Die Stimmung unter niedergelassenen Ärzten und Psychotherapeuten in Deutschland hat einen bedenklichen Tiefpunkt erreicht, wie aus einer aktuellen Studie des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) hervorgeht. Während im Jahr 2019 nur 30% der Befragten unzufrieden mit ihrer beruflichen Situation waren, stieg dieser Wert in den folgenden Jahren kontinuierlich an. Zu Beginn dieses Jahres bezeichneten bereits mehr als die Hälfte der Befragten (55%) ihre berufliche Lage als “schlecht” oder “sehr schlecht”.
Fachgebiete im Vergleich: Divergierende Meinungen zur Berufsausübung
Auffällig ist, dass die Praxisinhaber in den Fachbereichen der Psychotherapie sowie der Psychosomatischen Medizin und Psychotherapie ihre Lage vergleichsweise positiver beurteilen. Nur 37% der Befragten aus diesen Fachrichtungen beschreiben ihre Situation in der Niederlassung als “schlecht” oder “sehr schlecht”. Im Gegensatz dazu verzeichnen die Fachgebiete der Gynäkologie und Orthopädie besonders hohe Unzufriedenheitsraten. In beiden Bereichen geben jeweils über 70% der Praxisinhaber eine negative Bewertung zu ihrer Lage in der Niederlassung ab. Auch im größten Fachgebiet, der hausärztlichen Allgemeinmedizin und Inneren Medizin, zeigt sich eine alarmierende Entwicklung – 60% schätzen ihre berufliche Situation als “schlecht” bis “sehr schlecht” ein.
Herausforderungen für die Zukunft der medizinischen Versorgung
Dr. Dominik von Stillfried, Vorstandsvorsitzender des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi), äußerte tiefe Besorgnis über die schlechte Stimmungslage in deutschen Arzt- und Psychotherapiepraxen. Über 50% der Befragten bewerten die Rahmenbedingungen negativ. Dabei empfinden die Praxen den Kostendruck, die Bürokratie und die mangelnde Anerkennung seitens der Politik als belastend. Dies könnte langfristig zur Schließung von Arztpraxen führen und die medizinische Versorgung gefährden. Schon heute finden Praxen immer seltener einen Nachfolger – bereits 6.000 Arztsitze sind deutschlandweit unbesetzt. Der anstehende Generationswechsel in den Praxen verschärft die Lage zusätzlich.
Kommentar:
Das Zi führt die Unzufriedenheit der Niedergelassenen unter anderem auf die chronische Unterfinanzierung der ambulanten ärztlichen Versorgung in Deutschland zurück. Derzeit besteht laut Zi eine Finanzierungslücke von 1,8 Mrd. Euro. Dies steht im starken Kontrast zur Entwicklung der Gesamtausgaben im Gesundheitswesen bzw. jener für den stationären Bereich. Im ersten Quartal 2023 erhöhten sich die Ausgaben der Krankenkassen für ärztliche und psychotherapeutische Behandlungen lediglich um 1,6%, während die Kosten für Krankenhäuser um 7,7% anstiegen. Oft wird übersehen, dass ambulante Praxen das Fundament der ärztlichen Versorgung bilden. Eine Schließung von weiteren Arztpraxen führt zu erheblichen Lücken im deutschen Gesundheitssystem.
Quelle: Zi – Zi-Stimmungsbarometer zeigt wachsende Unzufriedenheit in Vertragsarzt- und Psychotherapiepraxen