Die ersten beiden Teile der Newsreihe zu bedeutenden Playern in der Apothekenlandschaft widmen sich dem Versandhandel mit Medikamenten. In Teil 1 geht es um Hintergründe und Entwicklungen generell, Teil 4 listet die größten Online-Händler mit entsprechenden Details, wer hinter den Playern steckt.
Versandhändler sind bislang ‚nur‘ in der Selbstmedikation stark
Seit 2004 ist der Versandhandel für Arzneimittel (wie auch die Einrichtung von sog. Pick-up-Stellen z.B. in Drogeriemärkten) hierzulande erlaubt, gleichzeitig wurden damals im Rahmen der Arzneimittelpreisverordnung die Preise für Over-the-Counter (OTC) Präparate freigegeben; seither übernehmen die Krankenkassen deren Kosten allenfalls auf freiwilliger Basis. Kurzum: Wettbewerbsintensive Margenkämpfe finden insbesondere in diesem OTC- bzw. Selbstzahlerbereich statt, denn für die verschreibungspflichtigen Arzneien (Rx) sieht der Gesetzgeber rechtlich vorgegebene Preise sowie eine fixe Vergütung vor – mit entsprechend reduziertem unternehmerischen Handlungsspielraum.
Daher konkurrieren Versandapotheken bislang stärker mit sich selbst sowie mit dem Mass-Market (Drogeriemärkte und Co.) als mit den stationären Apotheken; während letztere nahezu neun von zehn Euro mit verordneten Medikamenten erlösen, ist es beim Versandhandel bis dato genau umgekehrt: Nur 1% ihrer Umsätze entfielen 2023 auf den Rx-Bereich.
Vorreiterrolle Deutschland: Online-Apotheken haben sich etabliert
Während in anderen Bereichen des Gesundheitswesens Deutschland bei der Digitalisierung hinterherhinkt, hat sich der Online-Handel mit Medikamenten hierzulande längst etabliert – sowohl im Markt als auch bei der Versorgung von PatientInnen aller Altersgruppen.
Neben Deutschland ist der Versand von Rx-Arzneien bislang nur in Dänemark, Estland, Finnland, Malta, den Niederlanden und Schweden erlaubt – d.h. in 19 von 27 Ländern der EU ist es bislang nicht möglich, Arzneien per Klick nach Hause geliefert zu bekommen. Eine neue, im Herbst 2024 gegründete länderübergreifende Initiative – onHOME Alliance (Order and Home Delivery of Medicine) – will sich für die Legitimierung des Arzneiversandes europaweit engagieren. Entsprechend werden sich die Versandhändler in Position bringen, denn die Erfahrungen sowie logistische und sonstige Voraussetzungen der bereits bestehenden Anbieter verschaffen ihnen wichtige Wettbewerbsvorteile in neuen Märkten.
Versandhandel agiert strategisch und ist oft defizitär
Der Markteintritt als Versandhändler von (nicht freiverkäuflichen) Arzneimitteln kann in Deutschland nur auf Basis einer stationären Apotheke erfolgen. Der Versand von Rx-Arzneien aus dem Ausland wiederum ist nur von Anbietern mit dem EU-Versandhandelslogo aus o.g. Ländern möglich.
Aktuell besitzen knapp 3.200 Apotheken hierzulande eine Versandhandelserlaubnis, aber nur ca. 150 haben entsprechende Strukturen für ihr Versandgeschäft geschaffen (professioneller Webshop und Listing bei Preissuchmaschinen). Das Gros der Umsätze wird dabei von ca. 10 Playern bzw. Gruppen erwirtschaftet (siehe hierzu Teil 2 der Newsreihe), die enorm in die Sicherung von Marktanteilen investieren und daher häufig Verluste schreiben.
Der Versandhandel muss aufgrund seiner ungleich höheren Kostenstrukturen z.B. für Lager, Logistik, Mitarbeiter, Callcenter etc. mehr Umsatz generieren, um rentabel zu sein. Auch im Versand muss das Vollsortiment angeboten werden, was mit entsprechenden Lager- und Logistikvoraussetzungen verbunden ist. Allerdings leistet der Versandhandel bei sonstigen Leistungen, wie Nacht- und Notdienstversorgung, Herstellung von Rezepturen sowie bei Spezialarzneien, z.B. kühlpflichtige Medikamente, einen im Vergleich zu den Vor-Ort-Apotheken geringeren Beitrag für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Während früher insbesondere aggressive Preismodelle im Vordergrund standen – mit den entsprechenden Listings auf Preissuchmaschinen und Preisvergleichsportalen – kommen immer weitere Services in Konkurrenz zu den Vor-Ort-Apotheken hinzu (z.B. Express-Lieferungen, Online-Beratungsangebote, Gratiszugaben, Wertgutscheine, Bonusmodelle, Digitales Marketing, Newsletter etc.). Zentral sind weiterhin auch die Lieferservices (Schnelligkeit).
