Die Praxis im eigenen Haus erfordert aus steuerlicher Sicht eine differenzierte Betrachtung vom häuslichen Arbeitszimmer.
Wird eine Praxis im eigenen Haus betrieben, sind folgende Grundfälle hinsichtlich der Art der Grundstücksaufwendungen und der Eigentumsverhältnisse bei der steuerlichen Behandlung zu unterscheiden:
Grundstücksorientierte Aufwendungen | Beispiele: Abschreibung, Schuldzinsen, Grundsteuer, Hausversicherungen, Reparaturen |
Nutzungsorientierte Aufwendungen | Beispiele: Schönheitsreparaturen, anteilige Energiekosten |
Praxisinhaber ist Eigentümer des Grundstücks bzw. der Immobilie | Sowohl die grundstücksorientierten als auch die nutzungsorientierten Aufwendungen sind Betriebsausgaben. Der Grundstücks- und Gebäudeteil „Praxis“ stellt notwendiges Betriebsvermögen dar und ist ins Anlagenverzeichnis aufzunehmen. Bei einem Grundstücksteil (einschließlich anteiligem Gebäude) von untergeordnetem Wert besteht eine Wahlmöglichkeit hinsichtlich der Zuordnung zum Betriebsvermögen. Soweit Betriebsvermögen vorliegt und die Praxis aufgegeben oder an einen anderen Standort verlegt wird, müssen die stillen Reserven versteuert werden, die im Laufe der Jahre entstanden sind. Zu versteuern ist der Gewinn, der sich aus der Differenz zwischen dem Verkaufspreis (Verkehrswert) und dem Restbuchwert des Praxisanteils ergibt. Der Restbuchwert resultiert aus den Anschaffungs- oder Herstellungskosten der betrieblich genutzten Räume und den jährlichen steuerlichen Abschreibungen. |
Ehegatte des Praxisinhabers ist Eigentümer des Grundstücks; Nicht-Eigentümer-Ehegatte hat sich an den AK/HK des Grundstücks nicht beteiligt | Wird das Grundstück (einschließlich Praxisräume) unentgeltlich an den Praxisinhaber überlassen, stellen nur die nutzungsorientierten Aufwendungen, soweit sie auf die Praxis entfallen, Betriebsausgaben dar. Voraussetzung ist, dass sie vom Praxisinhaber getragen oder wenigstens von einem Gemeinschaftskonto der Ehegatten bezahlt werden (so bestätigend auch für den Insolvenzfall BFH vom 3.2.2016, X R 25/12, BStBl. 2016 II, S. 391, für Schuldzinszahlungen aus einem gesamt-schuldnerisch aufgenommenen Darlehen bei Zahlungen von einem Gemeinschaftskonto, zu dessen Guthaben beide Ehegatten beigetragen haben, unabhängig davon, aus welchen Mitteln die Zahlung im Einzelfall stammt). Ein Betriebsausgabenabzug der grundstücksorientierten Aufwendungen scheidet mangels Kostenbeteiligung aus. Gestaltungsüberlegung: Vermietung der Praxisräume durch den Ehegatten an den Praxisinhaber; den Mieteinnahmen steht in der gleichen Höhe ein Betriebsausgabenabzug beim Praxisinhaber gegenüber, zudem können die grundstücksorientierten Aufwendungen bei den Vermietungseinkünften geltend gemacht werden. Zu beachten ist, dass die Regelung zur verbilligten Vermietung (§ 21 Abs. 2 EStG) keine Anwendung findet, da es sich nicht um Wohnraum handelt. Somit können bei Vermietung unter der ortsüblichen Miete die Aufwendungen des Ehegatten im Beispiel nur anteilig geltend gemacht werden. |
Ehegatte des Praxisinhabers ist Eigentümer des Grundstücks; Nicht-Eigentümer-Ehegatte beteiligt sich an den AK/HK des Gebäudes | Die nutzungsorientierten Aufwendungen stellen Betriebsausgaben dar, sofern sie vom Praxisinhaber getragen oder von den Ehegatten gemeinschaftlich gezahlt werden (siehe vorstehend). Die Aufwendungen für die Beteiligung an den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten führen beim Praxisinhaber zu Betriebsausgaben (Abschreibung). Abschreibungsbemessungsgrundlage sind die auf die Praxis entfallenden Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten, soweit sie der Kostenbeteiligung des Praxisinhabers entsprechen. Nach der bisherigen, bereits auf BFH-Urteile aus den Jahren 1978, 1984 und 1988 zurückgehenden, durch die Entscheidung des Großen Senats des BFHs vom 30.1.1995 (GrS 4/92) und die ihr folgenden weiteren BFH-Judikate verfestigten Rechtsprechung ging der BFH, begleitet von einer teilweise schon vorgreifenden Auffassung der Finanzverwaltung, langjährig davon aus, dass der beim Nicht-Eigentümer-Ehegatten für den von ihm getragenen Aufwand gebildete Bilanzposten mangels eigenen Eigentums „wie ein materielles Wirtschaftsgut“ („Quasi-Wirtschaftsgut“) zu behandeln sei. Für dieses seien u.a. Abschreibungen nach den für Gebäude geltenden Vorschriften vorzunehmen und könnten die nur für Betriebsvermögen vorgesehenen Möglichkeiten der Übertragung stiller Reserven nach § 6b EStG genutzt wie auch etwa Investitionszulagen beantragt werden. Zusätzlich wurde von der Rechtsprechung für den Fall der Beendigung des Nutzungsverhältnisses vom Bestehen eines Wertersatzanspruchs nach §§ 951, 812 BGB ausgegangen, der zunehmend als Grundlage für die Annahme wirtschaftlichen Eigentums des Nicht-Eigentümer-Ehegatten angesehen wurde und bei Beendigung gewinnerhöhend zu aktivieren war. Diese Rechtsprechung wurde vom BFH, beginnend mit zwei Entscheidungen aus den Jahren 2008 und 2013, in dem Urteil vom 9.3.2016 (X R 46/14, BStBl. 