Die Mitgliedsunternehmen des BVMed erwarten für das Jahr 2024 einen geringen Umsatzanstieg in der deutschen Medizintechnikindustrie in Höhe von 1,2 Prozentpunkten. Damit bleibt die deutsche Medizintechnik deutlich hinter den Vorjahreswert von 4,8 Prozentpunkten und auch hinter der weltweit prognostizierten Umsatzentwicklung von 3,5 Prozentpunkten zurück. Diese Ergebnisse gehen aus der aktuellen BVMed Herbstumfrage 2024 hervor. Passend zu den getrübten Umsatzerwartungen rechnen zudem lediglich 10% der befragten Unternehmen mit Gewinnsteigerungen.
Kosten für Bürokratie und Personal drücken die Gewinne
Der Hauptgrund für die zurückhaltende Erwartungshaltung sind die anhaltenden Kostensteigerungen. Über drei Viertel der Unternehmen (78%) identifizieren den zunehmenden bürokratischen Aufwand als wesentliche Ursache, dicht gefolgt von gestiegenen Personalkosten (72%). Zwei Drittel machen außerdem die Kosten für Logistik und Transport sowie die höheren Zertifizierungskosten durch die MDR-Implementierung verantwortlich. Die Konsequenz aus dem steigenden Kostendruck ist für nahezu ein Drittel der Unternehmen (30%) eine weitere Verringerung der Investitionen am Standort Deutschland zugunsten des Auslandes – ein Trend, der sich seit Jahren fortsetzt. Rund 16% der Unternehmen verlagern die Investitionen in die USA, 13% ins EU-Ausland. Auch hinsichtlich des Regulierungssystems findet mit 67% eine zunehmende Verlagerung in die USA aufgrund des präferierten FDA-Systems statt. Dies zeigt den dringlichen Weiterentwicklungsbedarf bei der MDR. Rund 83% der Unternehmen plädieren hierbei für eine Reduktion der Bürokratie, 65% wünschen sich besser vorhersehbare Fristen und 57% berechenbare Kosten.
Nachhaltigkeit im Fokus: Unternehmen setzen verstärkt auf faire Arbeitsbedingungen und Ressourcenschonung
Immer mehr Bedeutung gewinnen Aktivitäten im Bereich der Nachhaltigkeit. Rund 65% der Umfrageteilnehmer schaffen und pflegen nachhaltige Arbeitsbedingungen im Bereich Arbeitsschutz, Diversität und Lohngerechtigkeit. Knapp dahinter liegen mit 62% die Emissionsreduktion und Ressourcenschonung in der Produktion, mit dem Ziel, den Wasserverbrauch zu senken, die Energieeffizienz zu steigern und den Einsatz erneuerbarer Energien auszubauen.
Nebenschauplatz der MDR ist für viele der Unternehmen die fehlende Konsistenz bei weiteren nationalen und europäischen Regelungen im Bereich Umwelt und Nachhaltigkeit. Rund zwei Drittel der Befragten kritisieren doppelte Berichtspflichten und wünschen sich eine Harmonisierung auf EU-Ebene.
Medizintechnik schafft Arbeitsplätze und bietet gute Aussichten für Fachkräfte
Positive Nachrichten kann die Medizintechnikbranche ein weiteres Jahr in Folge hinsichtlich der Beschäftigungsentwicklung vermelden. Fast ein Drittel (32%) der Herbstumfrageteilnehmer planen eine Aufstockung ihres Personals, während 42% ihre Mitarbeiterzahl zumindest stabil halten. Darüber hinaus sind die Berufsaussichten für Fachkräfte laut der großen Mehrheit (84%) der Unternehmen unverändert gut oder sogar weiter verbessert. Besonders gefragt sind Ingenieure (34%), kaufmännische Auszubildende und Medizintechniker (je 29%), Pflegekräfte (25%), Informatiker und Data Scientists (23%) sowie Naturwissenschaftler (20%). Fast die Hälfte der Unternehmen (47%) sieht den Vertrieb vom Fachkräftemangel betroffen, gefolgt von der Produktion (24%), den Regulatory Affairs (22%) sowie Qualitätsmanagement und Marketing (je 17%).
71% der Unternehmen betonen darüber hinaus weitere Standortvorteile, wie die gut ausgebaute Infrastruktur – insbesondere die Verkehrswege – sowie die Verfügbarkeit qualifizierter Fachkräfte (68%), das hohe Versorgungsniveau der Patienten (40%) und die gute Ausbildung von Wissenschaftlern und Ingenieuren (34%). Die innovationsreichsten Forschungsfelder liegen mit 31% in der Kardiologie, gefolgt von der Onkologie (30%), Diagnostik (21%) und Neurologie (20%).
Innovationsklima in Summe auf dem Tiefpunkt
Insgesamt bleibt das Innovationsklima in der Medizintechnik mit nur leichter Verbesserung und einem Durchschnittswert von 3,6 auf einem absoluten Tiefpunkt. Besonders der Wandel vom Umsatz- zum Gewinnfokus bewegt 76% der Befragten erstmals dazu, ein Belastungsmoratorium zum Bürokratieabbau zu fordern. Darüber hinaus sprechen sich jeweils 30% für die Weiterentwicklung und Verbesserung des MDR-Systems sowie für eine umfassende MedTech-Strategie aus.
Kommentar:
Die diesjährige Herbstumfrage des BVMed basiert auf einer Onlinebefragung, die im August und September durchgeführt wurde. An der Umfrage beteiligten sich knapp zwei Drittel der 216 BVMed-Mitglieder, darunter überwiegend Hersteller von Medizinprodukten aus Deutschland und den USA.
Trotz zunehmend ungünstiger Rahmenbedingungen zeigt die deutsche Medizintechnikbranche ihre bekannte Stärke. Um Unternehmen weiterhin zu Investitionen und zur Schaffung neuer Arbeitsplätze in Deutschland zu bewegen, sind dringend bessere Rahmenbedingungen erforderlich. Branchenexperten fordern in diesem Zusammenhang eine eigenständige MedTech-Strategie, die sich aus verschiedenen Maßnahmen zusammensetzen, die z.B. Innovationen fördern, die Resilienz erhöhen, die Ambulantisierung stärken und die MDR verbessern.
Auch das Europäische Parlament sieht dringlichen Handlungsbedarf und hat vergangene Woche eine Resolution verabschiedet, die insbesondere den in den letzten Jahren zur Genüge analysierten Schwachpunkten der MDR entgegenwirken soll. Zentrale Aspekte sind:
- Transparente und verbindliche Fristen für Konformitätsbewertungen inklusive transparenter Gebühren
- Abschaffung unnötiger Rezertifizierungen
- Fast-Track-Verfahren für Innovationen
- Spezielle Regelungen für Orphan und Paediatric Medical Devices
- Gesonderte Unterstützungen für KMU
Quellen:
- BVMed – Ergebnisse der BVMed-Herbstumfrage 2024
- DeviceMed – Europaparlament: Überarbeitung der MDR und IVDR gefordert