Große Marktmacht der Versandhändler beim Einkauf/Direktbezug
Aufgrund ihrer Einkaufsmenge bestellen Versandapotheken häufig direkt beim Hersteller (nicht nur bei Eigenmarken), d.h. der Großhandel entfällt und die Hersteller müssen entsprechende Zugeständnisse bei den Gewinnmargen machen. Die Marktmacht der Online-Apotheke liegt nicht nur in der Einkaufsmenge, sondern auch darin begründet, dass der digitale Zugang zum Kunden über einen Shop gehen muss, den der Hersteller selbst normalerweise nicht hat. Versandhändler definieren Preis, Produktplatzierung im Internet, realisieren digitale Kampagnen etc. Das Gleiche gilt auch für Amazon. Hersteller kommen nicht umhin, auf den entsprechenden Plattformen gelistet zu sein und wollen mit ihren Produkten in allen großen Versandapotheken vertreten sein.
Im Gegensatz zum Vor-Ort-Apotheker hat somit der Versandhändler eine größere Marktmacht bei den Herstellern. Andererseits führt das dazu, dass für Pharmahersteller wie auch den Großhändler der Vor-Ort-Apotheker wieder attraktiv/er wird, denn dort können digitale Angebote vonseiten der Pharmaindustrie bzw. Grossisten initiiert und finanziert werden. Der einzelne Apotheker behält seine Unabhängigkeit und wird bei den digitalen Aktivitäten unterstützt, z.B. mit (digitalen) Couponing-Aktionen, Plattformen etc.
Ausblick: Versandhandel weiterhin stark wachsend, bei steigendem Rx-Anteil
Der Apotheken-Versandhandel ist 2024 erneut stark gewachsen, allein im OTC-Bereich um mehr als 11% (verglichen mit 2,4% im Offizin). Damit wächst der Marktanteil online im OTC-Markt auf ein Viertel. (Quelle: OTC-Update 01/2025 von Sempora)
Der Marktanteil von Online-Apotheken im Rx-Segment stagnierte 2023 bei 1% mit einem Umsatz in Höhe von 412 Mio. Euro – 2020 waren es sowohl absolut (458 Mio.) als auch relativ (1,2%) mehr. Hintergrund ist, dass die ausländischen, den Versandhandelsmarkt dominierenden Anbieter seit Inkrafttreten des VSOG im Dezember 2020 keine Rabatte mehr auf Rx-Arzneien gewähren dürfen. Zudem ermöglichen die Vor-Ort-Apotheken mit ihren Botendiensten, die seit April 2020 (zumindest in Teilen) von den GKVen vergütet werden, eine schnellere Lieferung als die Versandapotheke.
Mit dem eRezept, das zum Jahresanfang 2024 verpflichtend für Rx-Arzneien eingeführt wurde, wird mittelfristig mit einer Erhöhung der Rx-Marktanteile gerechnet, da das eRezept einfacher auch online genutzt bzw. eingelöst werden kann. Dabei konnten die Versandhändler erst seit Mai 2024 mit der Einführung des Card-Link-Verfahrens voll-digital davon profitieren und mussten daher auch im ersten Quartal verlorene Kunden wieder zurückgewinnen; erste Zahlen weisen jedoch darauf hin, dass sie danach bereits kräftig aufholen konnten, insbesondere im letzten Quartal hatten DocMorris sowie Shop-Apotheke und Co. starke Wachstumszahlen im Rx-Bereich zu verbuchen. Mehr dazu in Teil 2 dieser Newsserie.
Kommentar:
Die aktuelle Newsreihe widmet sich bedeutenden Playern und Entwicklungen im Apothekenmarkt:
TEIL 1: Das Online-Geschäft mit Arzneimitteln – Hintergründe und Wissenswertes
TEIL 2: Ausländische Unternehmen dominieren den Versandhandel mit Arzneimitteln in Deutschland
TEIL 3: Einzelhändler hoffen auf Zusatzgeschäft mit Arzneimitteln – amerikanische Drugstores auch bei uns?
TEIL 4: Apothekenkooperationen & Apothekenplattformen – wer steckt dahinter?
TEIL 5: Sonstige Player – steigt Amazon in den Apothekenmarkt ein?
Quellen:
- ABDA z.B. Faktenblatt Versandhandel (Stand: September 2024)
- BVDVA – Bundesverband der Versandapotheken
- Insight Health: OTC-Apothekenmarktentwicklung Stand 10/2024
- IQVIA: Marktbericht Classic – Entwicklung des deutschen Pharmamarktes im 3. Quartal 2024
- OnHome Alliance – Launches to Champion Online Access to Prescription Medicines Across the EU
- SEMPORA Management Consulting