Landespolitik stellt sich klar hinter die Apotheken

Landespolitik stellt sich klar hinter die Apotheken

Nahezu 100 Zuhörer bzw. Zuschauer fanden sich letzte Woche auf der digitalen Veranstaltung ‚Apotheken im ländlichen Raum‘ Baden Württembergs, welche u.a. der Vorstellung eines entsprechenden Gutachtens auf Beschluss des Kabinettsausschusses Ländlicher Raum diente.

Nachdem die Apothekerschaft zuletzt beim Bundesministerium bzw. den jüngsten Gesetzesvorhaben nur bedingt Gehör fand und Mitte Juni bundesweit zu einem Streik aufrief, erhielt sie von beiden Landesministern in deren Auftaktreden zur Veranstaltung entsprechend Wertschätzung:

Peter Hauk (CDU), Landesminister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, machte deutlich, dass Apotheken „…gewährleisten auch einen niedrigschwelligen Zugang zu persönlicher Beratung und Information bei Gesundheitsfragen und leisten somit einen wichtigen Beitrag zur Daseinsvorsorge im ländlichen Raum“. Auch sein Kollege Landesgesundheitsminister Manne Lucha (Bündnis 90/Die Grünen) betonte die zentrale Rolle von Vor-Ort-Apotheken und wiederholte erneut, wie wichtig auch eine Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen sowie eine angemessene Vergütung sei, um die Versorgungskette auch künftig zu sichern.

Apotheken vor Ort sind ‚must have‘, stehen jedoch vor großen Herausforderungen, insbesondere aufgrund des Fachkräftemangels auf dem Land

Gemäß Gutachten sind Apotheken auf dem Land unersetzbar und folgende weitere zentrale Aspekte stellte Frau Dr. Seisl im Rahmen der Präsentation der Ergebnisse heraus:

  • Aktuell gibt es (noch) keine Anhaltspunkte für eine Unterversorgung an Apotheken.
  • Einen überproportionalen Rückgang an Apotheken gibt es nicht unbedingt im ländlichen Raum.
  • Landapotheken halten ein breiteres Versorgungsspektrum vor (Nacht-/Notdienste), haben mehr Stammkunden und eine entsprechende Reputation bei der Bevölkerung vor Ort.
  • Wettbewerb ist im Vergleich zum städtischen Raum für Landapotheken weniger von Bedeutung.
  • Landapotheken haben mit Botendiensten & Co. sowie entsprechenden digitalen Services u.a. auch einen logistischen Vorteil gegenüber dem Versandhandel (‚same day delivery‘).
  • Vor-Ort-Apotheken leisteten einen zentralen Beitrag während der Pandemie, waren oft ‚erste‘ Ansprechpartner bei gesundheitsbezogenen Fragen und haben damit Arztpraxen entlastet. Insbesondere Landapotheken sowie wohnortnahe konnten von entsprechenden Zusatzeinnahmen profitieren.
  • Apotheken im ländlichen Raum zeigen keine grundsätzlich wirtschaftlich schwächere Position.
  • Eine Apotheke in Baden-Württemberg versorgt im Durchschnitt mittlerweile 4.900 Menschen, das sind 1.000 mehr als noch vor zehn Jahren.

Gleichzeitig erbringen Apotheken weitere neue Leistungen jenseits der Arzneimittelabgabe (wie z.B. pharmazeutische Dienstleistungen, Impfungen etc.), ihre Patienten werden immer älter, was mit steigenden Arzneimittelbedarfen sowie mehr Zeit für pharmakologische Beratungen einhergehen wird. Zugleich wird die Zahl an Apotheken weiterhin sinken; damit stellt sich die Frage, so Dr. Seisl von Rebmann Research, wie lange diese zusätzlichen Aufgaben von Apotheken noch gestemmt werden können, denn der Fachkräftemangel, der auf dem Land besonders prekär ist, verhindere eine entsprechend flexible Anpassung der Apothekengröße bzw. des Leistungsspektrums.

