Anhaltender Trend zur Konsolidierung bei Online-Apotheken
Da seit 2004 der Online-Vertrieb mit Medikamenten gesetzlich erlaubt ist und eine Vielzahl von Anbietern den Markteintritt wagten, hat sich das Wettbewerbsumfeld stark verändert: Übernahmen und Zukäufe führten dazu, dass mittlerweile einige Gruppen / große Player den Markt dominieren (siehe Abb.). Für Vor-Ort-Apotheken hingegen gelten auch weiterhin vergleichsweise kleinteilige Strukturen – insbesondere als Folge des (eingeschränkten) Mehr- und Fremdbesitzverbots. Online-Apotheken sind daher ungleich größere Betriebe, die als Gruppe agierend und mehrere Versandapotheken betreibend, dreistellige Millionen-Euro-Beträge erlösen können. Die fünf umsatzstärksten der in der Abbildung gelisteten Versandapotheken finden sich auch im aktuellen Ranking der Top 100 Onlinehändler Deutschlands 2024 (EHI Retail Institute mit Umsätzen aus 2023) wieder. Die Shop-Apotheke belegt Platz 10 auf dieser Liste, DocMorris Platz 15, was verdeutlicht, dass Versandhändler in einem anderen (Wettbewerbs-)Umfeld agieren als die Vor-Ort-Apotheke.
Versandapotheke | Rang 2023 | Umsatz netto Deutschland 2023 |
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Doc Morris AG, Schweiz | docmorris.de | 2 | 550 Mio. € |
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medpex.de | 5 | 210 Mio. € |
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apotal.de | 6 | 170 Mio. € |
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zurrose.de | 12 | 30 Mio. € |
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Redcare Pharmacy N.V., Niederlande | shop-apotheke.de | 1 | 910 Mio. € |
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Medikamente-per-Klick Group (Luitpold Apotheke) | medikamente-per-klick.de | 3 | 270 Mio. € |
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mediherz.de | ||||
Apo.com Group GmbH (ehemals Apologistics) | apo.com | 4 | 260 Mio. € |
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apodiscounter.de | ||||
Marol Group | aponeo.de | 7 | 110 Mio. € |
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meine-onlineapo.de | 14 | 15 Mio. € |
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delmed.de | 15 | 10 Mio. € |
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pharmeo.de | 15 | 10 Mio. € |
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Sanicare Group | sanicare.de | 8 | 85 Mio. € |
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volksversand.de | 9 | 70 Mio.€ |
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mycare.de | 10 | 60 Mio. € |
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besamex.de | 11 | 40 Mio. € |
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Douglas | disapo.de | 12 | 30 Mio. € |
Quelle: Sempora Consulting GmbH
DocMorris & Shop-Apotheke sind die Platzhirsche beim Medikamentenversand
Dominiert wird der hiesige Markt von der Schweizer DocMorris Gruppe (Umsatz 2024: 1,09 Mrd. Schweizer Franken; plus 6,7% im Vergleich zum Vorjahr), sowie der Shop-Apotheke, hinter der die niederländische Mutter Redcare Pharmacy steht (Konzernumsatz 2024: 2,37 Mrd. Euro; plus 32% gegenüber 2023). Beide Unternehmen sind börsennotiert, für beide Unternehmen ist Deutschland der bedeutendste Markt, in beiden Fällen wird das deutsche Geschäft (insbesondere) aus den Niederlanden heraus betrieben, beide erziel(t)en ihr Marktwachstum auch über Zukäufe, indem bestehende deutsche Versandapotheken übernommen werden, und beide schreiben bis dato Verluste. Gemeinsam erlösen sie zwei Drittel des Umsatzes der in der Abbildung gelisteten größten Versandhändler und es ist davon auszugehen, dass ihr Anteil sich auch weiterhin erhöhen wird.
- Die DocMorris AG ist in der Schweiz börsennotiert, mit über 1 Mrd. Schweizer Franken werden jedoch 94% des Konzernumsatzes in Deutschland erwirtschaftet, Hauptumsatzträger ist die namensgebende DocMorris Online-Apotheke, einige zugekaufte Versandhändler werden unter altem Namen fortgeführt (medpex, apotal). Zur Gruppe gehört seit 2020 auch der Videosprechstundenanbieter TeleClinic aus München.DocMorris wurde im Jahre 2000 von zwei Apothekern in den Niederlanden gegründet, sieben Jahre später für 220 Mio. Euro an den Pharmagroßhändler Celesio verkauft, ehe 2012 die Schweizer Zur Rose-Gruppe DocMorris für 25 Mio. Euro übernahm. Die Geschichte von Zur Rose wiederum begann 1993 in der Schweiz als eine Gründung von Ärzten und einem Apotheker. Zunächst ging es um die Belieferung von Ärzten mit Arzneimitteln, es folgte der Einstieg in die Pharmaherstellung, die Belieferung von Patienten, die Expansion in andere europäische Märkte und die Realisierung weiterer (digitaler) Versorgungsmodelle. Die Umfirmierung von Zur Rose in DocMorris erfolgte 2023, nachdem das Schweizer Geschäft an Migros verkauft wurde.DocMorris gilt als ‚enfant terrible‘ in der deutschen Apothekenlandschaft, unzählige Gerichtsverfahren – rund um Abgabeautomaten, Fremdbesitzverbot, Skonti etc. – waren und sind die Folge. Auch im Februar 2025 beschäftigten sich sowohl der Europäische Gerichtshof wie auch der BGH mit der Causa DocMorris.
