Eine der rechtlichen Vorschriften, die es in der medizinischen Qualitätssicherung zu beachten gilt, ist die Medizinprodukteverordnung (MDR). Diese ist vor allem von Herstellern für Medizinprodukte zu beachten. Zusammenfassung der wichtigsten Aspekte der MDR für die Qualitätssicherung:
Die EU-Medizinprodukteverordnung
Seit 2017 ist die neue EU-Medizinprodukteverordnung EU 2017/745 (genannt Medical Device Regulation, kurz MDR) in Kraft. Sie definiert die Rahmenbedingungen, nach denen Medizinprodukte innerhalb der EU auf den Markt gebracht bzw. betrieben werden dürfen. Zum 26.5.2021 endete die Übergangsfrist, während der Medizinprodukte sowohl nach den Regularien der MDR als auch noch nach den alten EU-Richtlinie MDD bzw. AIMD in Verkehr gebracht werden konnten.
Als „Medizinprodukt“ wird ein breites Spektrum von Produkten und Verfahren bezeichnet, die helfen, Leben zu retten, zu heilen und die Lebensqualität von Menschen signifikant zu verbessern. Hersteller ist gemäß MDR, wer ein solches Produkt entwickelt, herstellt oder neu aufbereitet, oder dies jeweils beauftragt und das Medizinprodukt dann unter eigenem Namen oder eigener Marke auf den Markt bringt. Dabei wird nicht zwischen Herstellern von Serienprodukten und Herstellern von patientenindividuellen Sonderanfertigungen unterschieden. Die Vorgaben der MDR betreffen folglich auch Mediziner, wie Chirurgen, Orthopäden oder Zahnärzte, wenn diese selbst Implantate oder Prothesen herstellen. Wer beispielsweise nur ein zugekauftes Implantat unverändert beim Patienten eingliedert, gilt nicht als Hersteller. Wird jedoch das zugekaufte Implantat bearbeitet, also patientenindividuell anpasst, ist man nach MDR Hersteller eines individuellen Medizinprodukts, also einer Sonderanfertigung.
Für Sonderanfertigungen entfällt zwar die CE-Kennzeichnungspflicht, die noch weitreichendere Anforderungen nach sich zieht. Dennoch müssen auch Hersteller von Sonderanfertigungen einige Vorgaben der MDR beachten.
Beispiele für Sonderanfertigungen im zahnärztlichen Bereich:
- Kronen
- festsitzender und herausnehmbarer Zahnersatz
- CAD/CAM-gefertigter Zahnersatz
- kieferorthopädische Geräte
- Schienen
- Epithesen
Nicht als Sonderanfertigungen gelten beispielsweise Zahnfüllungen oder konfektionierte Stiftaufbauten. Dennoch handelt es sich dabei um Medizinprodukte. Für deren CE-Zertifizierung, wie auch für deren Risikobewertung und Nachbeobachtung ist hier jedoch der (industrielle) Hersteller zuständig.
Seit dem endgültigen Inkrafttreten der neuen Medizinprodukteverordnung MDR, sind Hersteller von Medizinprodukten (unabhängig von ihrer Unternehmensgröße oder der Anzahl der erstellten Sonderanfertigungen) dazu verpflichtet, ein Qualitätsmanagementsystem nach den Vorgaben der MDR zu implementieren, zu dokumentieren, anzuwenden, sowie dieses kontinuierlich zu verbessern (vgl. Art. 10 MDR). Zudem muss jeder Sonderanfertiger für jede Sonderanfertigung, die das Haus verlässt, eine Konformitätserklärung abgeben. Mit dieser wird gleichzeitig bestätigt, dass ein Qualitätsmanagement, ein Risikomanagement und eine klinische Nachbeobachtung erfolgt.
Die MDR verlangt vom Hersteller eines Medizinprodukts u. a. eine lückenlose Dokumentation der Arbeit. Dazu zählt auch die Archivierung von Dokumenten von Vorlieferanten. Die Aufbewahrungsfrist für die Dokumentation der Sonderanfertigung beträgt 10 Jahre, bei implantierbaren Produkten 15 Jahre. Auch eine Chargendokumentation des verwendeten Materials wird verlangt. So kann im Falle eines Materialrückrufs, herausgefunden werden, welcher Patient betroffen ist.
Gemäß Anhang XIII MDR ist der Hersteller einer Sonderanfertigung zu folgenden Angaben in Form einer Erklärung verpflichtet:
- Name und Anschrift des Herstellers und aller Fertigungsstätten
- die zur Identifizierung des betreffenden Produkts notwendigen Daten
- eine Erklärung, dass das Produkt für einen bestimmten Patienten vorgesehen ist, identifiziert durch dessen Name, ein Akronym oder einen numerischen Code
- Name der Person, die das Produkt verordnet hat
- die spezifischen Merkmale des Produkts, wie auf der Verordnung angegeben
- eine Erklärung, dass das Produkt den Sicherheits- und Leistungsanforderungen gemäß Anhang I entspricht (Sicherheits- und Leistungsanforderungen, die nicht vollständig eingehalten werden konnten müssen benannt und die Gründe angegeben werden, weshalb die Anforderungen nicht eingehalten werden konnten).
Der Hersteller erklärt die Konformität der Sonderanfertigung in der Regel in einem kleingedruckten Abschnitt auf der Rechnung. Dabei muss er sich bewusst sein, dass die Konformitätserklärung ein wichtiger Rechtsakt ist. Fehler können rechtliche Folgen (Haftung, Bußgeld) nach sich ziehen.
Jeder Hersteller eines Medizinprodukts muss eine verantwortliche Person benennen, die verantwortlich ist für
- die Prüfung der Konformität gemäß dem QM-System,
- die Erstellung der technischen Dokumentation und der EU-Konformitätserklärung,
- die Erfüllung der Nachbeobachtungsverpflichtungen (Post Marketing Surveillance) nach Inverkehrbringen des Medizinprodukts,
- die Erfüllung der Berichtspflichten gemäß den Artikeln 87 bis 91 MDR, und (falls erforderlich)
- die Erklärung, die für Prüfprodukte nach Anhang XV, Kapitel II, Abschnitt 4.1 abgegeben werden muss.
Auch für Praxen ohne Labor (also beispielsweise für einen Zahnarzt, der in einem gewerblichen zahntechnischen Labor eine Zahnersatzversorgung in Auftrag gegeben hat) besteht die Nachbeobachtungsverpflichtung, wie auch die Dokumentations- und Aufbewahrungspflicht.
Kommentar:
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Neben „Chefsache“ finden Sie in unserem digitalen Wissensportal E-Marktwissen zahlreiche weitere fachgruppenspezifische Marktstudien und Publikationen mit vielen wirtschaftlichen Daten, die keine Managementfragen für die Heilberufe und deren Beratung offenlassen.“
Quelle: E-MARKTWISSEN