TEIL 4: Apothekenkooperationen & Apothekenplattformen – wer steckt dahinter?

TEIL 4: Apothekenkooperationen & Apothekenplattformen - wer steckt dahinter?

Apothekensysteme als Antwort auf die ungleich größeren Versandapotheken

Sonstige Einzelhändler, Versandapotheken und auch Amazon erzielen ihre Umsätze (bis dato) im OTC-Segment, während der Kernmarkt der inhabergeführten Apotheke der Rx-Bereich ist. Und auch diese wollen Größenvorteile, professionelle Marketingkonzepte sowie digitale Angebote nutzen. Daher sind viele Vor-Ort-Apotheken Teil bzw. Mitglied sogenannter Apothekensysteme. Dabei handelt es sich neben Franchisestrukturen (wie AVIE oder Easy, siehe hierzu Teil 1 der Newsreihe) insbesondere um Apothekenkooperationen, bei denen der Erhalt der Selbstständigkeit des Apothekers im Vordergrund steht.

Das Gros der Apotheken hat sich einer oder mehreren Marketing-/Einkaufskooperationen bzw. Apothekengenossenschaften angeschlossen, wobei einige von ihnen auch Dachmarkenkonzepte anbieten, z.B. LINDA Apotheken, gesund leben, mea etc. Die Kooperation kann auf Genossenschaftsmodellen basieren, vom Großhandel, Arzneimittelimporteuren und/oder der Pharmaindustrie initiiert sein, einem regionalen Zusammenschluss von Apothekern folgen etc. Es gibt Verbünde mit (einigen) wenigen Mitgliedern in einer Region, einer spezifischen Versorgungsausrichtung oder viele große Gemeinschaften mit mehreren Tausend Mitgliedsapotheken (die bedeutendsten sind in der Tabelle gelistet). Gemeinsam ist den Kooperationen, dass sie Einkaufsaktivitäten bzw. andere Wertschöpfungsbereiche des Apothekers bündeln und damit professionalisieren z.B. Handelsmarken, Dachmarkenkonzepte, Weiterbildungsangebote; insbesondere die digitalen Services, gerade vor dem Hintergrund der Einführung des eRezepts, sind künftig zentral. Das heißt, die einzelne Vor-Ort-Apotheke muss nicht einen eigenen Webshop aufbauen oder in SEO bzw. Internet-Marketing investieren. Meist sind die Mitgliedschaften modulmäßig aufgebaut, d.h. je mehr Serviceangebote eine Apotheke nutzt, umso höher sind die Beiträge.

Die mitgliedsstärksten Apothekenkooperationen sind vom Großhandel initiiert

Hinter den mitgliedsstärksten Kooperationen stehen – bis auf den Verein MVDA – die Arzneimittelgroßhändler. Das sind zum einen die in Apothekerhand befindlichen Genossenschaften Noweda (9,9 Mrd. Euro) und Sanacorp (6,9 Mrd. Euro), zum anderen (Tochter-)Unternehmen internationaler Großkonzerne wie Phoenix (12,6 Mrd. Euro)* und Alliance Healthcare (10,3 Mrd. Euro)*.

Im Gegensatz zu einem nahezu unüberschaubaren Markt bei den Pharmaherstellern, ist der Großhandel oligopolistisch geprägt: Diese vier Betriebe nehmen eine marktbeherrschende Stellung ein, der fünfte im Bunde der vollversorgenden Pharmagroßhändler ist (mit jedoch wesentlich geringeren Umsätzen in Höhe von ca. 2 Mrd. Euro)* die Pharma Privat GmbH, hinter der sich ein Zusammenschluss inhabergeführter (deutscher) Großhändler verbirgt.

*Umsätze jeweils nur bezogen auf das Deutschlandgeschäft (kursiv Schätzung von Rebmann Research)

Abb.: Bedeutendste Apothekenkooperationen

Bedeutendste Apothekenkooperationen

Die weiteren in der Abbildung gelisteten Apothekenkooperationen kommen auf entsprechend kleinere Umsätze, denn hier zählt (zum Teil) nur die Kooperationseinnahme als Umsatz, während bei den Großhändlern die Gesamtumsätze der an die Apotheken weitergegebenen Arzneien einfließen (nur ein kleiner Teil der Medikamente beziehen die Apotheken direkt vom Hersteller, der Rest kommt vom pharmazeutischen Großhandel).

Der MVDA e.V. beispielsweise erzielt mit seinen (Dachmarken-)Apotheken im Rahmen der LINDA AG 11,6 Mio. Euro im letzten Geschäftsjahr (2023/2024). Für die anderen (kleineren) Kooperationen sind keine Umsätze bekannt bzw. müssen nicht veröffentlicht werden und sind auch nur begrenzt vergleichbar.

