Deutschlandweit gibt es 41.624 physiotherapeutische Praxen (inkl. der rückläufigen Zahl an reinen Massagepraxen), so der Stand April 2022, denn bis zu diesem Zeitpunkt mussten die Praxen die neuen bundeseinheitlichen Rahmenverträge anerkennen; anderenfalls hätten sie die Zulassung, sprich die Abrechnungsmöglichkeit mit den GKVen verloren. Daneben gibt es noch reine Privatpraxen bzw. freie Therapeuten, die beispielsweise als Personal Trainer tätig sind und direkt mit den Patienten bzw. Kunden abrechnen. Das entspricht einer stabilen und im Trend leicht zunehmenden Versorgung. Im Bundesdurchschnitt kommen damit 2.000 Menschen auf eine Praxis.
Lange Wartezeiten sprechen jedoch für Versorgungsengpässe
Patienten müssen zum Teil äußerst lange auf einen (Erst-)Termin warten. Bei Therapien im häuslichen Umfeld (Hausbesuche) sind sogar mehrere Wochen Vorlauf nicht ungewöhnlich. Dass damit die wohnortnahe Versorgung mit Heilmitteln gefährdet ist, hat auch die Politik auf den Plan gerufen und zu den entsprechenden Neuregelungen geführt. Der Beruf müsse finanziell und hinsichtlich der Ausbildungsbedingungen aufgewertet werden, um die Nachwuchssituation und Versorgung zu sichern sowie die Abwanderung in andere Berufe einzudämmen.
Fragmentierter Markt: viele Kleinstpraxen, aber Trend zu größeren Einheiten
Das Gros der knapp 42.000 Praxen ist als Einzelpraxis organisiert. Entsprechend kleinteilig präsentiert sich der Markt. Viele kleinere Praxen haben keine Angestellten. Dazwischen bewegen sich Inhaber mittelgroßer Praxen. Es gibt jedoch auch größere Therapiezentren.
Gemäß Statistischem Bundesamt lag der zuletzt ermittelte Durchschnittsumsatz bei ca. 245.000 Euro, wobei zwei Drittel der physiotherapeutischen Praxen Umsätze unter 250.000 Euro jährlich erlösen. Ein weiteres Viertel befindet sich in der Umsatzklasse von 250.000 bis 500.000 Euro. Es ist jedoch ein klarer Trend zu größeren Einheiten zu konstatieren. Denn noch vier Jahre zuvor lagen die Vergleichswerte bei 75% (Praxen mit Umsätzen bis zu 250 TEuro) bzw. 19% (250 TEuro bis 500 TEuro). Auch künftig versorgt eine Praxis mehr Patienten, wickelt mehr Verordnungen ab und beschäftigt mehr, gerade auch nicht-therapeutisches Personal.
Gemäß Bundesagentur für Arbeit gab es Ende 2021 knapp 200.000 Beschäftigte im Berufsumfeld Physiotherapie: 166.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, sprich ohne Inhaber, sowie 31.000 geringfügig Beschäftigte. Die Zahl der (sozialversicherungspflichtig) Beschäftigten hat dabei in den letzten Jahren stetig zugenommen, seit 2017 um über 10%. Das ist jedoch insbesondere dem nicht-therapeutischen Personal geschuldet, denn die Zahl der im ambulanten Bereich tätigen Physiotherapeuten ist im gleichen Zeitraum nur um ca. 3% gestiegen.
Neue Player & Disruptionsrisiken
Bundesweit agierende ambulante Therapiezentren bzw. Heilmittelketten haben in dieser Branche eine untergeordnete Bedeutung; bislang gibt es nur wenige überregional tätige Praxen, Zentren bzw. Netzwerke.
Je mehr es in Richtung Prävention, Betriebliches Gesundheitsmanagement und/oder Selbstzahlerleistungen geht, umso mehr gewinnen etablierte Unternehmen aus Nachbarbranchen (z.B. Fitnessstudio-Ketten) oder auch neue Anbieter mit erweiterten digitalen bundesweiten Konzepten und einem Netzwerk an bundesweit agierenden Therapeuten an Bedeutung. Die Gefahr, dass Gesundheits-Apps, telemedizinische bzw. teletherapeutische Angebote zur (Teil-)Substitution von physiotherapeutischen Leistungen führen, ist zuletzt gestiegen, z.B. wenn das Nebeneinander zu weniger persönlich erbrachten Heilmittelleistungen führt, was durchaus im Interesse der Kassen liegen würde.
Kommentar:
Physiotherapeuten zählen zu den Engpassberufen, bereits vor einigen Jahren wurde die Berufsgruppe in die ‚Positivliste – Zuwanderung in Ausbildungsberufe‘ aufgenommen. Die Arbeitslosigkeit in der Berufsgruppe, im Dezember 2021 waren es 1.821, ist vernachlässigend gering. Einem arbeitslosen Physiotherapeuten stehen durchschnittlich 3,5 freie Stellen gegenüber. Die Vakanzzeit ist entsprechend lang und viele Praxisinhaber finden keine Fachkräfte oder Nachfolger.
Quellen:
- Statistische Bundesamt/destatis
- Bundesagentur für Arbeit
- Kompetenzzentrum Fachkräftsicherung
- Zeitschrift Physiotherapie 4/2022