Wie stehen die Apotheken zu den Gesundheitskiosken?

Wie stehen die Apotheken zu den Gesundheitskiosken?

Die Apothekerkammer Berlin hatte im September 2022 einen Antrag auf dem Deutschen Apothekertag diskutieren wollen, indem es u.a. um die Qualifizierung des Apothekenpersonals in Richtung ‚Gesundheitslotsen‘ ging, was die Apotheke in ihrer Rolle als Gesundheitszentrum selbst stärken würde. Aus ‚politischen‘ Gründen bzw. einer zu großen Nähe zu der Idee der Gesundheitskioske wurde über den Antrag jedoch nicht abgestimmt. Stattdessen wurde dann mit großer Mehrheit der Standesvertreter beschlossen, das von der Regierung geplante Vorhaben der Gesundheitskioske abzulehnen. Die ABDA hatte bereits im Vorfeld das Konzept als ‚überflüssige Parallelstruktur‘ kritisiert, zumal die dafür vorgesehenen 750 Mio. Euro an anderer Stelle in der Versorgung fehlen dürften.

Dabei stehen die Apotheken mit ihrer Kritik nicht alleine da:

  • Krankenkassen haben sich aus Protest z.T. bereits aus bestehenden Modellen zurückgezogen (sie kritisieren angesichts leerer Kassen bei den Kassen insbesondere die vorgeschlagene Kostenaufteilung); gemäß Eckpunkteentwurf des Gesundheitsministeriums müsste die gesetzliche Krankenversicherung mit 74,5% für das Gros der Kosten aufkommen, den Rest sollen mit 20% die Kommunen bzw. die PKVen (5,5%) übernehmen.
  • Aber auch weitere Verbände und Funktionäre äußern sich kritisch: z.B. der Verband medizinischer Fachberufe e.V. Neue Schnittstellen würden produziert, die wiederum zu Kommunikationsschwierigkeiten führen.
  • Etwas ruhiger hingegen ist es rund um die Ärzteschaft geworden, diese hatten anfangs auch die fehlende Anbindung an Arztpraxen kritisiert und darauf verwiesen, zuerst müssten bestehende Versorgungsstrukturen verändert bzw. optimiert werden, bevor in neue Modelle investiert würde. Außerdem gäbe es jetzt schon zu wenig medizinisches und pflegerisches Personal. Mittlerweile scheint sich jedoch ein differenzierteres Bild entwickelt zu haben.
  • Entsprechend reagierte die Opposition im Rahmen einer kleinen Anfrage, in der es u.a. um die Evaluierung der Modelle sowie die zugrunde liegenden Kriterien für die Errichtung eines Gesundheitskioskes geht. Die fachlichen Vorarbeiten dazu seien aber noch nicht abgeschlossen, heißt es in der Antwort von Ende November 2022: Vorgesehen sei, pro 80.000 Einwohnern einen Kiosk zu errichten. Je nach Bedarf könne es in einem Kreis oder einer kreisfreien Stadt auch mehrere Gesundheitskioske geben. Die Entwicklung hänge auch vom Engagement der Kommunen ab.

Kooperation statt Konfrontation!

Der Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VdPP) hingegen spricht sich für eine Beteiligung der Apotheken an den neuen Versorgungsmodellen aus und setzt auf Kooperation anstelle von Konfrontation: Beispiele aus anderen Ländern wie in Finnland, wo das Konzept des Gesundheitskiosks herkommt, oder wie in den kanadischen Community Health Center zeigen, so der VdPP, dass Arzneimittel eine wichtige Rolle dabei spielen, gesundheitliche Ungleichheiten in der Gesellschaft abzubauen. Es überrascht daher, dass der Gesetzgeber nicht von vorneherein eine Einbindung von Apotheken vorgesehen hatte. Sozial Benachteiligte tragen eine größere Krankheitslast, nehmen oft mehrere Arzneien und gerade Apotheken als niedrigschwellige Versorger und mit ihrer pharmakologischen Kompetenz könnten demzufolge Teil eines entsprechenden Netzwerks sein.

Für diese Argumentation spricht, dass es auch in der Praxis bereits Modelle gibt, in denen Apotheken bewusst eingebunden werden sollen, so wie bei den Gesundheitskiosken in Thüringen geplant ist, Apotheken z.B. per Video zu telepharmazeutischer Beratung einzubinden; analog ist in Kiosken in Hamburg oder Aachen eine Zusammenarbeit mit Apotheken vorgesehen.

Fraglich ist angesichts der dünnen Personaldecke in den Apotheken, wie und wer diese zusätzlichen Aufgaben übernehmen soll und natürlich, wie eine Vergütung der zusätzlichen Leistungen erfolgen würde.

 

Kommentar:

Die Leitung bzw. das Personal des Gesundheitskiosks soll sich, so die Eckpunkte, aus folgenden Berufsgruppen zusammensetzen:

  • examinierte Pflegefachkräfte
  • perspektivische Pflegefachkräfte (Gesundheits- und Kinder-)Krankenpfleger*in, Altenpfleger*in, Pflegefachfrau/Pflegefachmann mit Heilkundekompetenz (im Sinne von Community Health Nursing – CHN).

Die drei Koalitionsparteien hatten im Koalitionsvertrag angekündigt, für die Jahre 2021 bis 2025 zusätzlich dieses neue Berufsbild der „Community Health Nurse“ (CHN) zu implementieren. Nichtärztliche medizinische Berufsbilder haben in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. So sind in der vertragsärztlichen Versorgung die Aufgaben- und Kompetenzbereiche der „Medizinischen Fachangestellten“ (MFA) durch die Einführung der „Versorgungsassistent*innen in der Hausarztpraxis“ (VERAH), der „Nichtärztlichen Praxisassistent*innen“ (NäPa) oder der „Physician Assitants“ (PA) deutlich gestärkt worden.

Allerdings ist mit der Schaffung neuer Berufsbilder allein nicht die grundsätzliche Knappheit der Ressourcen gelöst. Vielmehr ist eine Abwanderung aus anderen Bereichen des Gesundheitswesens zu befürchten, wenn die Vergütung bzw. Arbeitsbedingungen in den neu entstehenden Kiosken attraktiver sein sollten.

Quellen:

Petra Seisl
Autor Dr. Petra Seisl
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