Ärzte und Psychotherapeuten sind grundsätzlich offen für die Digitalisierung, jedoch sind die Kosten und technischen Probleme eine Herausforderung. Das ergab die vom Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung und der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) im Zeitraum zwischen März und April 2023 durchgeführte Online-Umfrage zu „Kosten und Nutzen von Investitionen in die Digitalisierung in der vertragsärztlichen Versorgung“ unter allen KVen in Deutschland. Von den rund 300 teilnehmenden Vertragsärzten und Psychotherapeuten stammten jeweils rund 30% aus der KV Schleswig-Holstein und der KVWL. Ein Drittel der beteiligten Praxen stammte aus der Fachgruppe der Allgemeinmediziner, gefolgt von den Psychotherapeuten und den Ärzten für Innere Medizin. Die Umfrage richtete sich aufgrund des teilweise abgefragten spezifischen Wissens vordergründig an die Praxisinhaber. Ziel der Erhebung ist es, die Datenlage zu Kosten und Nutzen ausgewählter E-Health-Angebote zu verbessern und anstehende Beratungen im Kreise der KVen mit neuen Erkenntnissen aus der Praxis zu unterstützen.
Digitalisierung insbesondere neuste IT-Infrastruktur für Praxen kosten- und zeitintensiv
Ein Großteil der Praxen gibt an, ihre IT-Infrastruktur auf dem neuesten Stand zu halten. Für deren Instandhaltung und Einrichtung sind bezogen auf das Jahr 2021 laut Umfrage durchschnittlich Kosten in Höhe von 7.000 bis 15.000 Euro angefallen. Die Befragten beschreiben die Digitalisierung in diesem Zusammenhang als sehr kosten- und zeitintensiv und sehen sich häufig mit technischen Problemen und nicht zufriedenstellenden Serviceleistungen konfrontiert. Praxen, die Digitalisierungsangebote bereits einsetzen, schätzen deren Nutzen vergleichsweise besser ein als solche mit einem niedrigen Digitalisierungsgrad.
Terminmanagement bietet viele Vorteile; Videosprechstunde, Messenger, Telekonsile und Co. noch Potenzial offen
Im Mittelpunkt der Befragung standen Digitalisierungsangebote zum Terminmanagement, zur Anamnese, zur Videosprechstunde, zu Telekonsilen und zu Messengerdiensten. Die Verbreitung von digitaler Anamnese, Telekonsilen und sicheren Messengerdiensten zum Austausch mit Patienten ist in der Stichprobe mit 4% noch sehr gering ausgeprägt. Am häufigsten werden mit 15% Verbreitung das digitale Terminmanagement und sichere Messengerdienste zum Austausch mit Kollegen verwendet. Die Umfrageteilnehmer sehen hierbei vor allem eine Erhöhung der Flexibilität beim Daten- und Informationsaustausch. Beim digitalen Terminmanagement, zu dem von rund 15% der Praxen ein Tool entweder integriert im Praxisverwaltungssystem, über die Praxiswebsite oder Onlineportale nutzen, wird besonders die beschleunigte und flexibilisierte Terminvergabe sowie eine spürbare Entlastung des Praxispersonals hervorgehoben. Zudem steigert die Onlineterminvergabe 58% der Angaben zufolge die Patientenzufriedenheit. Ein wahrgenommener Vorteil der Videosprechstunde ist für 75% der Teilnehmer der Wegfall von Anfahrtswegen, mit zwei Dritteln der Angaben weniger die Reduzierung der Arbeitsbelastung. Für knapp die Hälfte ist die Videosprechstunde vor allem geeignet zur Besprechung von Behandlungsergebnissen. Die Umfrageteilnehmer bemängeln zu 55% noch häufige Verbindungsprobleme und zwei Drittel eingeschränkte Untersuchungsmöglichkeiten. Dennoch findet die Videosprechstunde bei rund 43% der Praxen vereinzelt in der Woche Einsatz. Die Erhebung liefert jedoch Hinweise darauf, dass dieses E-Health-Angebot insbesondere in Psychotherapiepraxen als Pandemietrend mit einer vorübergehend gesteigerten Akzeptanz zu bewerten ist. Die befragten Psychotherapeuten begrüßen die Videosprechstunde aktuell zu 85%.
Kommentar:
Aus der durchgeführten Online-Erhebung geht hervor, dass die niedergelassenen Vertragsärzte und Psychotherapeuten der Digitalisierung positiv gegenüberstehen. Sie befürworten den Einsatz digitaler Anwendungen, solange diese ausgereift und zuverlässig sind und sich nahtlos in den Praxisalltag integrieren lassen. Um die Voraussetzungen für eine angemessene Finanzierung der Digitalisierung in den Praxen zu schaffen, fordert die KVWL die Politik auf, verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Die aktuelle Fokussierung auf die Finanzierung von Krankenhäusern wird als unzureichend betrachtet, da die meisten medizinischen Versorgungsleistungen in den Praxen oft in fachübergreifender Zusammenarbeit stattfinden. Konkret fordert die KVWL ein Gesetz zur Zukunftssicherung der Praxen, das die Refinanzierung digitaler Investitionen klar und verlässlich regelt.
Quellen: