Physiotherapie: Weniger Nachholeffekte, aber bessere Vergütung in 2021

Physiotherapie: Weniger Nachholeffekte, aber bessere Vergütung in 2021

Für Physiotherapeuten war das Jahr 2021 mit starken Umsatzerhöhungen verbunden, wobei die Zahl der Behandlungen sich nur leicht erhöhte. Einerseits waren bereits im Vorjahr die Behandlungszahlen über die gesamten 12 Monate weniger stark zurückgegangen als ursprünglich aufgrund der Pandemie befürchtet, andererseits resultierten die – nach langen zähen Verhandlungen erst zur Jahresmitte 2021 erzielten – Verhandlungsergebnisse zum neuen Rahmenvertrag in einer stark verbesserten Honorierung der therapeutischen Leistungen.

2021 gaben GKVen 17% mehr für Heilmittel aus

Wie für andere Heilmittelerbringer auch (darunter fallen auch Ergotherapeuten, Logopäden, Podologen und Ernährungsberater), ist die Leistungserbringung im Rahmen von Verordnungen der GKV-Versicherten der wichtigste Markt für Physiotherapeuten und damit deren Kerngeschäft. Insgesamt betrugen 2021 die GKV-Ausgaben für Heilmittel 10,4 Mrd. Euro, das Wachstum im Vergleich zum Vorjahr beträgt 17%. Das Gros, nämlich knapp 72% dieser Ausgaben bzw. 84% aller Heilmittelbehandlungen sind physiotherapeutische Maßnahmen. Hauptgrund für die höheren Ausgaben ist der (verspätet) zum August 2021 in Kraft getretene neue Rahmenvertrag, welcher eine Vergütungserhöhung für physiotherapeutische Heilmittel um mehr als 14% mit sich bringt. Diese Preiserhöhung berücksichtigt dabei auch die Kostensteigerungen der zwei Jahre zuvor (seit Mitte 2019) und darf nicht nur auf das Jahr 2021 bezogen werden. Denn während der langen Verhandlungsphase wurden die Honorare zwar leicht erhöht (Teilanpassung), aber nicht in dem erforderlichen Ausmaß.

Bundesweit gleiches Geld für gleiche Leistung

Bereits in den Jahren zuvor sorgte der Gesetzgeber für eine stetige Anhebung der entsprechenden Preise und eine bundesweite Angleichung. Davon profitierten insbesondere die Regionen im Osten, die bis Mitte 2019 weniger Geld für die gleiche Leistung erhielten. Große regionale Unterschiede gibt es jedoch weiterhin beim Umfang sowie der Art der Therapieleistungen: Im Osten werden mehr Verordnungen für Physiotherapie ausgestellt, dort dominieren passive Heilmittel (Manuelle Therapie, Massage etc.), während im Westen die Krankengymnastik die am häufigsten durchgeführte Therapie ist.

Inanspruchnahme von Physiotherapie jedoch unter dem Niveau von 2019

32,3 Mio. physiotherapeutische Rezepte mit in Summe mehr als 254 Mio. Behandlungen wurden 2021 ausgestellt. Statistisch gesehen kommen damit auf jeden GKV-Versicherten 3,5 physiotherapeutische Behandlungen im Jahr 2021. Im Vergleich zum Vorjahr waren es jedoch nur 2,5% mehr Rezepte (bzw. 0,5% mehr Behandlungen je Versicherten) als im Pandemiejahr 2020. Beide Werte liegen damit – trotz vielfältiger Wachstumspotenziale im Markt – unter den Versorgungsniveaus von 2019. Das verdeutlicht, wie wichtig die gesetzgeberischen Maßnahmen hinsichtlich einer verbesserten Vergütung für die wirtschaftliche Situation der Praxen, aber auch die Sicherung der Gesundheitsversorgung sind. Für die Praxen bleiben zudem sonstige Einnahmequellen – aus PKV- oder Selbstzahlerleistungen – zentral.

Gesamtes Marktvolumen Physiotherapie liegt bei über 11 Mrd. Euro

Die gesamten Leistungsausgaben für Physiotherapie dürften 2021 bei über 11 Mrd. Euro gelegen haben, denn

  • Die GKVen übernehmen auch Kosten für Heilmittelleistungen, die in anderen Leistungspositionen berücksichtigt sind (z.B. Prävention, Integrierte Versorgung, Kurleistungen, Palliativmedizin, Frühförderung, stationäre Behandlungen).
  • Auch weitere Leistungsträger übernehmen Ausgaben für Physiotherapie, z.B. die Rentenversicherung im Rahmen von Rehabilitationsmaßnahmen oder gesetzliche Unfallversicherungen.
  • Auf etwa 1,6 Mrd. Euro dürften sich die Leistungen von Physiotherapeuten für PKV-Versicherte bemessen, sprich für Zahlungen der PKVen an Privatversicherte, aus den von der Beihilfe für Beamte übernommenen Ausgaben sowie den Zuzahlungen der Privatversicherten und Beamten.
  • Nicht unerheblich sind zudem die Leistungen der PatientInnen selbst, sei es aufgrund der Zuzahlungen (ca. 1 Mrd. Euro allein bei den GKV-Leistungen) oder im Kontext des sogenannten ‚Selbstzahlermarktes‘ (bzw. Zweiter Gesundheitsmarkt).

Markt Physiotherapie: 11 Mrd. €

Siehe auch News vom 30.6.2022 und 29.3.2022

 

Kommentar:

Bis 2019 war die Höhe der Vergütung für eine Heilmittelleistung unter anderem abhängig von der KV-Region, in der sich die jeweilige Praxis befand. Bundeseinheitliche Preise für Massagen, Krankengymnastik etc. gibt es erst aufgrund des zur Jahresmitte 2019 in Kraft getretenen Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG), in welchem erstmalig zum 1.7.2019 bundesweit einheitliche Höchstpreise vereinbart wurden, d.h. alle Physiotherapeuten erhielten dann das Honorar jener Region, in welcher bis dato am meisten bezahlt worden war. Regionale Unterschiede wie auch die geringere Entlohnung im Osten gehören somit der Vergangenheit an. Diese Preise sind die Basis der seither jährlich auf Bundesebene zu führenden Verhandlungen zwischen Krankenkassen und den Spitzenorganisationen der Heilmittelerbringer. Eine Einigung auf einen solchen ersten Bundesrahmenvertrag hätte eigentlich bis Mitte 2020 erzielt werden müssen. Pandemie und die Einleitung eines Schiedsverfahrens führten zu Verzögerungen, sodass erst im August 2021 ein solcher neuer Bundesrahmenvertrag in Kraft treten konnte. In 2022 gab es erneut keine fristgerechte Einigung für eine Aktualisierung des Rahmenvertrags. Der GKV-Spitzenverband schlug eine Erhöhung der Behandlungshonorare für Physiotherapeuten um 2,38% vor, was nach Ansicht der Therapieverbände weder leistungsgerecht sei noch wirtschaftlich – und genau diese beiden Zielsetzungen sollten, so der Gesetzgeber, mit den jährlich neu zu verhandelnden Rahmenverträgen erzielt werden. Noch kam es zu keiner Einigung.

Quellen:

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