„Deutschland hat Rücken“: Diese Aussage lässt sich aus den Ergebnissen des aktuellen Gesundheitsatlas des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) schließen. Im Jahr 2021 ließen sich bundesweit 26,2 Millionen Patienten aufgrund von Rückenschmerzen ärztlich behandeln. Dies entspricht fast einem Drittel der Bevölkerung (31,4%).
Große regionale Unterschiede bei der Verteilung der Rückenschmerzpatienten
Der aktuelle WIdO-Atlas, der eine detaillierte Darstellung auf Bundesland und Kreisebene erlaubt, zeigt, dass hinsichtlich der Verteilung der Rückenschmerzpatienten zum Teil große Unterschiede zwischen den sowie innerhalb der einzelnen Bundesländer(n) bestehen. So liegt die Ein-Jahres-Prävalenz in Thüringen mit 36,11% am höchsten und dabei um 8,5 Prozentpunkte über dem Wert von Bremen (mit der bundesweit geringsten Prävalenz). Im Landkreisvergleich bildet Suhl (Thüringen) mit einer Prävalenz von 45,80% den „Hotspot“ der rückenschmerzgeplagten Bürger und liegt damit um 24,5 Prozentpunkte über Potsdam (21,3%), Deutschlands führender Stadt in Sachen Rückengesundheit (vgl. Abb. linke Karte).
Abb. Gegenüberstellung Rückenschmerzprävalenz und orthopädische Versorgungsdichte
Betrachtet man das vertragsärztliche orthopädische Angebot, zeigen sich ebenfalls zum Teil größere regionale Abweichungen (vgl. Abb. Karte rechts). Bezogen auf die Einwohner-Arzt-Dichte liegt das Saarland vorn, gefolgt von Hamburg und Sachsen-Anhalt. Am schlechtesten – aus Sicht der Einwohner – ist die Versorgung in Baden-Württemberg, Brandenburg und Niedersachsen.
Rückenschmerzpatientenpotenzial in Niedersachsen am höchsten
Betrachtet man speziell die Versorgungssituation der Rückenschmerzpatienten – also die Relation Rückenschmerzpatienten je Orthopäde – liegen die Versorgungspotenziale in Niedersachsen am höchsten. Im Durchschnitt entfallen hier 9.839 Patienten mit Rückenschmerz auf einen Orthopäden und damit 2,26 Mal mehr als auf einen niedergelassenen Kollegen in Hamburg, der KV-Region mit dem geringsten Versorgungspotenzial. Nach Niedersachsen liegen die Versorgungspotenziale auch in Thüringen und Brandenburg besonders hoch (vgl. Abb.). Spezialisierte Angebote – etwa in Form einer Rückenschmerzsprechstunde – dürften in diesen Regionen auf eine große Resonanz stoßen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass Orthopäden aufgrund der hohen Einwohner-Arzt-Dichte bereits unter übervollen Praxen leiden. Neben Orthopäden spielen weitere Fachgruppen bei der Therapie von Rückenschmerzen eine wichtige Rolle. Radiologen und Neurologen unterstützen bei der Diagnostik und Neurochirurgen gegebenenfalls bei einer operativen Therapie. Fachärzte für Physikalische und Rehabilitative Medizin unterstützen bei der nicht-operativen Behandlung von Schmerzen und Funktionsstörungen. Hausärzte sind als erste Anlaufstelle sowie für die Begleitung und Umsetzung konservativer Therapien wichtig. Nicht zuletzt können Psychotherapeuten bei psychisch bedingten Rückenleiden sowie bei der Schmerzbewältigung unterstützen.
Abb. Durchschnittliche Anzahl Rückenschmerzpatienten je Orthopäde
Quelle: Berechnungen auf Basis von WIdO (2023); Rebmann Research (2023) Grafik: REBMANN RESEARCH
Kommentar:
Hohe Patientenpotenziale für Orthopäden im Bereich Rückenschmerzen deuten aus Sicht der Patienten auf eine besonders schlechte Versorgungslage hin. Der Bedarf nach qualifizierten Behandlungen und das damit verbundene Kosteneinsparpotenzial ist hoch und wird mit Blick auf die Überalterung der Bevölkerung weiter steigen. Laut AOK zeichneten Rückenschmerzen der Krankheitskostenstatistik zufolge im Jahr 2022 bereits für insgesamt 2,8% der Krankheitskosten (11,6 Mrd. Euro) verantwortlich. Zusätzlich entstehen Kosten durch Arbeitsausfälle, wobei Rückenleiden 2022 rund 14% der Arbeitsunfähigkeitstage (96,7 Mio. Tage) verursachten. Häufig erfordern Rückenschmerzen über die Schmerzmedikation hinaus ein umfangreiches multimodales Behandlungskonzept. Eine qualifizierte Behandlung bieten u.a. die von der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie (DGS) zertifizierten Schmerzzentren. In den rund 120 über ganz Deutschland verteilten regionalen Zentren arbeiten verschiedene Schmerzspezialisten fachübergreifend zusammen (vgl. https://www.dgschmerzmedizin.de/ueber-die-dgs/regionale-schmerzzentren-dgs/).
Siehe News vom 6.11.2023
Quellen: