Westfalen-Lippe: Generationswechsel in der hausärztlichen Versorgung: Einzelpraxis als Auslaufmodell

Westfalen-Lippe: Generationswechsel in der hausärztlichen Versorgung: Einzelpraxis als Auslaufmodell

Für die nachrückende Hausärztegeneration werden reine Einzelpraxen immer unattraktiver. In diesem Zusammenhang lässt sich auch in Westfalen-Lippe ein Strukturwandel beobachten. Einer aktuellen Auswertung des ATLAS MEDICUS® Marktatlas zufolge gibt es aktuell in Westfalen-Lippe in Summe noch mehr als 2.000 Standorte von reinen Einzelpraxen, in denen also ein einziger Allgemeinmediziner den Praxisbetrieb in Eigenregie stemmt (vgl. Abb. 1). Damit ist die Einzelpraxis in diesem Fachbereich zwar nach wie vor die dominierende Organisationsform; der Blick auf die Altersstrukturen der Praxisinhaber deutet jedoch darauf hin, dass deren Anzahl in den kommenden Jahren stark abnehmen könnte.

Abb. 1: Allgemeinmediziner in Westfalen-Lippe: Anzahl der reinen Einzelpraxen auf Kreisebene

Der ATLAS MEDICUS® Marktatlas zeigt, wie viele reine Einzelpraxen es in den jeweiligen Landkreisen und kreisfreien Städten in Westfalen-Lippe Ende des ersten Quartals 2022 gab.

Quelle: ATLAS-MEDICUS (Stand 04/2022)

Altersgruppe 50+ stellt 75% der ambulant tätigen Allgemeinmediziner in Westfalen-Lippe

Drei Viertel der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinmediziner in Westfalen-Lippe sind 50 Jahre und älter (vgl. Abb. 2). Knapp ein Fünftel zählt zur Altersgruppe 65+ und wird mit hoher Wahrscheinlichkeit in den kommenden Jahren nicht mehr für die Versorgung der Bevölkerung zur Verfügung stehen.

Abb. 2: Altersstruktur der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinmediziner in Westfalen Lippe

Das Bundesarztregister gibt Aufschluss über die Zusammensetzung der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinmediziner in Westfalen-Lippe nach Altersgruppen.

Quelle: Bundesarztregister Stand 12/2021           Grafik: REMBANN RESEARCH

Altersgruppe 50+ hält über 80% aller allgemeinmedizinischen Einzelpraxen in WL

Noch problematischer als die Überalterung der Facharztgruppe ist, dass mit dem Eintritt in den Ruhestand dieser Allgemeinmediziner ferner damit zu rechnen ist, dass überproportional vieel reine Einzelpraxen aufgrund einer erfolglosen Nachfolgersuche ganz aus der Versorgungslandschaft verschwinden. Grund ist, dass reine Einzelpraxen auffallend häufig in der Hand von Allgemeinmedizinern der höheren Altersgruppen sind, die nachfolgende Ärztegeneration jedoch tendenziell das Arbeiten im Team sowie flexiblere und kalkulierbare Arbeitszeiten vorzieht. Dies spiegelt sich auch in der Detailauswertung des ATLAS MEDICUS® Marktatlas wider (vgl. Abb. 3): Rund 82% der reinen allgemeinmedizinischen Einzelpraxen befinden sich in der Hand von Ärzten der Altersgruppe 50+ und mehr als ein Viertel aller Einzelpraxen der KV-Region entfällt auf Allgemeinmediziner, die bereits ein Alter von 65 Jahren oder mehr erreicht haben.

Abb. 3: Inhaber reiner allgemeinmedizinischer Einzelpraxen in Westfalen-Lippe: Anteile nach Altersgruppen

Die ATLAS MEDICUS® Marktatlas-Auswertung weist die Inhaber reiner allgemeinmedizinischer Einzelpraxen in Westfalen-Lippe jeweils nach Altersgruppen in Prozent zum Ende des ersten Quartals 2022 aus.

Quelle: ATLAS MEDICUS® Marktatlas (Stand: 04/2022)                 Grafik: REMBANN RESEARCH

Kommentar:

Aus der Auswertung lassen sich zwei wichtige Schlussfolgerungen ziehen.

  • Erstens ist die hausärztliche Versorgung in Westfalen-Lippe momentan und auch in näherer Zukunft dringend darauf angewiesen, dass Allgemeinmediziner über das reguläre Rentenalter hinaus tätig bleiben.
  • Zweitens müssen für die nachfolgende Hausärztegeneration wirkungsvolle Anreize geschaffen werden, um eine ausreichende Zahl junger Allgemeinmediziner für die ambulante Versorgung zu gewinnen.

Die Erfahrung zeigt, dass das umfangreiche und differenzierte Förderprogramm der KV-WL für sich genommen diesen Mangel nicht zu beheben vermag. Vielmehr sind zusätzlich strukturelle Veränderungen notwendig, die neue flexiblere Organisations- und Arbeitszeitmodelle beinhalten.

Quelle: KBV: Bundesarztregister (12/2021)

Dr. Elisabeth Leonhard
Autor Dr. Elisabeth Leonhard
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