Vernetzung vor Ort und Attraktivität der Apotheke sind zentral

Nur im Netzwerk mit anderen Leistungserbringern und einem attraktiven Angebotsspektrum kann man Nachwuchs gewinnen für die Apotheke auf dem Land. Die Kommunen sollten Netzwerke der Gesundheitsversorger fördern und Apotheken immer „mitdenken“. Wichtig sei zudem, den frühzeitigen Kontakt zum Nachwuchs, z.B. Pharmaziestudierenden, zu suchen und Selbstständigkeit, gerade auch von Apothekerinnen, zu fördern (z.B. Mentorenprogramm, Kita-Plätze etc.).

  • Apotheker und Apothekerinnen wollen ihre fachliche Kompetenz und ihr pharmazeutisches Wissen zum Einsatz bringen, neue Leistungen wie phDL etc. anbieten und weniger Zeit mit Bürokratie verbringen.
  • Apotheken als Primärversorger können bzw. sollten stärker in regionale Versorgungskonzepte von Anfang an mit eingebunden werden.
  • Gemeinden, Landkreise können beim Austausch einen wichtigen Beitrag leisten, indem Sie die regionale Plattform bieten zum Kennenlernen, zur Vernetzung aller Akteure, und um evtl. auftretende Rollenkonflikte, Befürchtungen zu moderieren.

DENN: Das gemeinsame Ziel, eine bessere bzw. effizientere Versorgung sicherzustellen, dürfte unstrittig sein!

  • Mehrfach wurden die Gesundheitskioske an den Pranger gestellt, und klar: Es gibt die Ressourcen nicht, die Gefahr von Doppelstrukturen ist entsprechend groß – aber auch hier gilt: Kooperation statt Konfrontation! Und klare Abgrenzung von Aufgaben, denn nicht jeder kann alles machen.
  • Gemeinsam gilt es, Ressourcen besser zu nutzen, digitale Effizienz- und Versorgungsleistungen zu fördern (Telekonsile etc.) und Patientenpfade / regional angepasste Konzepte der Versorgung zu konzipieren und umzusetzen.
  • Last but not least: ist es mit solchen integrierten Konzepten, einem Netzwerk der Leistungserbringer sowie einer Apotheke mit einem entsprechend attraktiven Angebotsspektrum auch leichter Nachwuchs und potenzielle ApothekerInnen zu gewinnen!

 

Kommentar:

Das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz hatte das Gutachten vor der Pandemie beauftragt. Angesichts der demografischen Entwicklung, die ihrerseits mit steigenden Anforderungen an die Arzneimittelversorgung einhergeht, stand im Zentrum des Gutachtens die Analyse des Status quo dieser Versorgungssituation bezogen auf Apotheken, das Aufzeigen der Herausforderungen sowie die Ableitung von Maßnahmen. Das Institut für Allgemeinmedizin und Interprofessionelle Versorgung (IAIV) an der Uniklinik Tübingen und Rebmann Research haben das Gutachten zur Arzneimittelversorgung durch Apotheken im Ländlichen Raum erstellt, im Herbst 2020 vorgestellt sowie ein Update zu den Entwicklungen in der Coronapandemie im Januar 2023 verfasst, um die Pandemiesituation zu berücksichtigen sowie den mittlerweile vorgelegten Koalitionsvertrag mit entsprechenden rechtlichen Aktualisierungen.

Haben Sie Interesse an einem kostenlosen QuickCheck für die Versorgung Ihrer Region? Dann kontaktieren Sie uns gerne unter petra.seisl@rebmann-research.de oder nadine.brohammer@rebmann-research.de.

Siehe auch News vom 3.5.2023 und 10.1.2023

Quellen:

Hier findet sich der Link zum Download der Gutachten:

 

Petra Seisl
Autor Dr. Petra Seisl
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