Nach pandemiebedingten Einreisebeschränkungen hat der Medizintourismus in Deutschland wieder ein stabiles Niveau erreicht. Dies ist das Ergebnis einer Auswertung von 182.200 Patientendaten durch die Forschungsstelle Medizintourismus der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS). Die Daten beziehen sich auf Personen, die 2022 in Deutschland stationär oder ambulant behandelt wurden.
Zuwachs bei den ausländischen Patienten
Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Anzahl der Patienten aus dem Ausland um 17,5%. Rund 75% der ausländischen Patienten stammen aus den Nachbarländern Deutschlands. Polen ist dabei mit 11.270 Patienten Spitzenreiter. Die größten Nachfrageanstiege sind bei Medizintouristen aus Australien (+580%), den USA (+73%), Kanada (+67%), Irland (+58%), Ägypten (+58%) und Dänemark (+46%) zu verzeichnen. Aktuell zeichnet sich eine wachsende Nachfrage aus den Golfstaaten ab. Insbesondere Kuwait verzeichnet mit 560 Patienten einen Anstieg um 580%. Für 2023 und 2024 wird von einer Verdoppelung der Patienten aus den Golfstaaten ausgegangen.
Wirtschaftliche Bedeutung des Medizintourismus
Der Medizintourismus brachte dem deutschen Gesundheitssystem in 2022 insgesamt rund 880 Mio. Euro an Mehreinnahmen. Die H-BRS erklärt die stabile Nachfrage nach medizinischen Behandlungen in Deutschland mit den unzureichenden Gesundheitssystemen anderer Länder. Dennoch bestehen weiterhin Hürden, darunter komplizierte Visa-Verfahren, internationale Zahlungstransfers und Kapazitätsengpässe in deutschen Kliniken.
Regionale Unterschiede: Nordöstliche Bundesländer weisen die größten Zuwächse auf
Mit Ausnahme von Sachsen-Anhalt und dem Saarland verzeichneten im Jahr 2022 alle Bundesländer einen Anstieg der ausländischen Patientenzahlen. In Bayern und Baden-Württemberg ergab sich jeweils ein Plus von 16%. Spitzenreiter der Entwicklung waren die nordöstlichen Bundesländer. Der stärkste Zuwachs zeigte sich in Hamburg (+37%), gefolgt von Schleswig-Holstein mit +30% sowie Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg mit jeweils über 20%. Berlin legte um 14% zu und investiert zudem kontinuierlich in die Vermarktung als Medizintourismus-Standort.
Kommentar:
Die Ergebnisse der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg zeigen, dass sich der Medizintourismus in Deutschland nach den pandemiebedingten Einbrüchen stabilisiert hat. Deutschland bleibt aufgrund seiner hochwertigen medizinischen Versorgung ein attraktives Ziel für Patienten aus dem Ausland. Die COVID-19-Pandemie hat das deutsche Gesundheitswesen international bekannter und attraktiver gemacht. Dennoch gibt es starke Konkurrenz durch Länder wie die Türkei und Spanien, die sich ebenfalls als führende Destinationen im Medizintourismus etabliert haben. Um das volle Potenzial des Medizintourismus auszuschöpfen und international konkurrenzfähig zu bleiben, sind Verbesserungen bei Visa-Prozessen und Abrechnungsmodellen sowie eine verstärkte Qualitätssicherung notwendig.