einem schlechten Betriebsklima und zur Abwanderung von Bestandspersonal. In der Folge steigt die Nachfrage nach Zeitarbeitskräften und Krankenhäuser sehen sich einer Kostenspirale ausgesetzt. Um diesen Teufelskreis zu unterbrechen, fordert die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) in einem Positionspapier ein Eingreifen des Gesetzgebers.
Forderungen DKG zur Eindämmung der Zeitarbeit in der Pflege:
- Beschränkung der Leiharbeit auf den Ausgleich von Belastungsspitzen (ursprünglicher Zweck)
- Begrenzung des Stundensatzes in der Leiharbeit einschließlich aller Kosten auf das 1,5-fache der üblichen Vergütung von Bestandspflegekräften
- Berücksichtigung der Kosten für Zeitkräfte im Pflegebudget
- Begrenzung der Vermittlungshonorare der Leiharbeitsfirmen
- Verpflichtung der Zeitarbeitsfirmen, die regelmäßige Fortbildung ihrer Mitarbeiter sicherzustellen
- Überprüfung der Qualifikationsnachweise der Leiharbeiter durch die zuständigen Behörden (Berufserlaubnis bzw. Approbation und Facharztqualifikation)
Sollten andere Maßnahmen nicht greifen, fordert die DKG als Ultima Ratio ein Verbot der Leiharbeit. Dieses sollte laut DKG auch den ärztlichen Dienst betreffen, bei dem die Situation bereits seit Jahren prekär ist (rund zwei Drittel der Krankenhäuser sind auf ärztliche Honorar- und Zeitarbeitskräfte angewiesen).
Kommentar:
Mit dem PpSG hat der Gesetzgeber erste Maßnahmen zur Eindämmung der Leiharbeit in der Pflege ergriffen. So finden seit dem 1. Januar 2020 die Mehrkosten der Zeitarbeit (höhere Tariflöhne und Vermittlungsgebühren) keine Berücksichtigung im Pflegebudget. Dies führte jedoch nicht zu dem von Fachleuten prognostizierten härteren Wettbewerb unter den Zeitarbeitsfirmen, zu sinkenden Preisen und zu einer Marktbereinigung, sondern im Gegenteil zur dargestellten Entwicklung. Indessen stehen die Chancen für ein Verbot von Leiharbeit im Krankenhaus schlecht. Laut einem noch unter Verschluss gehaltenen Gutachten des wissenschaftlichen Diensts des Bundestags würde ein Verbot mit der vom Grundgesetz garantierten freien Berufsausübung kollidieren. Den Experten zufolge wären vor einem Verbot „mildere Mittel“ zu prüfen (z.B. eine Quotenregelung, die den Einsatz von Fremdpersonal in ein angemessenes Verhältnis zum Stammpersonal festlegt).
Quellen:
- Springer Link – Krankenhaus-Report 2023
- Personaldienstleister – Qualitätsstandards guter Zeitarbeit in der Pflege
- DKG – Verbot als Ultima Ratio: Krankenhäuser fordern drastische Beschränkung der Pflege-Leiharbeit
- Ärzteblatt – Krankenhaus: Hohe Hürden für Verbot von Leiharbeit
- Berichte: Blickpunkt Arbeitsmarkt | Juli 2023 Entwicklungen in der Zeitarbeit