Angesichts des demografischen Wandels und der damit einhergehenden Zunahme chronischer, aber auch psychischer Krankheiten forderte der 128. Deutsche Ärztetag einen sektorenübergreifenden Ansatz bei der Prävention. Die Delegierten stimmten dem Antrag des Vorsitzenden der Bundesärztekammer mehrheitlich zu.
Arbeitswelt als größtes Präventionssetting
Für eine optimale medizinische Versorgung ist die Kooperation zwischen ambulanter und stationärer Medizin, Arbeitswelt, Rehabilitation und dem Öffentlichen Gesundheitsdienst sowie das Überwinden sektoraler Barrieren unerlässlich. Der Arbeitsmedizin wird dabei eine besondere Bedeutung zugeteilt. Hintergrund ist, dass täglich 46 Millionen Erwerbstätige in Deutschland beruflichen Belastungen ausgesetzt sind. Dies macht die Arbeitswelt zum größten Präventionssetting unserer Gesellschaft. Um die beruflichen Belastungen in der medizinischen Versorgung besser zu berücksichtigen, sollten gezielt Projekte gefördert werden, die die Arbeitsmedizin in eine sektorenübergreifende Versorgung einbinden.
Die Arbeitswelt bietet die Chance der frühzeitigen Erkennung von Erkrankungen. Dies ermöglicht eine effektive Nutzung des Gesundheitssystems, indem schnell Therapien eingeleitet werden können und damit der Krankheitsfortschritt verhindert wird. Besonders bei jüngeren Berufstätigen kann eine frühzeitige Intervention die Arbeitsfähigkeit erhalten und die Krankheitslast in der Gesellschaft reduzieren. Die Wiedereingliederung am Arbeitsplatz nach einer Arbeitsunfähigkeit ist ebenfalls von großer Bedeutung. In diesem Kontext fungiert die Arbeitsmedizin als Lotse.
Kommentar:
Mit der Einführung des Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention (PrävG) im Juli 2015 gewann die Prävention in Lebenswelten erstmals an Bedeutung. Das PrävG stärkt die Vernetzung innerhalb des Gesundheitssystems – beispielsweise zwischen Sozialversicherungsträgern, Ländern und Kommunen. Dabei sind alle Altersgruppen und Lebensbereiche wie Kindergärten, Schulen, aber auch Arbeitsplatz oder Pflegeheime betroffen. Die Prävention soll dort gefördert werden, wo Menschen leben, lernen und arbeiten. Daneben entwickelt das PrävG die Früherkennungsuntersuchungen weiter und legt Maßnahmen zum Impfschutz fest. Doch dieses Gesetz genügt nicht: In der Arbeitswelt kommen zu wenige Präventionsprogramme an.
Einige Modellprojekte setzen an diesem Punkt an – so auch das Projekt „Gesund arbeiten in Thüringen“, welches sich auf die betriebliche Gesundheitsförderung und das betriebliche Gesundheitsmanagement in kleinen und mittelständischen Unternehmen konzentriert. Durch bessere Bekanntmachung und Vernetzung bestehender Präventions- und Gesundheitsförderungsmöglichkeiten soll eine optimale Versorgung geboten werden. Dies führt zu weniger krankheitsbedingten Ausfällen und höherer Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter sowie zu einem Imagegewinn für die Unternehmen. Beschäftigte profitieren von einem gesünderen Arbeitsplatz. Das Projekt wird von der BARMER und der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM) initiiert und gefördert. Es startete 2017 und wird bis 2025 auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse weitergeführt, um eine nachhaltige Gesundheitsförderung in KMU zu implementieren.
Quellen:
- 128. Deutscher Ärztetag – Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik: Aussprache zur Rede des Präsidenten und zum Leitantrag – Aktuelle Fragen der ärztlichen Berufsausübung
- Bundesministerium für Gesundheit – Präventionsgesetz
- Gesund arbeiten in Thüringen – Modellvorhaben zur betrieblichen Gesundheitsförderung im Rahmen des Präventionsgesetzes