- Die ebenfalls börsennotierte Redcare Pharmacy aus den Niederlanden setzt im Gegensatz zu DocMorris auf eine Einmarkenstrategie: Zugekaufte Versandhändler werden unter dem Dach der Shop-Apotheke integriert. Sie führt damit seit Jahren die Liste der größten Onlinehändler für Medikamente hierzulande an und konnte auch 2024 überproportional – und zwar viel stärker als DocMorris – wachsen; nicht zuletzt dank des Werbegesichts Günther Jauch. Zum Jahresende 2024 zählte der Konzern gemäß eigenen Angaben fast 100.000 Auslieferungen pro Tag bei 12,5 Mio. aktiven Kunden und Kundinnen, bei DocMorris sind es gemäß Website mehr als 10 Mio.Die Wurzeln der Shop-Apotheke liegen im Rheinland, gegründet 2001 als Online-Shop eines Apothekers für Kosmetikprodukte. Die niederländische Europa Apotheek hat dann Ende 2009 die Shop-Apotheke übernommen und deren Sitz in die Niederlande verlegt. Es folgte der Börsengang 2016. Gründer der Europa Apotheek wie auch der Shop-Apotheke waren lange Jahre im Vorstand bzw. Aufsichtsrat der Shop-Apotheke (bzw. Redcare Pharmacy; die Umfirmierung erfolgte 2023) aktiv und hielten z.T. auch bedeutende Aktienpakete.
Finanzinvestoren mischen bei den Online-Apotheken mit
Unter dem ehemaligen Namen ‚Apologistics‘ hat die in 2021 umfirmierte Apo.com Gruppe in den vergangenen Jahren zahlreiche Online-Apotheken aufgekauft. Über eine gleichnamige Gesundheitsplattform sollen innovative digitale Services, u.a. KI-gestützte Beratungen, telemedizinische Services etc. angeboten werden.
Die Umsätze der Apo.com Group lagen in 2024 bei 342 Mio. Euro, das entspricht einem starken Plus in Höhe von 17%. Laut Unternehmensangaben belegt Apo.com damit Platz drei unter den Online-Apothekengruppen und hat damit in 2024 einen Platz aufgeholt (vgl. Abb.). Mehrheitseigentümer ist die THI Investment (Tobias Hagenmeyer), ein Family Office aus dem Ländle. Familie Hagenmeyer hat ihr Unternehmen Getrag, einen Getriebehersteller, 2015 für 1,75 Mrd. Euro an den Magna-Konzern verkauft und ist seither im Private-Equity-Bereich tätig.
Das Gros der Umsätze generiert die Apo.com Gruppe mit ihren neun Online-Apotheken, die alle in den Niederlanden ihren Sitz haben (APO Pharmacy B.V.). Das Geschäft erfolgt über zwei Hauptmarken:
- Die Apodiscounter Apotheke, die ursprünglich 2004 von der Apothekerfamilie Fritsch in Leipzig gegründet wurde, wo immer noch ein großes Logistikzentrum der Gruppe beheimatet ist. Um die (internationale) Expansion, logistische und technologische Automatisierung voranzutreiben und dafür externe Kapitalgeber zu gewinnen, wurde 2007 die Apologistics GmbH gegründet. Damit holten sich die Apotheker sukzessive frisches Geld zum Ausbau der (internationalen) Geschäftsaktivitäten, bis schließlich THI 2018 die Mehrheit übernahm.
- Mit dem Kapital wurden u.a. bestehende Online-Versender und Domains (de, apolux.de, versandapo.de, apotheke.de und DeutscheInternetApotheke.de) gekauft; zusammen mit den beiden internationalen Versendern apodiscounter.pl in Polen und apotheke.at in Österreich bilden sie die zweite Hauptmarke, apo.com.
Auch hinter der nächsten größeren Gruppe verbirgt sich mit Marcol ein, in diesem Fall britischer, Finanzinvestor. Dieser hat sich indirekt bereits vor zehn Jahren (2015) an Aponeo bzw. einem Dienstleister der Aponeo-Gruppe beteiligt. Aponeo wiederum hat sukzessive andere Onlinehändler übernommen, wie meine-onlineapo.de oder pharmeo.de. Die Delmed Versandapotheke wiederum wurde 2021 direkt von der Marcol Gruppe erworben, die den Betrieb dann in die Niederlande verlagerte (Atida Plus B.V.). Unter dem Namen Atida sollen Eigenmarken vertrieben und ein europaweites Netzwerk von Versandapotheken ausgebaut werden. Zur Gruppe gehört auch die Digital-Health-Gesundheitsplattform HealthHero mit dem Telemedizin-Anbieter fernarzt.de, welcher 2020 von Marcol mehrheitlich übernommen wurde.