Digitalisierung und Plattformkonzepte machen Apothekenkooperationen attraktiv und unverzichtbar

Mit (günstigeren) Einkaufskonditionen oder Dachmarkenkonzepten haben sich Apothekenkooperationen für Apotheken nahezu unentbehrlich gemacht bzw. deren Leistungen ermöglichen es inhabergeführten Apotheken im Wettbewerb – z.B. mit den ungleich größeren Versandapotheken – zu bestehen. Mindestens ebenso wichtig für die einzelnen an Kooperationen teilnehmenden Apotheken ist mittlerweile das Angebotsspektrum rund um die ‚digitale Apotheke‘. Das betrifft einerseits einzelne digitale Angebote und Module (von Online-Trainings, Abrechnungstools über digitales ApothekenTV für das Schaufenster bis hin zu Apps und Social-Media-Themen), andererseits geht es um die (übergeordneten) digitalen Plattformen, die auch im Apothekenbereich immer wichtiger werden.

Plattformökonomie auch in der Apothekenbranche

Solche Plattformen sind eine ‚relativ‘ neue Entwicklung im Apothekenmarkt, wobei die Plattformen nicht nur auf die Apothekenthemen fokussieren, sondern generischer (und langfristig) auf ‚digitale Gesundheitsthemen‘ ausgelegt sind: Digitale Gesundheitsplattformen sollen sog. ‚Patientenjourneys‘ bespielen und auf diesen Reisen sind Arzneimittel, Medikationspläne, eRezept und Gesundheitsprodukte nur ein Baustein von Weiteren. Auch für Apotheken- bzw. genereller gesagt Gesundheitsplattformen werden dabei einige Gesetzmäßigkeiten der ‚Plattformökonomie‘ zur Anwendung kommen, die man bereits aus anderen Branchen kennt: Es gilt schnell zu sein, um sich frühzeitig Marktanteile zu sichern, es bedarf umfassender (Marketing-)Investitionen, für den Start nimmt man dabei durchaus Verluste in Kauf, jeder (Große) will mitmischen, es wird wertschöpfungsübergreifend kooperiert, gleichzeitig treten Branchenfremde (mit Digitalexpertise) in den Markt und schließlich folgt die Konsolidierung im Markt, sprich es werden nur einige der Plattformen übrig bleiben etc. Daneben gelten die apothekenspezifischen Marktmechanismen: Die Versandapotheken fürchten sich vor Amazon & Co. und wollen sich entsprechend in Stellung bringen, während (die inhabergeführte Apotheke über) Apothekenkooperationen sich digital gegenüber den Online-Apotheken differenzieren möchten. So präsentiert/e sich auch der Start der Plattformen im Jahr 2020: Im Herbst kündigte Amazon an, mit ‚Amazon Pharmacy‘ einen eigenen Apothekendienst in den USA aufbauen zu wollen. Im Dezember 2020 ging mit DocMorris+ die (damalige) Marktplatzplattform des im deutschsprachigen Raum bedeutendsten Medikamentenversandhändlers an den Start; und noch vor Weihnachten genehmigte das Kartellamt den beiden verantwortlichen Playern, dem Pharmagroßhändler Phoenix sowie dem Apothekenabrechner Noventi (welcher seinerseits in Apothekenhänden ist), die Gründung der digitalen Gesundheitsplattform gesund.de. Zusammen mit weiteren Akteuren wie Online-Informationsdiensten, IT-Dienstleistern, Verlagen, Lagersystemanbietern etc. wollen die Plattformen vernetzte Angebote ermöglichen und für künftige Digitalservices gerüstet sein. Bereits vor den ‚Plattformen‘ gab es dabei Zusammenschlüsse sowie digitale Einzelkonzepte (z.B. Vorbestellwebpages; Click&Collect-Modelle für Apotheken) etc.

Drei (Apotheken-)Plattformen konnten sich bislang durchsetzen

Ein attraktiveres Angebot über alle Versorgungskanäle basiert dabei auf der Kombination mit den Kernkompetenzen der Vor-Ort-Apotheker (lokale Verfügbarkeit, Nähe zum Kunden, persönliche Beratung, Belieferung über deren Boten etc.). Patienten haben auf einer einheitlichen Benutzeroberfläche dann etwa die freie Auswahl, Medikamente gesendet zu bekommen, sie in der Vor-Ort-Apotheke ihrer Wahl zu bestellen oder diese liefern zu lassen – mit transparenten Preisen und der Wahl zwischen Online- und Vor-Ort-Beratung. Dabei sollen künftig auch weitere Partner aus dem Gesundheitssektor (z.B. Ärzte, Heilmittelerbringer etc.) und der Industrie mit den Kunden bzw. Patienten verknüpft werden. Folgende drei (Apotheken-)Plattformen (neben den reinen Online-Apotheken mit ihren Zusatzservices) haben insbesondere als Folge der entsprechenden eRezept-Apps bereits relevante Marktstellung bzw. Bekanntheitsgrad erlangt. Die ersten beiden werden vom pharmazeutischen Großhandel mit entsprechenden Kooperationspartnern vorangetrieben, die Dritte, GEDISA, ist in Hand der Apothekerschaft selbst bzw. deren Standesvertretern:

