TEIL 6: Der pharmazeutische Großhandel ist mehr als nur Zulieferer von Apotheken

TEIL 6: Der pharmazeutische Großhandel ist mehr als nur Zulieferer von Apotheken

Nur fünf Unternehmen bestimmen den (vollversorgenden) Apotheken-Großhandel hierzulande

Gemäß PHAGRO, dem Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels, beträgt der Umsatz des (vollversorgenden) pharmazeutischen Großhandels in Deutschland 42,5 Mrd. Euro (2024). Davon macht mit 85% das Rx-Segment das Gros der Erlöse aus. Der oligopolistische Markt teilt sich auf nur fünf Player auf (siehe Abbildung). Zwei sind Teil internationaler Konzerne (in Abbildung ‚blau‘), zwei sind apothekeneigene Genossenschaften (in Abbildung ‚rot‘) und hinter Pharma Privat (in Abbildung ‚grau‘) steht ein Zusammenschluss unabhängiger, inhabergeführter Großhändler.

Abbildung: Marktanteile des (vollversorgenden) pharmazeutischen Großhandels in Deutschland

Marktanteile des (vollversorgenden) pharmazeutischen Großhandels in Deutschland
(Quelle: REBMANN RESEARCH; z.T. basierend auf Schätzungen und eigenen Hochrechnungen)

Zwei internationale Großkonzerne dominieren den Markt

  1. Marktführer ist die Phoenix Deutschland mit einem Umsatz in Höhe von 13,1 Mrd. Euro (2024/2025; plus 4%). Der Konzernumsatz der PHOENIX group, die in 29 europäischen Ländern vertreten ist, betrug zuletzt 61,3 Mrd. Euro (Geschäftsjahr 2024/2025). Rund 18.000 Apotheken in 17 Ländern sind Mitglied in einem der Kooperations- und Partnerprogramme der PHOENIX group, 3.300 Apotheken gehören der Gruppe selbst. In Deutschland hat der Großhändler 9.400 Apothekenkunden.
    Hierzulande wollte Phoenix zuerst mit LivPlus, dann mit ‚deine Apotheke‘ eigene Apotheken-Dachmarkenkonzepte realisieren, scheiterte jedoch daran und überführte die Apps mittlerweile komplett in gesund.de.
  2. Alliance Healthcare Deutschland (AHD): Umsatz ca. 10,3 Mrd. Euro (Schätzung)
    Alliance Healthcare hat seine Marktstellung insbesondere durch die Verschmelzung mit dem (vormaligen Mitbewerber) GEHE Pharma Handel ausgebaut – mit gemeinsam 30 Niederlassungen deutschlandweit bieten sie das größte Filialnetz im Großhandel. Beide Marken haben weiterhin Bestand, ebenso wie die beiden Apotheken-Kooperationen Alphega sowie gesund leben Apotheken mit deren Eigenmarken Alvita und gesund leben. Vor dem Zusammenschluss (damals noch in Form eines Joint Ventures Ende 2020) ging man von Marktanteilen in Deutschland in Höhe von ca. 12% (von Gehe) sowie 17% (AHD; damals knapp 4 Mrd. Euro Umsatz) aus; seither werden keine Umsatzzahlen mehr für Deutschland bzw. den deutschen Großhandelsanteil veröffentlicht. Zu finden ist im letzten Geschäftsbericht nur der Hinweis, dass das Großhandelsgeschäft in Deutschland im letzten Geschäftsjahr um 5,6% (in lokaler Währung) gestiegen sei.

Die AHD ist Teil des Walgreens Boots Alliance Konzerns, dem – laut eigenen Angaben – größten apothekengeführten Gesundheits- und Wellnessunternehmen in den USA und Europa. Der Umsatz des WBA-Konzerns betrug zuletzt in 2023/2024 147,7 Mrd. $ und beschäftigt 312.000 Mitarbeitende. Das Gros des Umsatzes erlösen die US-Apothekenketten mit 116 Mrd. $. Das internationale Geschäft, zu dem neben der Apothekenkette Boots (UK, Irland, aber auch Mexiko und Thailand-Geschäft), wo auch augenoptische Produkte und DL angeboten werden, auch das Deutschlandgeschäft zählt, trägt zu 23,6 Mrd. $ (plus 6% gegenüber Vorjahr) bei.

Der Konzern steht unter finanziellem (Kosten-)Druck, der Börsenkurs des Konzerns ist in den letzten zehn Jahren massiv eingebrochen; laut Pressemeldungen soll der Finanzinvestor Sycamore Partners bis Ende 2025 alle WBA-Anteile übernehmen und den Konzern von der Börse nehmen. Walgreens selbst spricht von einem Transaktionsvolumen bis zu 23,7 Mrd. US-Dollar.