Online-Apotheken mit Sitz in Deutschland – mittlerweile die Ausnahme
Eine Ausnahme unter den größten Playern, weil immer noch in deutscher Apothekerhand und mit hiesigem Hauptsitz, bildet Medikamente per Klick bzw. die dahinterstehende Luitpold Apotheke, Bad Steben, die vor zehn Jahren auch die mediherz.de übernommen hat.
Nur mehr drei weitere der in der Abbildung gelisteten Versandapotheken sitzen und betreiben ihr Geschäft in Deutschland, d.h. sie haben damit keine Finanzinvestoren im Rücken: Sanicare, Mycare und Besamex – alle drei erzielen jedoch Umsätze unter der 100 Mio. Euro-Marke (bezogen auf das Jahr 2023).
Die Volksversandapotheke ist in der Tschechischen Republik beheimatet und das Warenlager der – von Douglas übernommenen – disapo sitzt wie bei so vielen oben genannten Mitbewerbern in Holland.
Lesen Sie in unserem Kommentar, warum das Ausland interessanter für Versandapotheken ist.
Kommentar:
Das liegt insbesondere an folgenden Faktoren:
- In den Niederlanden ist der Versandhandel mit Arzneimitteln bereits seit 2000 möglich; damals wurde z.B. DocMorris gegründet. Die Unternehmen haben somit einen ‚zeitlichen‘ Erfahrungsvorteil, bereits entsprechende Shops, Logistik- und Lagerkapazitäten aufgebaut und können auf entsprechende Prozesse zurückgreifen. Die in der Abbildung genannten Versandhändler werden künftig die gleichen Vorteile in jenen Ländern haben, in denen bislang noch kein Online-Vertrieb von Medikamenten möglich ist.
Daneben wirken jedoch insbesondere andere rechtliche Voraussetzungen begünstigend: - Das deutsche Fremdbesitzverbot gibt es in den Niederlanden seit 2007 nicht mehr, damit können berufsfremde Finanzinvestoren über eine niederländische Apotheke mit Versandhandelsgenehmigung das deutsche Fremdbesitzverbot quasi ‚umgehen‘ oder Aktiengesellschaften (mit Streubesitz) für Kapitalzufluss sorgen.
- Laut dem deutschen Apothekengesetz muss der Apotheker für sein Handeln voll haftbar sein, d.h. die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft ist bei uns im Gegensatz zu anderen Ländern nicht möglich.
- Zudem bedarf es keiner Präsenzapotheke für den Betrieb einer Versandapotheke und auch andere rechtliche Voraussetzungen sind weniger streng: z.B. hinsichtlich der Zustellung von Arzneien, dem Transport oder der Lagerung.
- Zu diesen rechtlichen Aspekten kommen auch steuerliche Vorteile (z.B. geringere Steuern auf Unternehmensgewinne, keine Gewerbesteuer in Holland).
Es verwundert daher nicht, dass es Initiativen gibt, die für eine Angleichung der Regelungen in der EU plädieren und sich dabei auf Wettbewerbsverzerrungen beziehen – gleichzeitig gibt es Liberalisierungstendenzen auf EU-Ebene und ein neuer Interessenverband setzt sich für eine EU-weite Erlaubnis des Online-Vertriebs von Arzneimitteln ein.
Dies war Teil 2 der Newsreihe zu Playern und Entwicklungen im Apothekenmarkt. Weitere News sind:
TEIL 1: Das Online-Geschäft mit Arzneimitteln – Hintergründe und Wissenswertes (siehe News vom 5.2.2025)
TEIL 2: Ausländische Unternehmen dominieren den Versandhandel mit Arzneimitteln in Deutschland
TEIL 3: Einzelhändler hoffen auf Zusatzgeschäft mit Arzneimitteln – amerikanische Drugstores auch bei uns?
TEIL 4: Apothekenkooperationen & Apothekenplattformen – wer steckt dahinter?
TEIL 5: Sonstige Player – steigt Amazon in den Apothekenmarkt ein?
Quellen:
- Sempora – SEMPORA Top Online Apotheken 2024
- EHI Retail Institute – Studie: E-Commerce-Markt Deutschland 2024
- jeweilige Firmenwebsites sowie dortige Pressemeldungen
- ABDA
- Wirtschaftswoche – Der Krampf mit DocMorris ist zu Ende
- Handelsblatt – Neue Markennamen, neue Investments
- apotheke adhoc – Marcol kauft Delmed, zieht nach Venlo
- Deutsche Apotheker Zeitung – Aponeo-Investor Marcol übernimmt Fernarzt.com