  • de: Dahinter steht als Mehrheitsgesellschafter mit knapp 64% der Großhändler Phoenix, während Co-Gründer Noventi nur mehr 17% und damit unwesentlich mehr Anteile hält als der Wort & Bild Verlag mit 16% (führender Anbieter von Gesundheitsmedien, u.a. Verleger der Apotheken-Umschau). Knapp 3% gehören BD Rowa (Arzneimittellogistik, z.B. Kommissionierautomaten; Teil des globalen Medizintechnikkonzerns Becton Dickinson; Umsatz 2024: 18 Mrd. $), aber auch Großhandels-Mitbewerber Sanacorp ist mit an Bord (jedoch mit einem äußerst kleinen Anteil von unter 1%). Mit dem MVDA, d.h. den LINDA Apotheken hat gesund.de seit 2021 einen weiteren Kooperationspartner aus der in der Abbildung gelisteten Gruppen. gesund.de agiert bislang insbesondere als Vermittler zwischen Vor-Ort-Apotheke und Kunde, ist Partner von PAYBACK, neuerdings sind auch Sanitätshäuser mit dabei.
  • Ein ähnliches Leistungsspektrum bietet der Zukunftspakt Apotheke mit der Plattform de, der entsprechenden App und der Apothekenzeitschrift my life an. Der Zukunftspakt Apotheke wurde 2018 von Noweda und dem Burda Verlag gegründet, im November 2019 ist PHARMA PRIVAT dem Bündnis beigetreten, 2021 folgte Sanacorp, und ist damit als einziger Großhändler auf beiden Marktplätzen vertreten. Das bereits 2019 gelaunchte Portal iA.de arbeitet mit Partnern wie z.B. der ADAC Medical App, ClickDoc, NetDoktor, Dermanostic (Telemedizin) zusammen. Auch AHD (mit Gehe) kooperiert neuerdings mit iA.de (bislang setzten sie nur auf die eigene Lösung), d.h. die Apothekenkunden des Großhändlers können künftig nicht nur das AHD-eigene Portal apotheke.com nutzen, sondern auch die gesund.de Infrastruktur.
  • GEDISA: Für die eigene App (apotheke.com) setzte Alliance Healthcare Deutschland wiederum auf die CardLink-Lösung von GEDISA. GEDISA wurde 2021 als Tochtergesellschaft von 16 Landesapothekerverbänden gegründet. Ziel ist die Entwicklung und der Betrieb digitaler Anwendungen im Apothekensektor.

 

Kommentar:

Gemäß eines Handelsblatt-Rankings nach aktiven Nutzerzahlen (bezogen auf das vierte Quartal 2024) sind die beiden Plattformen gesund.de wie auch IhreApotheken.de bereits unter den Top 10 der Online-Apotheken gerutscht:

  1. Shop Apotheke (fast 3 Mio. Nutzer)
  2. Doc Morris (knapp 900.000)
  3. Gematik-App (knapp 600.000)
  4. de (310.000)
    ….
    Ihreapotheken.de (70.000)

Während die beiden führenden Versandhändler bereits lange im Markt sind bzw. sich einen entsprechenden Bekanntheitsgrad (über OTCs) aufgebaut haben, ist es den anderen Playern insbesondere über die eRezept-App gelungen, entsprechende Userzahlen aufzubauen. Die entsprechende gesund.de App gibt es zwar bereits seit 2021, jedoch war das Geschäftsmodell von Anfang an insbesondere mit der Einführung des eRezepts verknüpft. Dabei erhalten die Plattformen nur dann Zugang zur Telematik-Infrastruktur, wenn sie ausnahmslos ALLE Apotheken im Bundesgebiet ‚diskriminierungsfrei‘ listen (sog. Makelverbot).

Die Einführung des eRezepts erfolgte zum Jahresanfang 2024, jedoch konnten Online-Apotheken und Plattformen erst über die entsprechende CardLink-Zulassung daran teilnehmen, diese ist für die Einlösung von eRezepten per Smartphone nötig. Der erste war im April DocMorris, Anfang Juni startete die Shop Apotheke, im Sommer war es bei gesund.de soweit, im Herbst dann auch für Ihreapotheken.de (in Kooperation mit GEDISA).

Siehe News vom 13.1.2021

Dies war Teil 4 der Newsreihe zu Playern und Entwicklungen im Apothekenmarkt. Weitere News sind:

TEIL 1:    Das Online-Geschäft mit Arzneimitteln – Hintergründe und Wissenswertes (Siehe News vom 5.2.2025)
TEIL 2:    Ausländische Unternehmen dominieren den Versandhandel mit Arzneimitteln in Deutschland (Siehe News vom 7.3.2025)
TEIL 3:    Einzelhändler hoffen auf Zusatzgeschäft mit Arzneimitteln – amerikanische Drugstores auch bei uns? (Siehe News vom 14.3.2025)
TEIL 4:    Apothekenkooperationen & Apothekenplattformen – wer steckt dahinter?
TEIL 5:    Sonstige Player – steigt Amazon in den Apothekenmarkt ein?

Quellen:

Petra Seisl
Autor Dr. Petra Seisl
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