Ausgaben für Heilmittel 2021 stiegen überproportional
Im Jahr 2021 haben GKVen 17% mehr für Heilmittel ausgegeben als im Jahr zuvor, das entspricht einem absoluten Zuwachs von 1,5 Mrd. Euro (so die vorläufigen Finanzergebnisse der Krankenkassen). In Summe weisen die GKVen ein Plus bei den Leistungsausgaben in Höhe von 5,7% aus. Während die Ausgaben für ärztliche Behandlung um nur 1,8% stiegen, gab es die höchsten Ausgabensteigerungen bei Zahnersatz mit einem Plus von über 19%. Sowohl für Zahnersatz als auch die Heilmittel, die den zweithöchsten Ausgabenzuwachs zu verbuchen hatten, gilt dabei, dass das Wachstum weniger auf coronabedingte Nachholeffekte, sondern auf verbesserte Vergütungsregelungen zurückzuführen ist:
TSVG ursächlich für Ausgabensteigerungen
Zwar waren die Heilmittel-Verordnungen und damit die Zahl der entsprechenden Behandlung im Jahr zuvor massiv eingebrochen, da Patienten zum Teil auf entsprechende Arzt- sowie Therapeutenbesuche verzichteten, das Gros der Zusatzausgaben ist jedoch die Folge der verbesserten Vergütung der Heilmittelerbringer.
- Im 2019 in Kraft getretenen TSVG (Terminservice- und Versorgungsgesetz) wurden erstmalig bundesweite Höchstpreise vereinbart, d.h. alle Heilmittelerbringer und somit auch die Physiotherapeuten erhalten nun das Honorar jener Region, in der bis dato am meisten bezahlt wurde.
- Die vormals hohen regionalen Unterschiede wie auch die geringere Entlohnung für Heilmittelleistungen im Osten gehören somit der Vergangenheit an.
- Die Preise sind nunmehr Basis einer einheitlichen Verhandlung auf Bundesebene (nicht mehr auf KV-Ebene) ohne dass – im Vergleich zu früher – die Grundlohnsumme beschränkend auf Honorarsteigerungen wirkt. Stattdessen sollen nun andere Parameter, wie z.B. Personal-/Sachkosten, die wirtschaftlichen Interessen freiberuflicher, aber auch angemessene Vergütungen angestellter Physiotherapeuten, einfließen. Denn der Gesetzgeber reagierte nicht nur auf die regional stark divergierenden Honorarniveaus, sondern auch auf den Fachkräftemangel sowie auf die angespannte Kosten- und Gewinnsituation der Therapeuten, die unter anderem damit verbunden ist, dass angestellte Therapeuten nicht angemessen bezahlt werden können bzw. wesentlich weniger verdienen als im stationären Bereich.
- Eine erste solche Verhandlung für einen neuen Bundesrahmenvertrag hätte eigentlich bis Mitte 2020 erfolgen müssen, aufgrund der Pandemie wurde die Frist bis September verlängert. Da bis dahin keine Einigung erzielt werden konnte, musste ein Schiedsverfahren angestoßen werden. Mit Verspätung und nach zwei Schiedssprüchen konnte schließlich im August 2021 ein neuer Bundesrahmenvertrag in Kraft treten. Folgende (Neu-)Regelungen hinsichtlich der Vergütung von physiotherapeutischen Heilmitteln sind dort erfasst:
- Vergütungserhöhung um 14,09% ab August 2021 (Basis sind die damals ersten bundeseinheitlichen Preise vom Sommer 2019; d.h. die zum April 2021 vorgenommenen Erhöhungen um 1,51% – als Teil-Ausgleich für die Kostenentwicklungen von Mitte Juli bis März 2020 – sind bei der Erhöhung zu berücksichtigen).
- Zwischen August und November 2021 können die Therapeuten ihre Abrechnungen jedoch um 26,67% erhöhen (als Kompensation für die noch nicht erfolgte Anpassung des Honorars von April bis Juli, da das Schiedsverfahren länger dauerte und die Erhöhung bereits zum April hätte erfolgen sollen).
Kommentar:
Gros der Heilmittelleistungen betrifft Physiotherapie
Mehr als 70% der o.g. Heilmittelausgaben der GKVen machen physiotherapeutische Leistungen aus. Diese werden vornehmlich von Allgemeinmedizinern und Orthopäden verschrieben. Der höchste Umsatz je Verordnung wird durch die Gynäkologen erzielt. (Quelle: GKV-HIS 2020)
Etwa 90% der physiotherapeutischen GKV-Heilmittelleistungen bzw. des Bruttoumsatzes eines Physiotherapeuten beschränken sich dabei auf zehn Therapien, allen voran Krankengymnastik, gefolgt von Manueller Therapie und ZNS-Krankengymnastik für Erwachsene. Das häufigste Anwendungsgebiet sind mit der Hälfte der Fälle Wirbelsäulenerkrankungen.
Ältere Frauen sind die bedeutendste Klientel der Physiotherapeuten
Die Entwicklung des Marktes für Heilmittel bzw. Physiotherapie ist insbesondere von folgenden Hauptfaktoren abhängig:
- wie der Gesetzgeber die Leistungen vergütet bzw. budgetiert (siehe oben)
- wie viel die Ärzte verordnen, auch hier budgetiert/sanktioniert der Gesetzgeber
- wie der medizinisch-therapeutische Fortschritt vorankommt
- wie sich die Gesundheit der Bevölkerung entwickelt
Die Gesundheit der Bevölkerung wiederum unterliegt stark demografischen Aspekten, wie Wohlstand, Geschlecht, Alter etc. Während ergo- und logopädische Behandlungen insbesondere bei jüngeren Patientengruppen und Kindern verschrieben werden, konzentrieren sich physiotherapeutische Verordnungen auf höhere Lebensalter und dabei insbesondere auf Frauen. Fast zwei Drittel der Patienten des Physiotherapeuten sind Frauen.
Quellen: