MDR/IVDR: Baden-Württemberg und Bayern starten Bundesratsinitiative

Bei der Umsetzung der neuen europäischen Schlüsselverordnungen für Medizinprodukte (MDR) und In-vitro-Diagnostika (IVDR) gibt es dringenden Handlungsbedarf. Die beiden Bundesländer Baden-Württemberg und Bayern sehen dies als Anlass, eine gemeinsame Bundesratsinitiative zu initiieren. Der Antrag adressiert folgende Aspekte:

  • Sofortige Sonderregelungen für Nischenprodukte mit geringen Stück- und Absatzzahlen, um deren Wirtschaftlichkeit zu erhalten
  • Zeitnahe Erleichterungen für Bestandsprodukte
  • Sicherstellung der Zertifizierung von neuen, innovativen Medizinprodukten in Europa
  • Erhöhung der Kapazitäten für Zertifizierungen nach den neuen Verordnungen bei den Benannten Stellen

Ursprung und Ziel der Initiative

Ursprung der Initiative der beiden Bundesländer ist die beobachtete Entwicklung, dass eine immer größere Anzahl von Medizinprodukten aus Aspekten der Wirtschaftlichkeit aufgrund übermäßiger Zertifizierungsanforderungen vom Markt verschwindet. Als Konsequenz wird ein Mangel an lebensnotwendigen Medizinprodukten befürchtet. Ziel der Initiative ist es, in diesem Zusammenhang einen Schaden für die Patientenversorgung zu verhindern.

Gesetzgebung gefährdet Zukunft der Versorgung mit Medizinprodukten in Europa

Im Zuge der Gestaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen ist das Risiko des Scheiterns von Innovationen am Standort Europa in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. In der Folge gibt es nur noch wenige Anreize für die Entwicklung und Einführung von Medizinprodukten in Europa. Die Kapazitäten werden daher in das außereuropäische Ausland abwandern, wo die Unternehmen geringere Kosten für das Scheitern vorfinden.

Der Branchenverband SEPCTARIS appelliert nun an den Bundesrat, sich für den Entschließungsantrag auszusprechen und das Bundesgesundheitsministerium mit der Erarbeitung erforderlicher Maßnahmen zu beauftragen.

 

Kommentar:

EU-Kommission sieht sich ebenfalls in der Pflicht zu handeln

Nachdem die europäischen Gesundheitsministerien die EU-Kommission auf die prekäre Lage aufmerksam machten, einigte sich diese bereits Ende August auf einen Maßnahmenkatalog, um eine Erleichterung für den Übergang zur neuen MDR zu erreichen und europaweite Engpässe zu verhindern. Zu den von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen gehören:

  • der Einsatz von hybriden Audits
  • die Organisation von strukturierten Audits mit den Herstellern zur Verbesserung der Effizienz des Konformitätsbewertungsverfahrens
  • Unterstützung der insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sowie neuen Antragstellern

Defizite sind noch immer groß

Als größtes Problem benannten die Gesundheitsministerien die Einhaltung der Fristen für die Entwicklung von Medizinprodukten, die innerhalb der 2020 und 2021 in Kraft getretenen MDR und IVDR einzuhalten sind. Verzögerungen bei der Einhaltung könnten zu Problemen bei der Medizinproduktezulassung führen. Dies habe laut Kommission vor allem mit der großen Anzahl zu registrierenden Produkten zu tun. Dem EU-Medizinprodukteverband Medtech Europe zufolge liegt von den 500.000 herkömmlich registrierten Produkten für mehr als 85% noch kein Zertifikat nach den neuen Vorschriften vor. Zudem schätzt der Verband den Anteil der KMU, die noch keinen Zugang zu einer Benannten Stelle haben auf 15 bis 30%. Angesichts der Anzahl von gegenwärtig nur sieben der nach IVDR zugelassenen Benannten Stellen verwundert dies nicht, was auch den Vorschlag der Kommission einer schrittweisen Einführung von IVDR-Bestimmungen rechtfertigt.

Quellen:

Nadine Brohammer
Autor Nadine Brohammer
Arrow right icon