Zweitmeinungsverfahren künftig auch bei lokalem Prostatakrebs ohne Metastasen

Zweitmeinungsverfahren künftig auch bei lokalem Prostatakrebs ohne Metastasen

Gesetzlich Krankenversicherte mit lokal begrenztem Prostatakrebs ohne Metastasen haben in Zukunft unter bestimmten Bedingungen einen gesetzlichen Anspruch auf eine unabhängige ärztliche Zweitmeinung nach § 27b SGB V. Dies folgt aus einem Beschluss des G-BA zur Ergänzung der Zweitmeinungs-Richtlinie vom 19.9.2024.

Das Zweitmeinungsverfahren greift dann, wenn sich für den Patienten folgende Therapieoptionen ergeben:

  • Prostatektomie: chirurgische Entfernung der Prostata
  • Perkutane Strahlentherapie: Bestrahlung des Tumors mit einer externen Strahlenquelle
  • Brachytherapie: interne Bestrahlung über die Einbringung einer Strahlenquelle in die Prostata

Der G-BA begründet die Erweiterung des Zweitmeinungsverfahrens auf die obige Indikation damit, dass chirurgische Eingriffe oder Bestrahlungen bei lokal begrenzten Prostatakarzinomen nicht immer notwendig sind. Stattdessen ist in manchen Fällen eine aktive Überwachung (sog. Watchful Waiting) ausreichend. Zweitmeinungsberechtigt sind künftig erfahrene, ambulant oder stationär tätige Fachärzte für Urologie oder Strahlentherapie. Sie benötigen eine Genehmigung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), die voraussichtlich ab dem 1.4.2025 bei den KVen beantragt werden kann. Aufgabe der als Zweitmeiner tätigen Ärzte ist es, die empfohlene Behandlung zu prüfen und zu möglichen Alternativen zu beraten.

Der Beschluss liegt gegenwärtig dem Bundesministerium für Gesundheit zur rechtlichen Prüfung vor und tritt am ersten Tag des zweiten darauffolgenden Quartals nach der Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.

 

Kommentar:

Das sogenannte strukturierte Zweitmeinungsverfahren steht gesetzlich Krankenversicherten seit 2018/2019 für eine zunehmende Anzahl an Indikationen kostenlos zur Verfügung. Ärzte, die einen entsprechenden Eingriff empfehlen, müssen ihre Patienten mindestens zehn Tage vor der Operation auf das Zweitmeinungsrecht hinweisen. Der Rechtsanspruch auf eine unabhängige Zweitmeinung wurde im Rahmen des Versorgungsstärkungsgesetzes (GKV-VSG) 2015 im SGB V (§ 27) verankert. Das Zweitmeinungsverfahren zielt auf planbare Eingriffe ab, die als besonders „mengenanfällig“ gelten. Aufgabe des G-BA ist es, diese Eingriffe zu benennen sowie die jeweiligen indikationsspezifischen Anforderungen an die Abgabe der Zweitmeinung sowie an die Erbringer einer Zweitmeinung zu definieren. Ärzte, die am strukturierten Zweitmeinungsverfahren teilnehmen, müssen bei der zuständigen KV besondere Qualifikationen und Erfahrungen nachweisen und unabhängig sein. Die Fachärzte mit entsprechenden Genehmigungen zur Erbringung einer Zweitmeinung sind unter https://www.116117.de/de/zweitmeinung.php gelistet.

Gegenwärtig haben GKV-Patienten bei folgenden Indikationen Anspruch auf eine ärztliche Zweitmeinung:

  • Gebärmutterentfernungen (Hysterektomie)
  • Implantation einer Knieendoprothese
  • Mandeloperationen (Tonsillektomie/Tonsillotomie)
  • Schulterarthroskopie
  • Eingriffe an der Wirbelsäule
  • Amputation diabetischer Fuß
  • Kathetergestützte elektrophysiologische Herzuntersuchungen und Ablationen am Herzen
  • Implantation eines Herzschrittmachers oder Defibrillators
  • Entfernung der Gallenblase (Cholezystektomie)
  • Hüftgelenkersatz

Quelle: Gemeinsamer Bundesausschuss – Richtlinie zum Zweitmeinungsverfahren: Aufnahme von Eingriffen bei lokal begrenztem und nicht metastasiertem Prostatakarzinom

Dr. Elisabeth Leonhard
Autor Dr. Elisabeth Leonhard
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