Neben physischem ist der ‚digitale‘ Standort für Apotheken immer wichtiger

Neben physischem ist der ‚digitale‘ Standort für Apotheken immer wichtiger

Versandapotheken sind ein Treiber der Digitalisierung

Der Aussage ‚Versandapotheken sind ein geeigneter Ersatz für Apotheken vor Ort‘ stimmen im Herbst 2021 deutlich mehr Menschen zu als vor der Pandemie (67% im Vergleich zu 55% in 2019). Experten prognostizieren mittelfristig einen Anstieg des Rx-Onlinemarktanteils auf 3 bis 7%. Im OTC-Bereich könne er sogar auf bis 37% zulegen. Plattformkonzepte werden zusätzlichen Einfluss auf die Branchenstrukturen nehmen, die Bedeutung von Apothekenkooperationen wird erstarken und im Onlinesegment wird die Konzentration zur Reduzierung auf einige wenige Versandhändler führen. Neben den marktlichen Treibern will aber auch der Gesetzgeber – Stichwort E-Rezept, Teleberatung, Digitale Gesundheitsanwendungen etc. – die Digitalisierung im Gesundheitswesen vorantreiben.

Chancen auch für die Vor-Ort-Apotheken

Einen Rückschlag gab es zuletzt jedoch für die den hiesigen Markt dominierenden Versandhändler zu verzeichnen, denn seit Inkrafttreten des Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetzes (VOASG) im Dezember 2020 dürfen diese keine Rabatte auf Rx-Arzneien mehr gewähren.

Zudem ermöglichen die Vor-Ort-Apotheken mit ihren Botendiensten, die sich insbesondere als Folge des GKV-Zuschusses seit 2020 etabliert haben, eine schnellere Lieferung als die Versandapotheke. Dazu bedarf es aber entsprechend digitalisierter Workflows:

Digitaler Eingang zur Apotheke

Zentral für den Erfolg und den langfristigen Bestand einer Apotheke ist neben dem physischen Standort damit zusehends auch der digitale Standort, denn jede Apotheke benötigt künftig z.B. einen digitalen Vorbestell- bzw. Rezepteinlösungsservice. Die Frage für den Apotheker ist damit weniger, ob überhaupt Digitalisierung, sondern wie. Im Kontext des E-Rezepts beispielsweise gilt es nicht nur die eigene digitale Sichtbarkeit zu erhöhen, sondern auch Arbeitsabläufe sind betroffen: Der Apotheker muss sich Gedanken machen über die Teilnahme an Plattformen, über digitales Marketing, über die Gestaltung des Botendienstes, die Prozessabläufe (z.B. Einrichtung einer „Fast Lane“ für E-Rezept-Abholer oder die Anbindung an Bestellsysteme sowie Kommissioniermaschinen, was Personal einsparen könnte) etc. Viele Apotheken besitzen noch kein (integriert)digitalisiertes Warenlager bzw. Verfügbarkeitsanzeigen, diese sind jedoch erforderlich, um z.B. an den Bestell- und Lieferservices der Apothekenplattformen teilzunehmen.

Digitalisierung ist mehr als Homepage und E-Rezept!

Neben Frontend und Warenwirtschaftssystemen betrifft die Digitalisierung die Optimierung der gesamten Logistik, KI-gesteuerte Kommissionierautomaten, die Verbindung zur Abrechnung, digitale Sichtwahl, Schaufenster- oder Beratungsdisplays, Active-Shelf (z.B. mit digitalen Preisauszeichnungen), Beratung mit Tablet, den Einsatz von Chat-Bots, die Nutzung von Online-Beratungsangeboten (Telepharmazie) und Apothekenmarketing über Facebook, Instagram und Co., (digitale) Kundenbindungsprogramme, Suchmaschinenoptimierung etc. In der papierlosen Apotheke gibt es eine digitale Schnittstelle zum Steuerberater oder auch für HR-Prozesse, wenn z.B. Urlaubsanträge digital ausgefüllt werden und Botendienstplanungen mit dem iPad erfolgen. Mit Eero, einem Pepper Roboter, kommt in einer Apotheke in Norwegen sogar ein „künstlicher“ Apothekenmitarbeiter zum Einsatz.

 

Kommentar:

Künftig wird die Vor-Ort-Apotheke damit zur „Hybrid-Apotheke“. Einerseits übernimmt sie die klassische Rolle als wohnortnaher Versorger der Patienten, andererseits eröffnet sie mit ihrem digitalen Eingang diesen und auch anderen Patientengruppen zusätzliche (smarte) Services wie Videoberatungen und digitale pharmazeutische Coachings.

Kooperationen mit Apothekenplattformen werden dabei insbesondere für mittlere und kleinere Apotheken unumgänglich, denn sie selbst besitzen häufig nicht die entsprechenden Mittel und/oder das Know-how für den Aufbau eines ‚digitalen Standorts‘ und können auf die Services der Plattformen zurückgreifen, z.B. auf dortige Webshops oder deren SEO bzw. Internetmarketing. ApothekeninhaberInnen haben dabei die Wahl zwischen Plattformen des Versandhandels (z.B. DocMorris) oder jenen der Apothekenkooperationen, die meist vom Arzneimittelgroßhandel initiiert sind (z.B. gesund.de oder ihreapotheke.de).

Deren Ziel wiederum ist der Aufbau ganzheitlicher digitaler Gesundheitsplattformen, auf denen sogenannte ‚Patientenjourneys‘ bespielt werden. Auf diesen Reisen wiederum sind Arzneimittel bzw. E-Rezept und Gesundheitsprodukte nur einzelne von (potenziell) vielen Bausteinen.

Siehe auch News vom 13.1.2021, 14.4.2021 sowie 6.4.2022

Quelle: BAH-Gesundheitsmonitor 2021

Petra Seisl
Autor Dr. Petra Seisl
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