2016 II, S. 976), offenbar endgültig, aufgegeben. Danach ist der Nichtunternehmer-Ehegatte in den genannten Fällen, sofern keine abweichenden Vereinbarungen zwischen den Ehegatten getroffen wurden, sowohl zivilrechtlicher als auch wirtschaftlicher Eigentümer. Der beim Unternehmer-Ehegatten nur zur typisierten Verteilung seines eigenen Aufwands gebildete Bilanzposten stellt kein Wirtschaftsgut dar und kann demnach auch nicht Sitz stiller Reserven sein, sodass ihm ertragsteuerrechtlich auch keine Wertsteigerungen zugerechnet werden können. Ebenso können z.B. keine ertragsteuerlichen Subventionsvorschriften, die nur für Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens gelten, in Anspruch genommen werden (einschließlich Rücklagen nach § 6b EStG sowie die meisten Sonderabschreibungen oder erhöhten Absetzungen und Abschreibungssätze, die nur für Gebäude des Betriebsvermögens vorgesehen sind). Da nach dieser neuen Rechtsprechung auch kein, auf der bisherigen steuerrechtlichen Sichtweise beruhender, gewinnerhöhend zu bilanzierender und zu versteuernder Wertausgleichsanspruch des Nicht-Eigentümer-Ehegatten bei Beendigung des Nutzungsverhältnisses angenommen werden kann, stellt es der BFH in seiner Entscheidung vom 9.3.2016 dem Gesetzgeber ausdrücklich anheim, eine geeignete Übergangsregelung zu schaffen, damit diese stillen Reserven nicht trotz vorheriger Inanspruchnahme aller bisherigen steuerlichen Vergünstigungen unversteuert bleiben. Dies geschah mit dem BMF-Schreiben vom 16.12.2016. Hiernach ist die Schlussbilanz des ersten Jahres, dessen Veranlagung verändert werden kann, zu berichtigen. Dabei kann die so entstehende Gewinnerhöhung gleichmäßig auf das Erstjahr und die vier folgenden verteilt werden. Hinsichtlich der zum Privatvermögen des Nicht-Eigentümer-Ehegatten gehörenden Grundstückshälfte kann ggf. § 23 EStG (steuerpflichtiges „privates Veräußerungsgeschäft“) zur Anwendung kommen, wenn das Grundstück innerhalb der zehnjährigen Veräußerungsfrist veräußert würde. |
Ehegatten sind gemeinschaftlich Eigentümer des Grundstücks (und damit auch des Gebäudes) | Der Große Senat des BFHs unterstellt nach bisheriger Rechtslage bei zusammen veranlagten Eheleuten eine den Eigentumsverhältnissen entsprechende Kostentragung der grundstücksorientierten Aufwendungen. Dem Praxisinhaber sind in Höhe seines Miteigentumsanteils betriebliche Aufwendungen zuzuordnen, die darüber hinaus vorrangig der Praxis zugerechnet werden. Das Grundstück stellt in Höhe des Miteigentumsanteils Betriebsvermögen dar. In Höhe des übersteigenden Anteils liegt ein Nutzungsrecht vor. Die nutzungsorientierten Aufwendungen sind in voller Höhe Betriebsausgaben, sofern sie vom Praxisinhaber oder den Ehegatten gemeinschaftlich getragen werden. (Siehe vorstehend). Auch in dieser Fallkonstellation ist die vorstehend beschriebene Rechtsprechung des BFHs zu beachten, nach der ohne abweichende vertragliche Vereinbarungen kein „Quasi-Wirtschaftsgut“ des Unternehmer-Ehegatten hinsichtlich des ihm nicht gehörenden Grundstücks- und Gebäudeteils anzunehmen ist. Unklar war, ob auch von einem Freiberufler getragene Finanzierungskosten für die Finanzierung einer dem Ehepartner gehörenden Immobilie, welche der Freiberufler zu eigenen steuerlich relevanten Zwecken nutzt, als Betriebsausgaben anerkannt werden. Das Finanzgericht Düsseldorf hatte dies bejaht (Urteil vom 12.2.2014, 7 K 407/13E). Hierbei störte die Richter nicht, dass der Eigentümer-Ehegatte das Darlehen alleine aufgenommen hatte. Ausschlaggebend war hierbei nur, dass der Freiberufler die Aufwendungen im Interesse seiner eigenen Praxis getragen hat. Über die vom Finanzamt gegen das Urteil eingelegte Revision hat der BFH mit Urteil vom 21.2.2017 (VIII R 10/14, DStR 2017, S. 1.252) die Auffassung der Vorinstanz abgelehnt und entschieden, dass die Zahlungen vom Oder-Konto auch nicht als Drittaufwand zugerechnet werden konnten und damit an seine bisherige Rechtsprechung angeknüpft. |
Kommentar:
„Mehr Infos zu allen Fragen rund um das Management einer Arzt- oder Zahnarztpraxis finden Sie in der Publikation „Praxiswissen“ unter PUBLIKATIONEN: Der Anspruch dieses XXL-Werkes ist es, zu allen Fragen rund um das Management einer Arzt- oder Zahnarztpraxis eine fundierte Hilfestellung zu bieten.
Neben der Publikation „Praxiswissen“ finden Sie in unserem digitalen Wissensportal Gesundheitsmarktwissen zahlreiche weitere fachgruppenspezifische Marktstudien und Publikationen mit vielen wirtschaftlichen Daten, die keine Managementfragen für die Heilberufe und deren Beratung offenlassen.“