Zwei Genossenschaften in Apothekerhand bestimmen weitere 40% des Marktumsatzes

Dahinter folgen auf Platz drei und vier zwei Apothekengenossenschaften:

  1. Noweda: Umsatz 9,9 Mrd. Euro (2023/2024; plus 5%)
  2. Sanacorp: Umsatz 6,9 Mrd. Euro (2023; plus 6%)

Was im Trend Noweda im Norden ist, ist die Genossenschaft Sanacorp im Süden. Nahezu 9.400 Mitglieder, sprich Apotheken, zählt die Noweda (inkl. der Mitglieder in der Schweiz und in Luxemburg), bei Sanacorp sind es 7.400 deutschlandweit. Sanacorp betreibt im Gegensatz zu Noweda eine eigene Apotheken-Dachmarke (mea mit ca. 3.000 Apotheken).

Die Genossenschaften bieten optimierte Prozesse für Bestellung und Versand, attraktive Einkaufsvorteile und umfangreiche Marketingunterstützung zur Entlastung der Apotheken und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Die o.g. Platzhirsche bieten ähnliche Services im Rahmen ihrer Apothekenkooperationen an; also egal ob in Apothekerhand oder privatwirtschaftlich organisiert, gemein ist beiden, dass sie sich über den reinen Großhandel hinaus mit entsprechenden Serviceleistungen an den selbstständigen Apotheker wenden und diesen gerade auch in Hinblick auf die zusehends erstarkenden Online-Apotheken im Wettbewerb stärken. Das Mittel der Wahl sind vor dem Hintergrund der Digitalisierung neben entsprechenden IT-Tools über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg insbesondere auch die Apothekenplattformen wie gesund.de bzw. IhreApotheke.de (siehe hierzu auch TEIL 4).

Das gilt auch für:

  1. Pharma Privat: Umsatz 2 Mrd. Euro (Schätzung)

Die Pharma Privat GmbH ist ein seit 40 Jahren bestehender Zusammenschluss privater, inhabergeführter Familienunternehmen mit zum Teil regionalem Focus folgender Unternehmen:

  • Max Jenne Arzneimittel-Großhandlung KG
  • Richard KEHR GmbH & Co. KG
    mit den Tochterunternehmen Kehr Holdermann, Dessau & Kehr Berlin
  • Otto Geilenkirchen GmbH & Co. KG Pharma-Großhandel
  • Krieger & Co. Nachfolger GmbH & Co. KG

Kommentar:

Der pharmazeutische Großhandel ist trotz wachsenden Marktes mit seit Jahren sinkenden Margen konfrontiert – das liegt daran, dass der Gesetzgeber seine Marge deckelt, d.h. der variable Großhandelszuschlag für ein Arzneimittel ist bei 37,80 Euro gedeckelt – gleichzeitig steigen die Kosten (Personal, Energie, Belieferung etc.) und der Anteil der Hochpreiser wächst, woran der Großhandel jedoch aufgrund der Deckelung nicht mitverdient. Zudem sieht der aktuelle Koalitionsvertrag vor, dass wieder höhere Nachlässe gewährt werden dürfen (Aufhebung des sog. Skonto-Verbots) – das würde die Apotheken begünstigen, aber eben die Marge des Großhandels zusätzlich unter Druck setzen.

Hintergrundinfo: Die Großhandelsvergütung (für Rx-Arzneien) ist ähnlich wie die Apothekenvergütung gesetzlich geregelt und bemisst sich anhand eines Kombipreismodells, welches seit 2012 nicht angepasst wurde. Demnach bekommt der Großhandel:

  • einen variablen Anteil in Höhe von 3,15% auf den Abgabepreis des Herstellers, jedoch höchstens 37,80 Euro pro Packung
  • und zusätzlich einen Festzuschlag von 73 Cent je Packung.

Siehe News vom 13.1.2021

Dies war Teil 6 der Newsreihe zu Playern und Entwicklungen im Apothekenmarkt. Weitere News sind:

TEIL 1:    Das Online-Geschäft mit Arzneimitteln – Hintergründe und Wissenswertes (siehe News vom 5.2.2025)
TEIL 2:    Ausländische Unternehmen dominieren den Versandhandel mit Arzneimitteln in Deutschland (siehe News vom 7.3.2025)
TEIL 3:    Einzelhändler hoffen auf Zusatzgeschäft mit Arzneimitteln – amerikanische Drugstores auch bei uns? (siehe News vom 14.3.2025)
TEIL 4:    Apothekenkooperationen & Apothekenplattformen – wer steckt dahinter? (siehe News vom 17.4.2025)
TEIL 5:    Sonstige Player – steigt Amazon in den Apothekenmarkt ein? (siehe News vom 20.5.2025)
TEIL 6:    Der pharmazeutische Großhandel ist mehr als nur Zulieferer von Apotheken

Quellen:

Petra Seisl
Autor Dr. Petra Seisl
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