Der vertragsärztliche und psychotherapeutische Versorgungsbedarf in Deutschland wird in den kommenden Jahren stark zunehmen. Das ergibt die im Versorgungsatlas veröffentlichte aktuelle Bedarfsprojektion zur zukünftigen Beanspruchung von Vertragsärzten und Psychotherapeuten bis 2035 des Zentralinstitutes für die kassenärztliche Versorgung (Zi). Die Studie basiert zum einen auf der Annahme, dass die Bevölkerungszahl vordergründig aufgrund von Migration voraussichtlich nicht mehr abnehmen und zum anderen es eine Verdichtung in urbanen Räumen geben wird. In der Folge ergibt sich im Vergleich zu den ländlichen Regionen für die Zukunft eine stärkere Beanspruchung der ärztlichen Versorgung in den Städten.
Aufgrund alternder Bevölkerungsentwicklung starke Unterschiede bei den Fachgruppen
Als ein Kriterium für die Erstellung der Prognose wird die perspektivische Bevölkerungsentwicklung herangezogen, die von einer weiteren Alterung der Bevölkerung ausgeht. Aufgrund dessen werden spezifische Fachgruppen wie die Innere Medizin, Urologie und Augenheilkunde davon in besonderem Maße betroffen sein, da diese erheblich an der Behandlung älterer Menschen beteiligt sind. Eine ebenfalls leicht positive Bevölkerungsentwicklung der Altersgruppe bis 14 Jahren lässt jedoch auch steigende Bedarfe in der Kinder- und Jugendheilkunde erwarten. Getoppt werden jegliche Entwicklungen vom Bereich Psychotherapie und Psychiatrie. Laut Studie könnten sich die Versorgungsbedarfe bis ins Jahr 2035 wie folgt entwickeln:
- Kinder- und Jugendpsychiatrie: +27%
- Psychotherapie: +21%
- Fachinternisten, Urologen: +10%
- Augenheilkunde, Hals-Nasen-Ohrenheilkunde: +8%
- Kinder- und Jugendheilkunde: +3%
- Allgemeinmedizin: +2%
- Frauenheilkunde: -5%
Künftige Versorgungsbedarfe zudem abhängig von der Region
Die Entwicklungen des Versorgungsbedarfs unterscheiden sich nicht nur stark abhängig von der Fachgruppe, sondern unterliegen in Deutschland auch erheblichen regionalen Abweichungen. Besonders ausgeprägt steigen wird die Beanspruchung der Studie zufolge in südlichen und einigen westlichen Regionen Deutschlands sowie im Großraum Berlin-Brandenburg. Eine abnehmende Inanspruchnahme zeichnet sich in ländlichen Gebieten vor allem im Osten Deutschlands ab.
Kommentar:
Die unterschiedlichen demografischen Entwicklungen innerhalb Deutschlands stellen nicht unerhebliche Herausforderungen für die Versorgungsorganisation dar, die neue Organisationsformen erfordern könnten. Der medizinische Fortschritt ermöglicht immer mehr ambulante Behandlungen, weshalb diese auch künftig zunehmend vom stationären in den ambulanten Bereich verlagert werden und hier die Kapazitäten steigen müssen. Hinzukommt, dass für eine aktuell als überversorgt geltende Ballungsregion aufgrund einer Umverteilung der Bevölkerung in diese Räume mit einer besonderen Zunahme des Versorgungsbedarfes zu rechnen ist. Regionen mit rückläufiger Bevölkerungsentwicklung stehen vor der Thematik mit größer werdenden Einzugsbereichen umzugehen und Praxissitze trotz sinkender Fallzahlen nachbesetzen zu können.
Beanspruchung wird von Abrechnungsdaten, Bevölkerungsentwicklung und vorausgegangener Inanspruchnahme abgeleitet
Die Methode der Studie basiert auf dem sogenannten relativen Beanspruchungsindex (rBIX), der aufgeschlüsselt nach Fachgruppen und Regionen berechnet wird. Kriterien, die in den rBIX einfließen, sind Abrechnungsdaten von 2019 und eine Bevölkerungsprognose, die bis zum Jahr 2035 fortgeschrieben werden, sowie als neues Element die Inanspruchnahmeentwicklung von 2011 bis 2019. Das Ergebnis ist eine Prozentzahl, die zeigt, wie viel höher oder niedriger die Nachfrage im Jahr 2035 im Vergleich zu 2019 sein wird.
Quelle: