Generika-Gesetz noch vor Weihnachten?

Generika-Gesetz noch vor Weihnachten?

Angesichts der sich zuspitzenden Lieferengpässe bei Arzneimitteln hat sich das Gesundheitsministerium mit einem weiteren Gesetzesvorhaben zu Wort gemeldet. Noch vor Weihnachten soll es erste Eckpunkte für ein sog. Generika-Gesetz geben. Inhaltlich geht es insbesondere um Änderungen im Vergaberecht, damit die Abhängigkeit von einzelnen Generika-Herstellern abnimmt. Künftig soll neben dem Preis auch die Lieferfähigkeit als Kriterium Berücksichtigung finden. Bislang sind Krankenkassen nämlich dazu verpflichtet, Generika bei den günstigsten Herstellern zu kaufen. Das befördert die Verlagerung von Produktionsstandorten ins Ausland und / oder dass weniger günstige Mitbewerber ganz aus der Herstellung aussteigen.

Lieferengpässe und Konzentration auf wenige Hersteller

Rabattverträge können zu einem Preisverfall, damit zur Marktkonzentration und höherer Abhängigkeit von wenig verbleibenden Anbietern führen, daher – so der Vorschlag des Ministeriums – könnten die Exklusivität von Rabattverträgen hinterfragt und die Abgaberegelungen für Rabattarzneimittel vereinfacht werden.

Gemäß einer Studie des vfa liegen mittlerweile mehr als zwei Drittel der Standorte, die Wirkstoffe für den europäischen Raum herstellen, in Asien, insbesondere in China und Indien; d.h. dass hier ansässige Pharmahersteller stark abhängig von den aus dem Ausland kommenden Wirkstoffen sind. Corona, Lieferprobleme, die geopolitische Lage sowie das Ansteigen von Energie- und damit Logistikkosten machen deutlich, wie anfällig solche Abhängigkeiten sind. Als Folge des Ukraine-Konflikts gab es Lieferschwierigkeiten bei verstärkt nachgefragten Produkten wie Fieber-, Schmerz-, Narkosemitteln sowie Jod-Tabletten.

Lieferengpass nicht gleich Versorgungsengpass

Aber bereits vor Corona und vor dem Ukraine-Krieg waren Lieferengpässe ein immer wiederkehrendes Problem in Apotheken. Ursächlich sind neben fehlenden Produktionskapazitäten auch Probleme bei der Herstellung, dabei auch bei (abrupt) steigender Nachfrage wie in Erkältungszeiten.

Mehr als 560 Erstmeldungen zu Arzneimittel-Lieferengpässen gab es bislang in 2022 zu verzeichnen und damit so viele wie nie in den letzten Jahren; aktuell – Stand 7.12. – sind es noch immer mehr als 300. Dabei ist ein Lieferengpass nicht gleich Versorgungsengpass – wie von manchen Medien suggeriert – denn für die meisten Arzneien gibt es Ausweichpräparate. Das muss jedoch von der jeweiligen Apotheke abgefedert und gegenüber den PatientInnen kommuniziert werden, z.B. weil es andere Wechsel-/Nebenwirkungen gibt etc. Bereits 2021 zählten für nahezu zwei Drittel der Apothekeninhaber (62%) Lieferengpässe zu den größten Ärgernissen des Berufsalltags, was mit entsprechendem Mehraufwand für das Personal verbunden ist.

Durchschnittlich wenden Apotheken in Europa über 5 Stunden pro Woche für das Management von Lieferengpässen auf.

Um die Arzneimittelversorgung zu sichern, hatte die Politik bereits zuvor punktuell reagiert, z.B. im Rahmen der erhöhten Vorwarn- und Meldepflichten für Pharmahersteller oder mit den erleichterten Austauschregeln für Apotheken, wenn eine Arznei nicht lieferfähig ist.

 

Kommentar:

Nicht nur Deutschland plant Gesetzesvorhaben, auch die EU hat sich jüngst dem Thema gewidmet. Im Oktober hat sie ein Arbeitspapier ‚strukturierter Dialog zur Sicherheit der Arzneimittelversorgung‘ veröffentlicht und dabei festgestellt, dass länderübergreifend insbesondere ältere, patentfreie und generische Arzneien von den Lieferengpässen betroffen sind. Die Gründe dafür seien komplex, nicht einfach zu verorten und beziehen sich u.a. auf eine bereits im Vorjahr von der EU beauftragten Studie; sie reichen von der Rohstoffproduktion, Lieferkettenproblemen bis hin zu Beschaffungsregularien (z.B. Preis-/Rabattgestaltungen). Kritisiert wird z.T. aber auch mangelnde Transparenz. Vorgeschlagen werden folgende sieben Maßnahmen.

Sieben Maßnahmen sollen Abhilfe schaffen, so die EU

  1. Europaweites Listing der betroffenen Arzneimittel (einige Länder führen bereits entsprechende Listen wie z.B. Deutschland mit der Übersicht des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Die dortigen Informationen basieren auf Angaben der Pharmahersteller (freiwillige Selbstverpflichtung) und werden durch Daten aus der Arzneimittel- und Antrags-Datenbank (AmAnDa) des Bundes ergänzt.
  2. Transparenz schaffen, indem (strategische) Abhängigkeiten und EU-weite Produktionskapazitäten bekannt gemacht werden.
  3. Digitalisierung des regulatorischen Umfeldes, z.B. hinsichtlich der Arzneimittelzulassung oder der Registrierung von Chemikalien – davon erhofft man sich mehr Effizienz.
  4. Förderung von grünen bzw. digitalen Innovationen;
  5. Beschaffungsprozedere und Preisgestaltung
    (für konkretere Vorschläge dazu wartet die EU noch auf die Ergebnisse einer entsprechenden Studie; diese sollen noch dieses Jahr veröffentlicht werden);
  6. Mehr Transparenz und Kenntnis zu Lieferketten, indem digitale Tools zur Datenerfassung zum Einsatz kommen;
  7. Förderung der länderübergreifenden, weltweiten (nicht nur EU) Zusammenarbeit; Zulassungsvoraussetzungen, Produktionsbedingungen/-standards, Exportbeschränkungen etc.

Siehe auch News vom 25.8. und 11.10.2022

Quellen:

Petra Seisl
Autor Dr. Petra Seisl
Arrow right icon