Was kennzeichnet den Wettbewerb für Medizintechnik aktuell?

Was kennzeichnet den Wettbewerb für Medizintechnik aktuell?

Die in Deutschland ansässigen Medizintechnik-Unternehmen stellen insgesamt über 450.000 verschiedene Medizinprodukte her. Da die Branche stark vom Exportgeschäft abhängt, agiert die Medizintechnik häufig im internationalen Wettbewerb. Für Deutschland entsteht aktuell ein Wettbewerbsnachteil dadurch, dass die klinische Forschung für die Medizintechnik droht aufgrund uneinheitlicher Vorgaben und komplizierter formaler Auflagen abzuwandern. Bereits heute ist die USA oder Südostasien oftmals erste Anlaufstelle bei der Zulassung von Innovationen, da die MDR nicht nur zu einer bundes-, sondern sogar zu einer EU-weiten Abnahme der Wettbewerbsfähigkeit führt. Um den deutschen Markt wieder attraktiver für Produktinnovationen zu machen, ist laut Branchenverbänden eine Entbürokratisierung und Harmonisierung von Vorgaben dringend erforderlich. Das Fast-Track-Verfahren, das zumindest die Zulassung von digitalen Gesundheitsanwendungen innerhalb Deutschlands erleichtern sollte, bleibt laut Hersteller mangels Anwendbarkeit für Produkte der Risikoklasse IIb und III hinter seinen Möglichkeiten zurück.

Europäischer Markt mehr als ein Viertel des Weltmarkts für Medizintechnik

Der europäische Markt für Medizintechnik erwirtschaftet im Jahr 2022 rund 150 Mrd. € und einen Anteil von mehr als einem Viertel am Weltmarkt, der 2022 einen Umsatz von rund 524 Mrd. € erzielt (vgl. Abbildung 1). Das Beratungsunternehmen Frost & Sullivan prognostiziert bis 2025 ein jährliches Wachstum der Branche von durchschnittlich 6,3%.

Abbildung 1        Umsatz der Medizintechnik Europa und Weltmarkt

Umsatz der Medizintechnik Europa und Weltmarkt

Aufgeteilt nach Bereichen entfällt wie in Abbildung 2 der größte Anteil der Umsätze auf die minimalinvasive Medizin (11,8%), gefolgt von der Kardiologie (11,4%), der Respiratorik/Anästhesie (8,3%), den Bildgebenden Verfahren (8,1%), der Ophthalmologie (7,4%), Orthopädie (5,7%), deren Anteil sich nahezu halbierte und der Wundversorgung (5,0%).

Abbildung 2        Die derzeit umsatzstärksten Produktbereiche in der Medizintechnik

Die derzeit umsatzstärksten Produktbereiche in der Medizintechnik

Rückläufige Gewinne erwartet, Kleinstunternehmen besonders gefordert

Allerdings erwarten die meisten Unternehmen mit Blick auf die Gewinnzahlen rückläufige Entwicklungen. Grund dafür sind vordergründig die horrenden Kostensteigerungen bei den Transport-, Rohstoff- und Energiepreisen verursacht durch den Russland-Ukraine-Krieg sowie weiterhin die Nachwirkungen der Coronakrise und der regulatorische Mehraufwand, der mit der EU-Medizinprodukteverordnung (MDR) einhergeht. Es zeigt sich, dass nach wie vor insbesondere die kleinen Unternehmen von den Herausforderungen betroffen sind. Bemerkbar macht sich dies im Umsatz der Kleinstunternehmen, der sich 2021 um 0,6% verringert. Kleinstunternehmen inbegriffen (Unternehmen <20 Mitarbeiter werden beim offiziellen Umsatz der Branchenverbände ausgeklammert) erreicht die deutsche Medizintechnikbranche im betrachteten Jahr einen Gesamtumsatz von rund 46,6 Mrd. € und ist somit vor Italien und Frankreich klar führend in Europa. Nachdem sich die Kosten bis in den Herbst letzten Jahres immer weiter auf einen nie da gewesenen Höchstwert ins Negative entwickelten, tragen sinkende Energie- und Rohstoffpreise ganz aktuell wieder zu einer Stabilisierung der Geschäftslage bei, sodass die Erwartungen zu Jahresbeginn 2023 für vorsichtigen Optimismus sorgen. Eine globale Entspannung der Lieferketten führt bei 42% der Medizintechnikunternehmen insbesondere zu wieder gesteigerten Exporterwartungen.

F&E-Intensität über verarbeitendem Gewerbe, zweiter Platz im Patentindex

Die deutsche Medizintechnik-Branche zeichnet sich durch eine sehr hohe Forschungs- und Entwicklungsintensität von 3% des Umsatzes aus, die damit über der des verarbeitenden Gewerbes liegt. Die Entwicklungen erfreuen sich weltweiter Beliebtheit und sind durch den Einsatz von Schlüsseltechnologien wie Mikrosystem- und Nanotechnologie gekennzeichnet. Neue Produktideen erwachsen oftmals aus der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Anwendern. Die Budgets für Forschungsaufgaben sind durch die aktuellen Belastungen noch nicht in Mitleidenschaft gezogen. Mit 15.683 Patentanmeldungen kann die Medizintechnik aber aufgrund eines nur leichten Anstiegs die Spitzenposition als anmeldestärkstem Technologiefeld gegenüber der Digitalen Kommunikation nicht zurückgewinnen, da diese ein Plus der Patentanmeldungen von 11,2% (16.705) verzeichnete. Laut Einschätzungen der MedTech-Unternehmen sind besondere innovative Forschungsbereiche die Kardiologie (32%), die Onkologie und Diagnostik (mit je 23%), gefolgt von der Neurologie (16%) und der Chirurgie (11%).

Abbildung 3        Die aktuell innovativsten Forschungsfelder in der Medizintechnik

Die aktuell innovativsten Forschungsfelder in der Medizintechnik

Investitionen in der Medizintechnik wieder attraktiver, MDR-Verfahren sorgt für Hemmschwelle

Investments in die Gesundheitsbranche insbesondere die Medizintechnik, hatten seit der Corona-Krise deutlich an Attraktivität gewonnen, auch bei Private-Equity-Investoren. Zunehmend gedämpft wurde diese Entwicklung von der MDR-Umsetzung. Das Verfahren nach MDR ist aufwendig und kostspielig sowie mit einer Dauer von durchschnittlich eineinhalb Jahren sehr langwierig. Derzeit haben gerade einmal rund 2.000 der 25.000 europäischen Bestandsmedizinprodukte eine Rezertifizierung durchlaufen. Die jüngst verlängerten Fristen bei der MDR machen Investitionen in der Branche wieder attraktiver. Nichtsdestotrotz ist für einen Kaufinteressenten neben der CE-Kennzeichnung und dem durchlaufenen Konformitätsbewertungsverfahren, die vorhandene Zertifizierung und ob deren Gültigkeit auch nach der Transaktion bestehen bleibt von entscheidendem Interesse. Generell wird das Interesse in zertifizierte Medizinprodukte bei Investoren insbesondere im Falle einer angestrebten Rezertifizierung voraussichtlich wieder zunehmen. Für Mehrgeschäftsfeldunternehmen senken die Änderungen der MDR zwar den Verkaufsdruck, erwartet wird dennoch, dass diese aufgrund der regulatorischen Belastungen Unternehmensteile abstoßen.

 

Kommentar:

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Nadine Brohammer
Autor Nadine Brohammer
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