Unter dem Titel „Mehr Fortschritt wagen, Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ haben die künftigen Ampel-Koalitionäre am 24. November ihren Koalitionsvertrag vorgelegt. Von den insgesamt 177 Seiten widmen sich rund 8 dem Thema Gesundheit und Pflege. REBMANN RESEARCH hat die Inhalte unter die Lupe genommen und die wichtigsten Punkte kompakt zusammengefasst. Nicht wenige der Vorhaben verstehen sich auch als Konsequenz aus der aktuellen Pandemiesituation. Nachdem im ersten und zweiten Teil der Trilogie der Gesundheitsbereich sowie die Apotheken beleuchtet wurden, folgt nun der letzte Teil mit Fokus auf die Pflege.
| Maßnahmen in der Pflege | Bereich |
Corona | - Finanzielle Anerkennung der Arbeit der Pflegekräfte während der Corona-Pandemie
- Bund stellt hierfür 1 Mrd. € zur Verfügung
- Anhebung: Pflegebonus bleibt bis 3.000 € steuerfrei
| Pflegepersonal |
Eigenanteile | - Eigenanteile sollen für Pflegebedürftige bzw. deren Angehörige begrenzt werden
- Ab 2022 prozentuale Beschränkung der Eigenanteile je nach Aufenthaltsdauer
- Prüfung, ob die Eigenanteile weiter reduziert werden können
- Ausbildungskostenumlage wird aus den Eigenteilen entfernt
- Rentenbeiträge für pflegende Angehörige oder coronabedingte Mehraufwendungen werden aus Steuermitteln finanziert
- Die ärztlich verordnete Behandlungspflege wird Teil der gesetzlichen Krankenversicherung werden
- Beitrag zur Sozialen Pflegeversicherung soll moderat angehoben werden
| Stationäre Pflege |
Förderung neue Wohnformen | - Ergänzung des SGB XI um innovative quartiernahe Wohnkonzepte. Förderung dieser Projekte durch Bund, Länder und Kommunen
- Kommunale Partizipation und Gestaltung der Pflege vor Ort durch Versorgungsverträge
- Stärkung bedarfsgerechter Strukturen zur Tages- und Nachtpflege sowie Kurzzeitpflege
| Ambulante Pflege |
Stärkung der häuslichen Pflege | - Kurzzeit- und Verhinderungspflege wird in einem Entlastungsbudget mit Nachweispflicht zusammengefasst, um die häusliche Pflege zu stärken. Auf diese Weise sollen auch Familien mit behinderten Kindern berücksichtigt werden
| Häusliche Pflege |
Pflegegeld | - Pflegende Angehörige sollen mehr Zeit für die Pflege erhalten, indem die Ausfallzeiten durch einen Lohnersatz kompensiert werden
| Häusliche Pflege |
Pflegeversicherung Entwicklung | - Prüfung der Erweiterung der sozialen Pflegeversicherung um eine freiwillige paritätische Vollversicherung, um die Pflegekosten vollständig finanzieren zu können
- Eine Expertenkommission soll bis 2023 dazu Vorschläge erarbeiten
- Vergleichbare Optionen sollen auch in der privaten Pflegeversicherung eingeführt werden
| Versicherten |
Ambulante Intensivpflege | - Die Intensivpflege im häuslichen Umfeld muss weiterhin gewährleistet werden. Dazu soll das Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz ggf. nachgearbeitet werden
| Häusliche Intensivpflege |
Personalmangel in der Pflege | - Die Arbeitsbedingungen sollen zeitnah verbessert werden, um dem Mangel entgegenzuwirken
- Einführung und Ausbau des Personalbemessungsverfahrens in stationären Pflegeeinrichtungen
- Gehaltslücke zwischen der Kranken- und Altenpflege soll geschlossen werden. Zudem sind weitere Maßnahmen wie die Steuerbefreiung von Zuschlägen, die Abschaffung von geteilten Diensten, die Etablierung von trägereigenen Springerpools oder der Anspruch auf familienfreundliche Arbeitszeitmodelle für Mitarbeiter mit Kindern geplant
| Pflegepersonal |
Aus- und Weiterbildung | - Die Ausbildungen u.a. zur Pflegeassistenz soll in einem bundeseinheitlichen Berufsgesetz verankert werden. Die Finanzierung erfolgt durch Bund und Länder
- Die akademische Pflegeausbildung wird gestärkt und angehende Pflegekräfte erhalten flächendeckend eine Ausbildungsvergütung
- Die professionell Pflegenden sollen heilkundliche Aufgaben übernehmen und z.B. als „Community Health Nurse“ arbeiten
- Das elektronische Heilberuferegister wird weiterentwickelt und ausgebaut
- Ausländische Berufsabschlüsse in der Pflege sollen schnell und unkompliziert anerkannt werden.
- Digitalen Kompetenzen werden in der Ausbildung sowie in der Fort- und Weiterbildung der professionell Pflegenden verstärkt vermittelt werden.
- Die Pflegeausbildung soll auch in rehabilitativen Einrichtungen sowie in der Eingliederungshilfe möglich sein.
- Approbationsordnung: mehr Fokus auf Digitalisierung, Ambulantisierung, Spezialisierung, Individualisierung und interdisziplinäre Kooperationsformen
| (angehendes) Pflegepersonal |
Organisation Pflege | - Eine bundesweite Befragung aller beruflich Pflegenden soll Aufschluss über die zukünftige Selbstverwaltung geben.
- Der Deutsche Pflegerat soll in seiner Position gestärkt werden und als Stimme im G-BA und anderen Gremien eine wichtige Rolle spielen.
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Kommentar:
Der Reformbedarf in der Pflege ist groß. Laut dem BARMER-Pflegereport fehlen bis zum Jahr 2023 nach konservativen Schätzungen über 180.000 Pflegekräfte. Dem gegenüber stehen rund 6 Mio. Pflegebedürftige, rund 1 Mio. mehr als zunächst erwartet. Die andauernde Corona-Pandemie könnte den Personalmangel in der Pflege sogar noch verschärfen, da bereits zahlreiche Pflegekräfte unter der enormen Belastung ihren Job quittiert haben. Eine von zahlreichen gesundheitspolitischen Herausforderungen für den neu ernannten Gesundheitsminister Karl Lauterbach.
Quelle: MEHR FORTSCHRITT WAGEN, KOALITIONSVERTRAG ZWISCHEN SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN UND FDP, November 2021