Zahl der Pflegebedürftigen wächst und damit auch der Bedarf für aufsuchende Behandlung
Die Zahl der Pflegebedürftigen ist in den letzten Jahren in Deutschland deutlich gestiegen (siehe Abb. 1), perspektivisch wird mit einem weiteren Anstieg gerechnet.
Pflegebedürftige Personen sind besonders gefährdet hinsichtlich ihrer Mundgesundheit, da sie häufig nicht in der Lage sind, die Mund- und Zahnpflege selbst durchzuführen. Laut der aktuellen Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS V) benötigen mindestens 30% der Pflegebedürftigen Unterstützung bei der Zahnpflege. Bei rund 75% der Personen, die in stationären Pflegeeinrichtungen leben, ist die Mundgesundheit beeinträchtigt, da häufig keine zahnärztliche Untersuchung durchgeführt wird. Pflegefachkräfte erhalten oft nicht genügend Schulung, um die Zahngesundheit ihrer Pflegebedürftigen angemessen beurteilen zu können. Deshalb ist es sinnvoll, dass Zahnärzte regelmäßig die Pflegebedürftigen aufsuchen, um die Mundgesundheit der Pflegebedürftigen zu beurteilen und ggf. eine zahnmedizinische Behandlung einzuleiten.
Abb. 1: Entwicklung Anzahl Pflegebedürftige in Deutschland (in Millionen)
Quelle: Atlas Dental Europa 2024/Destatis
Entwicklung der Kooperationsverträge mit Pflegeheimen und der aufsuchenden Zahnarztbesuche
Viele Pflegebedürftige sind nicht in der Lage, eigenständig Zahnarzttermine zu vereinbaren oder eine Praxis aufzusuchen – dies betrifft in Deutschland etwa 60% der Heimbewohner. Mit dem Pflegeneuausrichtungsgesetz von 2014 wurden neue Leistungen eingeführt, um die zahnmedizinische Versorgung von pflegebedürftigen und mobilitätseingeschränkten Personen zu verbessern. Zudem wurde in § 119b Abs. 1 SGB V nun der Abschluss von Kooperationsverträgen zwischen Vertragszahnärzten und Pflegeeinrichtungen ermöglicht. Zum 1.7.2018 wurden für diese Personengruppe weitere präventive Leistungen eingeführt (§ 22a SGB V). Seit 2019 wurde mit dem Pflegepersonalstärkungsgesetz für Pflegeeinrichtungen der Abschluss eines Kooperationsvertrags mit einem Vertragszahnarzt verpflichtend.
Seit Ermöglichung der Kooperationsverträge ist die Zahl der Patientenbesuche durch Zahnärzte im Rahmen der aufsuchenden Behandlung vor Beginn der Corona-Pandemie kontinuierlich um durchschnittlich 6% pro Jahr gestiegen und erreichte mit 979.500 Besuchen im Jahr 2019 einen Höchststand. Diese Entwicklung wurde durch die Corona-Pandemie unterbrochen. Als besonders vulnerable Gruppe waren Bewohner von Pflegeeinrichtungen überaus stark von Kontaktbeschränkungen zum Schutz vor einer SARS-CoV-2-Infektion betroffen. Entsprechend brach im Jahr 2020 die Zahl der aufsuchenden zahnmedizinischen Besuche um -19,8% auf insgesamt 785.800 ein. In den Jahren 2021 und 2022 erholten sich die Besuchszahlen zwar wieder deutlich. Mit 938.300 Besuchen im Jahr 2022 liegt die Zahl der Zahnarztbesuche in Pflegeeinrichtungen jedoch immer noch deutlich unter dem Wert vor Beginn der Pandemie. 63% der Besuche erfolgten im Rahmen eines Kooperationsvertrages. Die Zahl der Kooperationsverträge stieg bis Ende des Jahres 2022 auf 6.533 (+350 zum Vorjahr). Dennoch haben Stand Ende 2022 immer noch rund sechs von zehn Pflegeeinrichtungen keinen solchen abgeschlossen.
Kommentar:
Noch Handlungsbedarf im Bereich der häuslichen Pflege
Zahnarztpraxen sind gut beraten, sich künftig verstärkt auf den Bereich der Alterszahnmedizin zu fokussieren. Aufgrund der demografischen Entwicklungen wird der Bedarf an zahnmedizinischer Versorgung bei älteren Senioren und besonders bei Pflegebedürftigen perspektivisch weiter deutlich steigen, insbesondere der Bedarf an aufsuchender zahnmedizinischer Versorgung. Während sich die Versorgungssituation für stationär in Heimen versorgten Pflegebedürftigen inzwischen bereits deutlich verbessert hat, besteht im Bereich der ambulanten Pflege noch Handlungsbedarf. Rund 84% der Pflegebedürftigen bzw. rund 4,17 Mio. Personen wurden im Jahr 2021 zu Hause versorgt. 63% der aufsuchenden Besuche betrafen zuletzt jedoch Besuche in Pflegeeinrichtungen im Rahmen eines Kooperationsvertrags. Dieses Missverhältnis ist ein deutliches Indiz für eine zahnmedizinische Unterversorgung im Bereich der häuslichen Pflege. Hier sind die Politik und die zahnärztlichen Verbände gefordert, Lösungen zu finden, um die Versorgungssituation der Betroffenen zu verbessern.
Sie wollen mehr erfahren zu den Themen Demografischer Wandel und Seniorenzahnmedizin in Deutschland und anderen europäischen Ländern? Dann werfen Sie einen Blick in den aktuellen Atlas Dental Europa 2024 unter PUBLIKATIONEN.
Quellen:
- KZB Jahrbuch 2023
- PUBLIKATIONEN
- Statistisches Bundesamt – Mehr Pflegebedürftige