Krankenhäuser: Erste Ergebnisse bei der Messung des digitalen Reifegrades

Krankenhäuser: Erste Ergebnisse bei der Messung des digitalen Reifegrades

Mit dem 29.10.2020 in Kraft getretenen Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) beschloss der Gesetzgeber, die deutschen Krankenhäuser beim Ausbau der IT und der Verbesserung der IT- und Cybersicherheit massiv zu unterstützen. Seit dem 1.1.2021 stehen zu diesem Zweck insgesamt 4,3 Mrd. Euro zur Verfügung. Parallel zur Förderung der Digitalisierung führte das KHZG Maßnahmen zur Messung des Digitalisierungsgrades der Krankenhäuser ein. Der Zuschlag der Ausschreibung fiel an das Konsortium aus Forschung und Praxis “DigitalRadar”. Ziel des für den Zeitraum Juni 2021 bis April 2024 avisierten Projekts ist die Implementation eines standardisierten Mess- und Bewertungsinstruments zur Beurteilung des digitalen Reifegrades der deutschen Krankenhäuser, das auch eine internationale Vergleichbarkeit erlauben soll. Ferner ist eine wissenschaftliche Evaluierung der Effekte des KHZG-Investitionsprogramms geplant. Für Krankenhäuser, die einen Förderantrag für KHZG-Mittel stellen, ist die Teilnahme am DigitalRadar verpflichtend.

Das DigitalRadar misst auf einer Online-Plattform auf Basis einer Selbsteinschätzung jeweils rund 230 Kriterien für sechs Dimensionen (klinische Prozesse, Patientenpartizipation, Informationsaustausch, Resilienz Management und Performance, organisatorische Steuerung und Datenmanagement und Telehealth). Die Krankenhäuser erhalten neben einer nationalen Bewertung (anhand einer 100-Punkte-Skala) auch einen EMRAM-Indikator (Electronic Medical Record Adoption Model) zur Einstufung ihrer Position im internationalen Kontext. Darüber hinaus sind wissenschaftlich fundierte Handlungsempfehlungen für einen Digitalisierungsschub im Krankenhausbereich beabsichtigt.

Prioritäten und Ausbaugrad der Kliniken sind bei der Digitalisierung sehr heterogen

Anfang Februar wurden die Ergebnisse der ersten Erhebung veröffentlicht, an der 1.616 Krankenhäuser (91% aller Plankrankenhäuser) teilgenommen hatten:

  • Der DigitalRadar Score der deutschen Krankenhäuser liegt bei durchschnittlich 33,25 von maximal 100 Punkten, wobei eine breite Streuung der Ergebnisse vorliegt (Standardabweichung: 10,18), die durch Trägerschaft und Größe beeinflusst wird. Der niedrigste Punktwert lag bei 3,27 Punkten, der Maximalwert bei 63,87 Punkten.
  • Nachholbedarf zeigt sich vor allem bei der Digitalisierung klinischer Prozesse, dem Informationsaustausch, Telehealth und der Patientenpartizipation sowie bei der Weitergabe strukturierter Daten im Krankenhausbereich und der Interoperabilität zwischen den vorherrschenden Softwarelösungen.
  • Die prognostizierten EMRAM-Indikatoren belegen, dass bei fast einem Drittel der deutschen Kliniken der geschätzte Reifegrad die Vorgaben bis zur Level-5-Zertifizierung erfüllt. Für die restlichen 69% der Kliniken stehen die Chancen für eine Score-Verbesserung gut; etwa durch die Einführung digitaler Lösungen in den Bereichen Radiologie, Labor oder Kardiologie. Nach Einschätzung der Verantwortlichen schneidet die deutsche Krankenhauslandschaft mit diesen Ergebnissen im OECD-Vergleich „solide“ ab.

Mit der Veröffentlichung detaillierter Auswertungen der ersten Datenerhebung ist Mitte 2022 zu rechnen. Unterstützung erhalten die Krankenhäuser neuerdings durch ein Dashboard, das neben einer Übersicht über den eigenen Stand auch der strategischen Planung dienen soll. Das Dashboard visualisiert die Ergebnisse nach Dimensionen, Fördertatbeständen sowie klinikinternen Prozessen und erlaubt neben der Bemessung des EMRAM-Levels weitere Analysen. Ferner sind durch die Auswahl verschiedener Filter strategische Vergleiche möglich. Ein weiterer Ausbau der Dashboards ist geplant.

 

Kommentar:

Deutsche Kliniken haben nach wie vor großen Nachholbedarf in Sachen Digitalisierung. In den kommenden Jahren wird sich zeigen, welchen Beitrag der Krankenhauszukunftsfonds hierzu leisten kann. Die Nachfrage ist groß. Stand 1.3.2022 gingen der Statistik des Bundesamtes für Soziale Sicherung zufolge insgesamt 6.330 Anträge mit einem beantragten Mittelvolumen in Höhe von insgesamt 3,036 Mrd. Euro ein. Die meisten Anträge beziehen sich auf den Ausbau der digitalen Dokumentation (1.533), Patientenportale (1.130) und das digitale Medikationsmanagement (937). Bislang wurden knapp 862 Mio. Euro bewilligt. Kritiker halten die Fördermittel u.a. mit Blick auf den mit der Digitalisierung verbundenen Personalbedarf für unzureichend und fordern anstelle der einmaligen Förderung eine dauerhafte Finanzierungslösung. Der Marburger Bund z.B. beziffert den Finanzierungsbedarf für die IT-Ausstattung der Kliniken in der Zeitspanne 2020-2026 auf mindestens 10 Mrd. Euro.

Quelle: DigitalRadar – Pressemitteilung zur Vorstellung der ersten Ergebnisse, 11.02.2022

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